Cross Mentoring

Dr. Ewald Judt, Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

Quelle: Wirtschaftsuniversität Wien

Neben der Gewinnung neuer Mitarbeiter und dem Employer Branding zur Entwicklung und Positionierung eines Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber ist die Weiterentwicklung und der Ausbau der Führungsqualitäten bestehender Mitarbeiter für den langfristigen Unternehmenserfolg wichtig. In diesem Zusammenhang hört man in letzter Zeit immer öfter vom Cross Mentoring, einem Ansatz zur organisationsübergreifenden Personalentwicklung.

Wenn im eigenen Unternehmen erfahrene Führungskräfte dem Führungsnachwuchs zur Seite gestellt werden, wird das als Mentoring bezeichnet. Mentoring ist eine Eins-zu-Eins-Beziehung zwischen einer berufserfahrenen Person (Mentor) und einem Ratsuchenden (Mentee). Mentor und Mentee führen über einen längeren Zeitraum regelmäßig Gespräche, von denen beide Seiten profitieren können. Der Mehrwert des Mentorings liegt in der Möglichkeit der individuellen Förderung der persönlichen Fähigkeiten und Potenziale.

Mentoren und Mentees aus verschiedenen Unternehmen

Cross ist der englische Begriff für Kreuz. Cross Mentoring steht daher für ein Mentoring-Programm "über Kreuz". Das Besondere am Cross Mentoring ist, dass Mentoren und Mentees aus verschiedenen Unternehmen zusammenkommen. Erfahrene Führungskräfte (Mentoren) unterstützen ein Jahr lang Nachwuchskräfte (Mentees) auf ihrem Karriereweg, indem sie ihr fachliches Wissen und ihre Erfahrungen weitergeben.

Cross-Mentoring-Programme bestehen - vergleichbar mit dem klassischen Mentoring - aus einer Tandem-Beziehung zwischen Mentee und Mentor und werden mit einem umfassenden und informativen Rahmenprogramm ergänzt, das unter anderem Workshops, World Cafés, Kamingespräche, Boot Camps, Coaching und Veranstaltungen umfasst, die eine Plattform zum Erfahrungsaustausch, individueller Beratung und Feedback sowie Selbstreflexion und (Unterstützung beim) Netzwerkaufbau bieten. In individuellen, persönlichen Dialogen zwischen Mentoren und Mentees und Deep Dives zu unterschiedlichen aktuellen Themen, wie beispielsweise Leadership, Agilität, Kreativität, Innovation werden die emotionalen und digitalen Kompetenzen vertieft. Mentoring-Beziehungen sind stets freiwillig, vertraulich, außerhalb der Hierarchie und ohne Weisungsbefugnis. Innerhalb des Cross Mentorings ist das Experimentieren, Lernen und Fehler machen ausdrücklich erlaubt.

Blick über den Tellerrand

Wesentlicher Innovationsfaktor des Cross Mentorings ist der Austausch zwischen verschiedenen Unternehmen und Branchen. Häufig wurden Probleme, die in einem Unternehmen vorkommen, bereits in anderen Industrien, Branchen oder Märkten erfolgreich gelöst. Von diesem Erfahrungswissen profitieren nicht nur die Mentees, sondern auch die Mentoren. Zusätzlich können neue Business-Kontakte gewonnen werden.

Das Cross Mentoring bietet gegenüber dem klassischen Mentoring wesentliche Vorteile, da der Blick über den Tellerrand durch die Einblicke in die Abläufe anderer Unternehmen in anderen Branchen und deren Unternehmenskulturen ermöglicht wird. Dadurch entsteht ein besseres Wissen über marktwirtschaftliche Besonderheiten und Zusammenhänge und oftmals die Erkenntnis, dass andere Unternehmen mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen haben. Der Mentee entwickelt beim Cross Mentoring Know-how, das im eigenen Betrieb nicht vorhanden ist.

Das Ziel von Cross Mentoring ist es Frauen und Männer in Führungspositionen und Nachwuchskräfte mit Potenzial individuell und praxisnah zu fördern. Je nach Programmschwerpunkt werden die Teilnehmer geschlechts-, generations-, branchen- oder unternehmensübergreifend zusammengeführt.

Spezielle Programme für Frauen

Spezielle Cross-Mentoring-Programme werden beispielsweise für weibliche Nachwuchs-Führungskräfte angeboten, um den Anteil weiblicher Führungskräfte in Unternehmen zu erhöhen und sie auf verantwortungsvolle Positionen im Unternehmen vorzubereiten. Speziell auf Frauen zugeschnittene Entwicklungsprogramme sollen dazu beitragen, Frauen den Zugang zu Spitzenfunktionen zu erleichtern.

Cross Mentoring befähigt die Teilnehmer, altes Wissen mit neuem zu kombinieren und auf diese Weise Neues in den jeweiligen Unternehmen zu entwickeln und umzusetzen. Die Zielgruppen für Cross-Mentoring-Programme umfassen

- engagierte Führungskräfte, die den nächsten Karriereschritt vor Augen haben,

- erfahrene Experten, die aus den Best Practices eines Experten aus einem anderen Unternehmen lernen und ihr Knowhow mithilfe eines praxisnahen Erfahrungsaustausches erweitern möchten,

- aber auch Top Executives, die sich mit einem Digital Native aus einem digital-affinen Umfeld austauschen und vernetzen möchten, um digitalfit und generationenfit zu werden.

Ein Faktor beim Employer Branding

Cross Mentoring ist ein organisiertes Programm, das von externen Dienstleistern angeboten und koordiniert wird. In gut ausgearbeiteten Cross-Mentoring-Programmen profitieren nicht nur junge Führungskräfte von Erfahrenen, sondern auch Top-Manager von Digital Natives und Experten aus unterschiedlichsten Branchen. Cross-Mentoring-Programme bieten im Bankensektor einen idealen Rahmen zur Weiterentwicklung der Fähigkeit, Veränderungen als Chancen zu nutzen. Gerade die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig diese Fähigkeit ist, um notwendige Transformationen in Unternehmen voranzutreiben.

Die hochwertigen (externen) Cross-Mentoring-Programme genießen unter aufstrebenden High Potenzials einen guten Ruf und können für die Entwicklung einer starken Employer Brand genutzt werden. Cross Mentoring ist nicht für die Bindung der eigenen Talente interessant, sondern auch für junge, engagierte Führungskräfte, die vielleicht in Zukunft in diesem Unternehmen arbeiten werden.

Unterstützung vorhandener Weiterbildungs-Tools

In immer mehr Unternehmen werden daher Cross-Mentoring-Programme in Führungskräfte-Entwicklungsprogrammen zum gezielten Aufbau von Potenzialträgern eingesetzt, weil sie Young Professionals einen geschützten Raum bieten, in dem Experimentieren, Ausprobieren, Lernen und auch Fehler machen ausdrücklich erwünscht ist. Cross-Mentoring-Programme können zudem genutzt werden, um die bereits vorhandenen Weiterbildungstools in Unternehmen zu unterstützen. Auch in Zeiten der Covid-19-Pandemie war Cross Mentoring virtuell, das heißt über Online-Zugänge möglich. Einige Cross-Mentoring-Programm-Anbieter haben spezielle Online-Vernetzungsangebote entwickelt und interaktive Distance-Learning-Formate gestartet, die durch Walk-and-Talk-Treffen in Zeiten ohne Lockdown ergänzt wurden.

Im Sinne des Mottos "Zukunft durch Aufstieg" sollte sich Cross Mentoring auch im Finanzdienstleistungssektor zu einem fixen strategischen Bestandteil eines ganzheitlichen Personalentwicklungsansatzes etablieren.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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