Hybride Beratung

Dr. Ewald Judt, Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

Quelle: Wirtschaftsuniversität Wien

Banken und Finanzdienstleister befinden sich inmitten eines weitreichenden Umbruchs. Die Customer Journey der heutigen Bankkunden beginnt immer häufiger mit einer Informationssuche im Internet. Für den Abschluss ist bei komplexeren Themen jedoch weiterhin das individuelle Beratungsgespräch (face to face oder über digitale Kanäle) von zentraler Bedeutung. Die Kunden von heute, vor allem die junge Generation, erwarten, dass sie ihre Bank zu jeder Zeit (24 Stunden am Tag an sieben Tagen die Woche) erreichen können.

Die Banken müssen mit ihren Angeboten der Kundenbetreuung auf die Veränderungen der fortschreitenden Digitalisierung reagieren. Der Kunde 3.0 verlangt nicht entweder persönlichen Kontakt oder digitale Beratung, sondern will hybrid, das heißt sowohl online als auch offline begleitet werden.

Erweiterung der Präsenzberatung durch digitale Beratung

Da viele Bankkunden nicht auf die Filiale verzichten wollen, sondern Online und OfflineAngebote nach Belieben kombinieren wollen, versuchen die (traditionellen) Banken verstärkt, sogenannte Omni Channel Ansätze zu integrieren. Unter hybrider Beratung wird in diesem Kontext eine Erweiterung der Präsenzberatung durch digitale Formen der Beratung verstanden. Es geht dabei nicht um ein Verdrängen der persönlichen Beratung, sondern um eine Ergänzung des Angebots durch digitale Banklösungen.

Die Studie "Beyond digital - How can banks meet customer demands?" von Accenture Financial Services (2017) hat gezeigt, dass weniger als die Hälfte der Bankkunden bereit ist, ausschließlich digitale oder automatisierte Services zu erhalten, sondern die persönliche Beratung als wichtigsten Kommunikationskanal sieht. Auch die Boston Consulting Group (2019) sieht ein Wachstum bei der Gruppe der hybriden Kunden, also derjenigen Konsumenten, die sowohl digital als auch physisch mit ihrer Bank in Kontakt treten wollen. Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass Algorithmen den Wunsch nach menschlicher Beratung nicht völlig ersetzen können, was im Widerspruch zum starken Filialabbau einiger Großbanken steht.

Effizientes Zusammenspiel entscheidend für den Erfolg

Für die Zukunft der Banken bedeutet der Trend zu hybrider Beratung, dass das Kundenerlebnis weiterhin im Mittelpunkt stehen soll, aber die notwendigen technologischen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um den sich ändernden kundenseitigen Anforderungen gerecht zu werden. Es müssen geeignete digitale Kundenplattformen geschaffen werden mit Anwendungen, die den unterschiedlichen Anforderungen der Kunden entsprechen und zu einer positiven Customer Experience führen.

Für den langfristigen Erfolg ist ein effizientes, intelligentes und kundenzentriertes Zusammenspiel von persönlicher Beratung und digitalen Produkten und Services entscheidend. Es gilt, das Beste aus zwei Welten zu realisieren.

Positive Auswirkungen auf die Rentabilität

Die hybriden Entwicklungen können sich auch positiv auf die Wirtschaftlichkeitskennzahlen auswirken. Durch eine perfekte Verzahnung persönlicher und digitaler Kundenschnittstellen kann die Bearbeitungszeit verkürzt, die Entscheidungsfindung beschleunigt und der Service effizienter und kostengünstiger gestaltet werden, wodurch die Rentabilität gesteigert werden kann.

Der Wandel zu hybrider Beratung erfordert ausgereifte Methoden zur Datenanalyse und eine solide Prozessdigitalisierung und hat sich besonders in der Anlageberatung bewährt. Durch eine Analyse der Kundendaten können potenzielle Kunden frühzeitig identifiziert und in Folge durch ein persönliches Beratungsgespräch oder Online über geeignete Veranlagungsoptionen in formiert werden.

Über die digitalen Prozesse lernt die Bank ihre Kunden besser kennen und kann mit individuellen Angeboten die Wünsche der Kunden besser treffen. Es geht darum, die persönliche Beratung mit den Vorteilen der Digitalisierung zu kombinieren: Vermögensverwaltung ist Vertrauenssache und der persönliche Kontakt spielt daher eine große Rolle.

Hybride Beratung erfordert hybride IT

Der Wandel in Richtung einer konsequent betriebenen hybriden Kundenberatung wird sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzen. Das veränderte Kundenverhalten sowie regulatorische Vorgaben haben neue Geschäftsmodelle und Marktteilnehmer hervorgebracht. Die "alte Bankenwelt" wird nur dann erfolgreich bestehen können, wenn sie entweder selbst umfassende technologische Kompetenz und geeignete IT Architekturen entwickelt oder nach geeigneten Kooperationsmodellen sucht.

Die zunehmend hybriden Beratungsangebote erfordern neue IT Lösungen. Die Gestaltung der Angebote muss oftmals grundlegend neu ausgerichtet oder zumindest wesentlich verbessert werden, um eine stärkere Kundenzentrierung der angebotenen Bankdienstleistungen zu erreichen. Finanzdienstleister müssen entlang der Customer Journey die "richtigen" und inhaltlich korrekten Informationen zum passenden Zeitpunkt und in dem vom Kunden gewünschten Kanal zur Entscheidungsfindung bereitstellen. Der Kunde soll sich - zu jeder Zeit - optimal beraten und betreut fühlen. Diese Herausforderungen lassen sich nur durch eine leistungsfähige hybride IT bewältigen. Die Basis in der "hybriden Bankfiliale" bildet eine verlässliche Serviceorientierung, wobei der Kunde am Regiepult sitzt.

Berater wird für den Kunden zur Kontrollinstanz

Hybride Beratung - persönlich und digital - ist zum neuen Credo geworden: Privatkunden wünschen sich persönliche, ehrliche und verständliche Beratung mit transparenter Konditionengestaltung.

Mit dem Trend zur hybriden Beratung hat sich auch die Rolle des Beraters verändert. Der Kunde wendet sich an ihn, um sich zu versichern, dass er das für ihn persönlich passendste Produkt ausgewählt hat, stellt letzte Fragen und schließt häufig den Vertrag direkt beim Berater ab. Der Kunde von heute erwartet von seinem Berater, dass dieser gewissermaßen als Kontrollinstanz fungiert, auf potenzielle Risiken hinweist und eventuelle Missverständnisse ausräumt. Integrierte hybride Kundenberatung muss sich daher an den Bedürfnissen, finanziellen Möglichkeiten und Lebensrisiken des jeweiligen Kunden orientieren.

Wer auf diese Veränderungen und Marktchancen nicht in geeigneter Form flexibel und agil reagiert und den Kunden in den Fokus seiner Geschäftsprozesse rückt, wird den rasanten Wandel kaum überleben beziehungsweise mittel- und längerfristig kein unternehmerisches Wachstum erzielen.

Die Zukunft gehört Jenen, die nicht stehen bleiben und es werden nur jene Finanzdienstleister überleben, die ihre technologischen Kompetenzen um fassend weiter entwickeln, ihre Agilität erhöhen und sich flexibel an die neuen Erfordernisse anpassen.

Durch Professionalisierung der Online Beratung in Verbindung mit persönlicher Beratung müssen die Kunden jederzeit und an jedem Ort auf die richtigen Informationen zugreifen können.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien, ewald.judt[at]wu.ac[dot]at.
Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing Management der Wirtschaftsuniversität Wien, claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien

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