Markenpolitik

Dr. Claudia Klausegger

Quelle: privat

Bei der Entwicklung von Marketingstrategien für ein Produkt steht jedes Unternehmen im Rahmen der Markenpolitik vor der Entscheidung, ob es sein angebotenes Produkt oder seine Produkte mit einer Marke versehen und zu einem Markenartikel machen soll oder nicht. Einerseits entstehen beim Aufbau und der Pflege einer Marke hohe Kosten. Andererseits wird ein Produkt durch eine Marke (Branding) aus der Uniformität und Anonymität herausgehoben, was die Positionierung und den Verkauf erleichtern kann.

Da Markenfunktionen, Markenarten und Markenstrategien auch für Dienstleistungen anwendbar sind, sind Marken ein wichtiger Gegenstand des Finanzdienstleistungsmarketings.

Markenpolitik (Brand Management) als Ausrichtung aller Marketinginstrumente auf den Absatz markierter Produkte - in der Regel Markenartikel genannt - hat im Konsumgüterbereich lange Tradition und große Bedeutung. Ziel der Markenpolitik ist es, dem Markenartikel einen Produktvorteil zu verschaffen, der über die objektiven Produkteigenschaften hinausgeht und beim Kunden zu einer Kaufpräferenz führt. Durch Markieren wird aus einem bloßen Produkt eine Marke beziehungsweise ein Image geformt, das positiv im Bewusstsein der Zielgruppen verankert werden kann.

Wenig Markenartikel bei Finanzdienstleistungen

Für die Markeneigner spiegelt sich erfolgreiche Markenpolitik in einem großen ideellen und materiellen Wert, dem sogenannten Markenwert (Brand Value) wider. Die Brand Consulting Group Interbrand veröffentlicht jährlich ein Ranking der "Best Global Brands".

Wenngleich das Markenartikelkonzept überwiegend auf Konsumgüter angewandt wird, werden auch im Dienstleistungsbereich immer mehr Markenartikel in den verschiedensten Branchen aufgebaut. Beispiele hierbei sind

- Hotel- und Restaurantketten, die ihre verschiedenen Vertriebslinien unterschiedlich markieren,

- Funktaxiorganisationen, die ihre Taxirufnummer zum Markenartikel machen,- Reiseveranstalter, die ihre zielgruppenorientierten Angebote zu Marken aufbauen, oder

- Verkehrsbetriebe aller Art, die ihren jeweiligen Tickettypen unterschiedliche Markenpersönlichkeiten geben.

Im Finanzdienstleistungsbereich werden die Produktnamen zumeist aus dem Unternehmensnamen und der Gattungsbezeichnung gebildet. Das verstärkte Auftreten von Fintech-Unternehmen, die sich als Konkurrenz der etablierten Finanzdienstleister am Markt zu profilieren versuchen, verstärkt jedoch die Diskussion hinsichtlich der Verankerung des Markenartikelprinzips im Finanzdienstleistungsmarketing.

In einigen Bereichen der Finanzdienstleistungsbranchen existieren bereits Markenartikel (zum Beispiel bei einigen Produkten im Zahlungsverkehr und im Investmentfondsgeschäft), in anderen Bereichen versuchen einzelne Unternehmen seit kurzem, Markenartikel zu schaffen (beispielsweise im E- und M-Banking).

Die meisten der angebotenen Finanzdienstleistungen können derzeit jedoch nicht als Markenartikel eingestuft werden. Die typischerweise verwendeten generischen Produktbezeichnungen mit vor- oder nachgestellter Unternehmensmarke reichen zumeist nicht aus, um eine für einen Markenartikel notwendige, einzigartige und unverwechselbare Markenpersönlichkeit zu schaffen.

Die Feststellung "Marke ist nicht gleich Marke" weist darauf hin, dass die Zahl der Markenarten groß ist. Für Dienstleistungen und insbesondere für Finanzdienstleistungen ist in Hinblick auf die Markenstrategie die Unterscheidung in Produkt-, Produktgruppen- und Unternehmensmarken wesentlich:

- Bei Produktmarken bezieht sich die Marke auf ein Produkt. Bei mehreren Produkten hat ein Unternehmen mehrere Marken weitgehend unabhängig voneinander zu führen.

- Bei Produktgruppenmarken bezieht sich die Marke auf die in einer Produktgruppe zusammengehörenden Produkte.

- Bei Unternehmensmarken werden alle Produkte eines Unternehmens unter einer Marke, meist dem Namen des Unternehmens, vertrieben.

In der Finanzbranche meist Unternehmensmarken

Im Rahmen der Markenstrategie steht jedes Unternehmen vor der grundsätzlichen Entscheidung, seine Produkte beziehungsweise Produktgruppen, das Unternehmen oder beides zu markieren. Im Bereich der Finanzdienstleistungen wurde die Entscheidung von den meisten Unternehmen zugunsten einer Unternehmensmarke getroffen. Die meisten Leistungsangebote werden mit der Unternehmensmarke und der Produktbezeichnung angeboten - was sich in der Praxis durch das mehr oder weniger zufällige Aneinanderfügen von Unternehmens- und Produktbezeichnung zeigt.

Für die Vorgangsweise "Unternehmensmarke und generische Produktbezeichnung" gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze:

1. Das positive Image der Bank oder der Versicherung kann in einfacher Form auf alle Produkte übertragen werden. Zu beachten ist jedoch, dass dies auch für den umgekehrten Fall gilt, das heißt negative Erfahrungen mit einem Produkt schlagen sich auch negativ auf das Image des gesamten Kreditinstituts oder des Versicherungsunternehmens nieder.

2. Das Zusammenfallen von Produktion und Vertrieb bei Finanzdienstleistungsprodukten: Der Vertrieb der Produkte ist untrennbar mit dem jeweiligen Unternehmen und dessen Marken verbunden.

3. Die Gefahr, dass unterschiedliche Produktmarken die Zugehörigkeit der verschiedenen Produkte zu einem Unternehmen und die Zusammengehörigkeit der unterschiedlichen Produkte nicht in ausreichender Weise vermitteln.

Ausnahme Zahlungsverkehr

Im Zahlungsverkehr gibt es bei den Payment Schemes große globale, das heißt weltweit standardisiert eingesetzte Produktmarken wie Mastercard und Visa. Der Einsatz globaler Marken ist für die Produktakzeptanz sowohl im Bargeldbezug als auch für die bargeldlose Zahlung bei Handels- und Dienstleistungsunternehmen von großer Relevanz. Diese Marken können als zugekaufte Markenartikel betrachtet werden, bei denen die Banken die Rolle des Einzelhandels übernehmen. Beim Vertrieb dieser Produkte wird von den meisten Unternehmen das jeweilige Produkt zusätzlich zur Produktmarke des Payment Schemes) mit der Unternehmensmarke (des jeweiligen Karten-Issuers) versehen.

Banken und Versicherer denken in Richtung Produktmarken

Aufgrund der sich ändernden Markt- und Konkurrenzbedingungen sind bei Banken und Versicherungen in letzter Zeit Tendenzen zu erkennen, dass von einer reinen auf Firmennamen und Gattungsbezeichnung beruhenden Markenstrategie verstärkt in Richtung Produktmarken gedacht wird. Dabei fließen die Erkenntnisse der Produktmarkenstrategie der Konsumgüterhersteller in die Überlegungen ein.

Zu beachten ist, dass im ersten Schritt der Markenentwicklung eine geeignete Produkt-/Produktgruppenmarke gefunden muss. Zuerst muss eine Marke aufgebaut werden, bevor die Markenführung einsetzt. Eine positive Evolution einer Marke durch Markenführung ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Kontinuität und einer stetigen Weiterentwicklung aufgrund von Veränderungen des Umfelds (Kultur, Lebensstil, Verhaltenswerte, Zukunftserwartungen, Technologien). Bei den Markenanpassungen ist darauf zu achten, dass bei jeder Aktualisierung das inhärente Risiko des Identitätsverlustes der Marke besteht.

Was den Aufbau und die Führung von Finanzdienstleistungsmarken betrifft, sind keine grundsätzlichen Unterschiede zu Konsumgütermarken festzustellen. Zu beachten ist, dass Marken bei Dienstleistungen aufgrund ihrer Immaterialität eine noch wichtigere Rolle spielen. Eine bekannte und starke Marke kann als leistungsbezeugender Hinweis eingesetzt werden, um das wahrgenommene Risiko der Kunden zu reduzieren und ihr Vertrauen zu erhöhen.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien, ewald.judt[at]wu.ac[dot]at.
Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien, claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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