STP-Marketing

Dr. Ewald Judt, Honorarprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien

Quelle: Wirtschaftsuniversität Wien

Wachsender Wettbewerbsdruck sowie sinkende Kundenloyalität zählen zu den größten Herausforderungen der Kreditwirtschaft. Egal ob Filial- oder Online-Bank, müssen sich Banken und Sparkassen die Frage stellen, auf welche Zielgruppen sie sich fokussieren und wie sie sich im Vergleich zum Mitbewerb besonders attraktiv und einzig artig präsentieren wollen, um ihre Kunden zu binden und neue Kunden zu gewinnen. Seit einigen Jahren wird in vielen Unternehmen der sogenannte STP-Ansatz eingesetzt. STP steht dabei für Segmenting (Segmentierung des Marktes), Targeting (Auswahl der richtigen Zielsegmente) und das darauf aufbauende Positioning (Positionierung) einer Marke oder eines Unternehmens. Diese Marketingstrategie zielt auf folgende zwei Schlüsselfragen ab: Welche Kunden werden "bedient" (Segmenting und Targeting) und wie wird ein Customer Values für die ausgewählten Kunden kreiert (Differenzierung und Positioning?

Der auf den Wirtschaftswissenschaftler Philip Kotler zurück gehende STP-Ansatz stellt vor allem die Sichtweise amerikanischer und britischer Wissenschaftler dar, wohingegen deutsche Autoren Marktsegmentierungen meist als zweistufiges Konzept aus Markterfassung und -bearbeitung verstehen. Unabhängig davon, ob ein zwei- oder dreistufiger Ansatz gewählt wird, steht immer der Kunde und die Kreation eines Customer Values mit dem Ziel profitabler Kundenbeziehungen im Mittelpunkt. Anschließend werden mit einem zielgruppenspezifischen Marketingmix die Customer Values an die definierten und ausgewählten Zielgruppen übermittelt.

In der Phase des Segmenting geht es um die Ermittlung geeigneter Segmentierungsvariablen und das Segmentieren des Marktes. Für die Unterteilung in Zielgruppen können demografische Eigenschaften wie Geschlecht, Alter oder Wohnort und sozio-ökonomische Eigenschaften wie Einkommen, Bildungsgrad zur besseren Einschätzung von Bedürfnissen unterschiedlicher Kundensegmente eingesetzt werden.

Neben diesen objektiven Messkriterien sollten ergänzend psychografische Eigenschaften zur Beschreibung herangezogen werden. Durch die Beleuchtung der Wertvorstellungen und Lebensstile können Kundensegmente genauer identifiziert und eine bessere Einschätzung getroffen werden, auf welche Produktangebote diese positiv reagieren könnten (zum Beispiel nachhaltige Fonds). Ergänzende, in der Praxis häufig eingesetzte Ansätze zur Segmentierung sind, zum Beispiel VALS (Values Attitude Lifestyle), die Sinus Milieus, der Familienlebenszyklus oder der Personas Ansatz (siehe Bankmanagement-Glossar in bank und markt 8/2019).

Sobald die unterschiedlichen Segmente eines Marktes identifiziert wurden, müssen die Entscheidungsträger im Rahmen des Targeting (Zielmarktfestlegung) deren Attraktivität anhand der Übereinstimmung mit den Zielen, Kompetenzen und Ressourcen des jeweiligen Unternehmens bewerten und geeignete Zielsegmente für die Marktbearbeitung auswählen. Die richtige Segmentierung ist für Banken und Sparkassen ein wichtiger Ansatz, um besser auf die Bedürfnisse ihrer Kunden und Zielgruppen eingehen zu können.

Die Positionierung als Bank für alle(s) ist ein Auslaufmodell

Die Attraktivität eines Segmentes kann etwa anhand von Kaufkraft oder Größe des Segments ein geschätzt werden. Je besser der Fit zwischen der Attraktivität eines Segments und den Ressourcen des Unternehmens, desto effizienter wird der entwickelte Marketing-Mix diese Zielgruppe zum Kaufabschluss animieren können. Idealerweise können attraktive Markt- und Kundensegmente mit den vorhandenen Ressourcen eines Unternehmens angesprochen werden. Das heißt, dass die bereits etablierten Marketingkanäle oder die bestehende Expertise von Mitarbeitern ausreichen, um das definierte Zielsegment zu bedienen.

Die Auswahl eines Zielsegments kann aber auch den Eintritt in einen neuen Markt bedeuten, was mit Veränderungen bei der Marktbearbeitung verbunden ist. Weniger attraktive Cluster sollten nur dann angesprochen werden, wenn gute Gründe, zum Beispiel kurzfristige Gewinnung von Marktanteilen in gesättigten Märkten, vorliegen. Als letzter Schritt definiert die Positionierung die Ausrichtung aller Marketingmaßnahmen zur gezielten emotionalen und faktischen Ansprache der definierten Kundensegmente. Das Positionierungskonzept wird für das Unternehmen insgesamt und für die einzelnen Zielsegmente erstellt und mithilfe der anschließenden Marketing-Mix Maßnahmen implementiert. Die Positionierung sollte auf die aktive Gestaltung einer Marke im relevanten Markt abzielen. Die "Bank für alle/alles" ist ein Auslaufmodell. Bevor die bestehenden Geschäftsmodelle angepasst beziehungsweise neu definiert werden, muss daher die Positionierung der Mitbewerber genau analysiert werden.

Die Herausforderung besteht in der Erzeugung eines einzigartigen Nutzens für das Zielsegment. Es muss das strategische Ziel im Marketing jeder Retail-Bank sein, eine klare Positionierung und Emotionalisierung der Marke zu erreichen. Jede Bank braucht eine erkennbare Unique Selling Proposition und muss Schwerpunkte setzen, um ihren Zielgruppen einen relevanten Mehrwert zu bieten. Wird die Positionierung nicht klar ausgearbeitet oder werden uneinheitliche Kommunikationsinhalte über die verschiedenen Kanäle kommuniziert, kann dies zu Irritationen und Vertrauensverlust auf Kundenseite führen.

Der STP-Strategieprozess stellt ein hilfreiches strategisches Konzept dar, um attraktive Kunden- und Marktsegmente zu identifizieren, auszuwählen zielgruppengenau zu erreichen. Die einzigartige und nutzenstiftende Positionierung eines Unternehmens und dessen Marken, Produkte und Dienstleistungen stellt die strategische Basis für die anschließenden Marketing-Aktivitäten dar. Die wichtigsten Ziele der STP-Strategie sind die Verbesserung der Marketingperformance, Erhöhung der Kundenzufriedenheit, Differenzierung von Mitbewerbern und eine Steigerung der Profitabilität. Es herrscht unter nationalen und internationalen Marketingexperten Einigkeit hinsichtlich der großen Bedeutung des STP-Ansatzes für die Praxis.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien, ewald.judt[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien, claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien

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