Digitalisierungsinitiativen der Assekuranz hinter Plan - aber wenig Vertrauen in Brancheninitiativen

Abbildung 1: Strategische Partnerschaften mit Insurtechs bevorzugt Quelle: Ey Innovalue

Mehr als 40 Prozent der Versicherer haben 2019 keine oder aus ihrer Sicht nur unzureichende Digitalisierungsinitiativen umgesetzt und vergeben damit viel Potenzial mit Blick auf neue Geschäftsmodelle, Vertriebswege oder Arbeitsweisen. Das geht aus einer Umfrage von EY Innovalue unter rund 80 Vorständen und Führungskräften der Versicherungsindustrie hervor. Bei gut jedem dritten Versicherungsunternehmen blieben die Digitalisierungsinitiativen hinter den Erwartungen zurück, 7,5 Prozent haben erst gar keine gestartet.

Besser aufgestellt für das Versicherungsgeschäft sehen sich knapp 37,7 Prozent der Versicherer, die ihre Digitalisierungspläne wie geplant und erwartet umgesetzt haben. Jedes fünfte Unternehmen der Assekuranz konnte seine Erwartungen mit den gestarteten Digitalisierungsprojekten sogar übertreffen.

Wettbewerb durch Bigtechs unterschätzt?

Der Wettbewerb durch Bigtechs oder Insurtechs wird von den Befragten bislang als überschaubar beurteilt. Nur jeder Fünfte hält es für sehr wahrscheinlich oder wahrscheinlich, dass Techgiganten oder internationale Plattformen bis Ende 2021 signifikant im deutschen Versicherungsmarkt direkt oder über Beteiligungen aktiv sein werden. Eine große Mehrheit von 60 Prozent hält dies für sehr unwahrscheinlich oder unwahrscheinlich, 20 Prozent haben dazu keine Meinung.

Dieses Ergebnis zeigt: Die Assekuranz geht davon aus, noch über ein Zeitfenster von mindestens zwei Jahren zu verfügen, um sich für den neuen digitalen Wettbewerb aufzustellen. Gut möglich, dass diese Einschätzung zutreffend ist, denn bisher konzentrieren sich zumindest die Bigtechs eher auf Bankdienstleistungen und hier vor allem das Payment. Das Versicherungsgeschäft steht allem Anschein nach noch weniger im Fokus.

Das gibt den Versicherern Zeit, sich für das digitale Zeitalter neu aufzustellen - die allerdings sollten sie auch nutzen. Denn erstens ist es längst nicht ausgemacht, dass Bigtechs nicht schneller als erwartet auch Lösungen rund ums Versicherungsgeschäft anbieten. Zum anderen zeigen die massiv angestiegenen Investitionen in Insurtech-Unternehmen, dass auch an dieser Stelle der Wettbewerb deutlich zunimmt. Hier gilt es nun, dem Vorbild der Banken zu folgen und beizeiten Kooperationen einzugehen, um auf dem Weg zur Plattformökonomie nicht abgehängt zu werden.

Immerhin jedes zweite Versicherungsunternehmen ist der Umfrage zufolge bereits mit digitalen Produkten auf Plattformen oder in Ökosystemen vertreten. 40 Prozent antworten jedoch mit einem klaren Nein (25,9 Prozent) oder mit "eher Nein" (14,8 Prozent). Knapp jedes zehnte Unternehmen hat zumindest einen Anfang in diese Richtung gemacht.

2017 hatten Stadt und IHK Köln, die Universität zu Köln, die TH Köln, Versicherungsunternehmen (darunter zum Beispiel Alte Leipziger, Axa, DEVK, Gothaer und W&W) sowie Insurtech-Startups die Brancheninitiative Insurlab Germany gegründet, um Versicherungsunternehmen und Startups, die digitale Produkte und Services für die Versicherungswirtschaft entwickeln, zu vernetzen. Ziel ist es, Versicherungsunternehmen einen einfachen, direkten Zugang zu nationalen und internationalen Startups zu ermöglichen und sie aktiv bei der Planung und Umsetzung gemeinsamer Projekte zu unterstützen, um die deutsche Versicherungswirtschaft nachhaltig zu transformieren und zu digitalisieren. Als einer von zwölf Hubs in Deutschland ist das Insurlab Germany Teil der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgebauten Digital Hub Initiative "de:hub" und offizieller Kompetenzstandort für die Insurtech-Szene Deutschlands.

Das eine tun, ohne das andere zu lassen

Die befragten Vertreter der Assekuranz überzeugt dieser Ansatz jedoch wenig - ablesbar auch an der Mitgliederliste, in der wichtige Branchengrößen wie etwa Allianz, Ergo oder R+V fehlen. In der zitierten Umfrage hielten nur 9 Prozent der Befragten die Mitwirkung bei Innovationsinitiativen wie dem Insurlab für ein Erfolgsmodell. 40 Prozent dagegen setzen auf strategische Partnerschaften zwischen Versicherern und Insurtechs, 37 Prozent bevorzugen eine selektive Zusammenarbeit. 15 Prozent halten auch Beteiligungen mit Wagniskapital für vielversprechend.

Vielleicht vergibt die Branche hier doch einiges an Chancen. Natürlich ist gegen strategische Partnerschaften oder andere Modelle der Zusammenarbeit nichts zu sagen - doch diese könnten möglicherweise über Initiativen wie das Insurlab schneller zustande kommen als im Alleingang. Auf exklusive Partnerschaften zu hoffen, wenn man Brancheninitiativen meidet, ist vermutlich kein allzu viel versprechender Ansatz. Exklusivität wird im digitalen Zeitalter mit seinen Plattformen ohnehin zum Auslaufmodell, auch wenn Auswertungen zeigen, dass zumindest im Vertrieb von Lebensversicherungen die Einfirmenvertreter noch knapp die Nase vorn haben (siehe bank und markt 1-2020, Seite 41). Wenn die eigenen Digitalstrategien der Eigenbeurteilung zufolge unzureichend sind, dann sollten die etablierten Anbieter jede Hilfestellung nutzen, die sie bekommen können, um sich für die neue digitale Welt aufzustellen. Man kann ja das eine tun, ohne das andere zu lassen - sprich, bei Brancheninitiativen mitwirken und dennoch selbst die Fühler nach möglichen Partnern ausstrecken.

Kooperation mit Banken neu aufstellen

Bewährte Kooperationsmodelle mit Bankvertriebspartnern muss die Kooperation nicht zwangsläufig aushebeln. Denn diese Zusammenarbeit mit Insurtechs dürfte sich auch so gestalten lassen, dass diese mit einbezogen werden. Ein gutes Beispiel dafür ist der VR Versicherungsmanager, den die R+V gemeinsam mit Friendsurance entwickelt hat.

Die Entscheidung der PSD Bank München, die sich bei der digitalen Altersvorsorge für eine Kooperation mit Fairr entschieden hat, zeigt jedoch auch, dass die Banken selbst diese etablierten Partnerschaften auf ihre Zukunftsfähigkeit abklopfen. Kann ein bewährter Partner kein überzeugendes Konzept für die digitale Welt bieten, dann suchen sich Bankpartner schon einmal den "Bypass".

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