Der Durchbruch beim Sozialpartnermodell in der bAV ist geschafft

Eigentlich hätte das Betriebsrentenstärkungsgesetz der große Wurf sein sollen, um deutlich mehr Arbeitnehmern in Deutschland - allen voran den Geringverdienern - zu einer betrieblichen Altersversorgung zu verhelfen. Die Hoffnungen an das Sozialpartnermodell, mit dem die betriebliche Altersvorsorge Eingang in die Tarifverträge finden soll, waren groß - vor allem aufgrund des Paradigmenwechsels von der Leistungs- zur reinen Beitragszusage, ja sogar dem Verbot von Garantien. Denn gerade im Niedrigzinsumfeld macht das die Aufwendungen für die bAV für Unternehmen sehr viel berechenbarer als bisher.

Dann begann für die politisch Verantwortlichen erst einmal eine Zitterpartie. Denn nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2018 geschah erst einmal nichts. Wohl stellte die Anbieterseite Zug um Zug Modelle vor - als erste bereits im März 2018 der genossenschaftliche Versicherer R+V gemeinsam mit Union Investment. Diese Entwürfe allerdings blieben eine mehr oder weniger theoretische Grundlage für potenzielle Vereinbarungen der Tarifparteien, die wiederum ausblieben. Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben - angefangen mit der Laufzeit von Tarifverträgen, über Bedenken hinsichtlich des Verzichts auf Garantien, bis hin zu der anhaltenden Diskussion über ein mögliches staatlich organisiertes Standardprodukt.

Präzedenzfall geschaffen

Nun aber ist es so weit: Gut drei Jahre nach Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes und nur rund ein halbes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl ist das "Wettrennen" entschieden. Gemacht hat es "Die Deutsche Betriebsrente" - eine Kooperation der Versicherer Talanx und Zurich. Am 11. März 2021 konnte sie Vollzug melden: Auf Basis ihres Modells sind sich die Talanx Gruppe und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi einig geworden und starten das erste Sozialpartnermodell in Deutschland, so die Meldung. Das ausgehandelte Vertragswerk rund um den Haustarifvertrag für rund 11 000 Talanx Beschäftigte wurde der BaFin zur Prüfung vorgelegt. Deren Zustimmung vorausgesetzt, sollen die Beschäftigten der Talanx-Gruppe ab dem 1. Juli 2021 Versorgungsverhältnisse bei "Die Deutsche Betriebsrente" zeichnen können.

Ob das noch reicht, um im anstehenden Bundestagswahlkampf mit den Segnungen der bAV Reform werben zu können, sei einmal dahingestellt. Dennoch ist das erste Sozialpartnermodell in Deutschland nicht nur für die politisch Verantwortlichen eine gute Nachricht. Sondern es schafft zunächst einmal den so wichtigen Präzedenzfall.

Blaupause für künftige Verträge

Im September 2019 sprach Norbert Reuter vom Verdi-Bundesvorstand im Interview mit bank und markt von einem großen Kommunikationsproblem, vor das das Garantieverbot bei der neuen Zusageart der Zielrente die Gewerkschaften stelle. Da keinerlei Leistungen mehr konkret zugesagt werden dürfen, sei schnell das böse Wort von der "Zocker Rente" in Umlauf gekommen. Um hier Akzeptanz zu schaffen, müsse intensiv über die Hintergründe aufgeklärt werden, so Reuter damals, das heißt, die mit Garantien verbundenen Kosten zulasten der späteren Rente.

Das wird auch heute nicht so viel anders sein. Allerdings dürften das Dauer-Niedrigzinsumfeld und die nicht abreißende öffentliche Diskussion um Garantien in der Altersvorsorge ihren Teil dazu beigetragen haben, das Misstrauen gegenüber der "Zulagen Rente" mit reiner Beitragszusage zu reduzieren. Inzwischen dürfte die Gewerkschaftsseite sich spürbar weniger schwer damit tun, den Beschäftigten das neue bAV Konzept zu vermitteln, als das noch vor zwei oder drei Jahren der Fall war.

Dr. Christopher Lohmann, im Vorstand der Talanx Gruppe, verantwortlich für den Geschäftsbereich Privat- und Firmenversicherung Deutschland, bezeichnet den Abschluss bei Talanx deshalb vermutlich zu Recht als "Meilenstein für die Altersversorgung in Deutschland". Dr. Carsten Schildknecht, Vorstandsvorsitzender der Zurich Gruppe Deutschland, spricht von einer Blaupause, die Verdi auch auf andere Branchen in Deutschland anwenden kann. "Mit dieser Blaupause existieren nun erstmals grundlegende Rahmenbedingungen, die von interessierten Arbeitgeberverbänden übernommen werden können, um mit diesem Durchführungsweg mehr Bürgern den Zugang zur bAV zu ermöglichen", so Schildknecht.

Genau dies dürfte der entscheidende Punkt sein: Viele Detailregelungen werden künftig nicht mehr jedes Mal aufs Neue grundsätzlich bedacht werden müssen. Sondern die Gewerkschaftsseite geht demnächst zumindest mit einer groben Linie darüber in die Verhandlungen, was ein Sozialpartnermodell aus ihrer Sicht beinhalten soll. Das dürfte in Zukunft die Verhandlungen mit anderen Unternehmen beträchtlich erleichtern und beschleunigen.

Akzeptanz für "Zulagen-Rente" gestiegen

Wenn "Die Deutsche Betriebsrente" nun das Ziel ausgibt, den Schwung der Verhandlungen mit Verdi aufzunehmen und weitere Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften von dem Zielrentenkonzept zu überzeugen, dann ist das vermutlich nicht abwegig. Schließlich herrscht inzwischen weitgehend Einigkeit darüber, dass Garantien - ganz gleich ob in der privaten Altersvorsorge, bei der staatlich geförderten oder eben in der bAV kaum noch darstellbar sind. Nicht zuletzt die Deutsche Aktuarvereinigung hat sich in letzter Zeit gleich mehrfach in dieser Hinsicht geäußert. Die reine "Zulagen Rente" scheint in sofern mehr denn je als der einzige gangbare Weg in der bAV. Wäre sie durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz nicht längst möglich gemacht worden, dann wäre es höchste Zeit dafür.

Das heißt natürlich nicht, dass die Gewerkschaftsseite auf die bisherigen Durchführungswege verzichten will. Dass für Beschäftigte, die in Zeiten mit hohen Zinsen noch eine bAV mit oftmals hohen Leistungszusagen abgeschlossen haben, an die die Arbeitgeber auch heute noch gebunden sind, eine Umstellung nicht infrage kommt, hat Norbert Reuter schon 2019 betont. Und auch jetzt sagt Ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz, man wolle an den bewährten Durchführungswegen festhalten. Zu ihnen geselle sich aber mit der Beitragszusage "eine neue Variante, die trotz der anhaltenden Niedrigzinsphase langfristig eine attraktive Rendite ermöglicht" - und vor allem auch neueingestellten Beschäftigten den Zugang zu einer bAV ermöglicht, die sie sonst vielleicht nicht mehr bekommen hätten.

Zwei Jahre lang verhandelt

Dennoch haben die beteiligten Partner natürlich komplettes Neuland betreten. So erklärt sich, dass Talanx und Verdi nach Angaben der Gewerkschaft fast zwei Jahre lang verhandelt haben, um das neue Modell der betrieblichen Altersvorsorge überhaupt erst zu entwickeln, das nicht nur durch höhere Renditen zu höheren Betriebsrenten führen, sondern andererseits auch Sicherheit und Planbarkeit für die Beschäftigten schaffen soll.

Dass das erste Sozialpartnermodell in Deutschland überhaupt nun gerade bei einem der Versicherer aus dem Konsortium der "Deutschen Betriebsrente" im eigenen Haus zum Einsatz kommt, muss dabei kein Nachteil sein - eher im Gegenteil. Denn da Talanx von der gemeinsam mit Zurich getragenen Lösung überzeugt ist, ersparte die Aufnahme in den eigenen Haustarifvertrag die sonst noch erforderliche Überzeugungsarbeit auf der Unternehmensseite. Die wird in künftigen Tarifverhandlungen mit anderen Unternehmen erforderlich sein, in die ein Sozialpartnermodell mit einbezogen wird. Doch auch hier wird eine Blaupause, die den Unternehmen seitens der Gewerkschaft als Verhandlungsgrundlage vorgelegt werden kann, die Dinge vermutlich vorantreiben. Das wird vor allem für kleinere Unternehmen gelten, die weder Interesse daran noch die Kapazitäten dafür haben, sich mit Detailregelungen intensiv zu befassen und an allzu vielen Stellschrauben zu drehen.

Das heißt sicher nicht, dass es im Bereich der bAV von nun an Schlag auf Schlag gehen wird. Der Durchbruch ist aber erst einmal geschafft. Dafür wurde es angesichts der absehbar immer weiter wachsenden Vorsorgelücke vieler Menschen auch hohe Zeit. Da sei es der Gewerkschaft Verdi gegönnt, dass sie den Abschluss für Werbung in eigener Sache nutzt. "Das Sozialpartnermodell ist nur mittels Tarifvertrag zu realisieren. Tarifverträge gibt es aber nur, wenn sich Beschäftigte in Gewerkschaften organisieren. Deshalb ist es ein wichtiges Signal, dass wir auf der Kostenseite für Ver.di Mitglieder einen Rabattvorteil vereinbaren konnten" so Verdi Bundesvorstand Schmitz. "Die Versorgungsempfänger sollen im Sozialpartnermodell durch die Gewerkschaft eine starke Vertretung haben, die im Interesse der Beschäftigten die Entwicklung der Betriebsrenten mit beeinflusst und überwacht".

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