Frauen brauchen andere Vorsorgeberatung

Frauen verdienen nicht nur weniger als Männer - als Folge davon erhalten sie auch weniger Rente. Die durchschnittliche Rentenlücke im Vergleich zu Männern - bezogen auf die gesetzliche Rente - beträgt 26 Prozent. Im Schnitt hätte eine Frau, die mit 67 Jahren in den Ruhestand geht, nach heutiger Berechnung im Monat 140 Euro weniger gesetzliche Rente als ein Mann. Das ist das Ergebnis der wissenschaftlichen Studie "The Gender Pension Gap in Germany" von Prof. Alexandra Niessen-Ruenzi, Universität Mannheim, und Prof. Christoph Schneider, Tilburg University, im Auftrag von Fidelity International. Zur Berechnung der geschlechtsspezifische Rentenlücke haben die Wissenschaftler eine repräsentative Datenbank des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) herangezogen und basierend hierauf die gesetzlichen Rentenansprüche von über 1,8 Millionen Arbeitnehmern berechnet.

Ab 35 Jahren öffnet sich die Rentenschere

Die Untersuchung zeigt: Nach wie vor sind es vor allem Kindererziehungszeiten und Teilzeit, die die Rentenlücke entstehen lassen. Denn bis zum Alter von 35 Jahren (mit durchschnittlich 30 Jahren bekommen Frauen in Deutschland ihr erstes Kind) gibt es kaum einen Unterschied bei den erwarteten Rentenansprüchen von Frauen und Männern. Die geschlechtsspezifische Rentenlücke beträgt bei den 26- bis 35-Jährigen nahezu 0 Prozent. Erst ab etwa 35 Jahren öffnet sich die Schere. Danach erwerben Männer deutlich mehr Rentenpunkte als Frauen und erwarten später folglich höhere Rentenzahlungen. In der Altersgruppe der 36- bis 45-jährigen Frauen liegt die geschlechtsspezifische Rentenlücke bei 15 Prozent, bei den 46- bis 55-Jährigen sogar bei 27 Prozent.

Neben den Unterschieden in den Erwerbsbiografien von Männern und Frauen trägt dazu auch die Tatsache bei, dass Frauen häufiger in weniger gut bezahlten Berufen arbeiten. So erklärt sich, dass die geschlechtsspezifische Schlechterversorgung mit der gesetzlichen Rente auch solche Frauen trifft, die gar keine Kinder haben.

Die Vorwürfe der Studienautoren an die Politik sind die üblichen: Eine Familien- und Sozialpolitik, die sich am traditionellen, mittlerweile aber als überholt geltenden Familienbild orientiert, zu wenig Kinderbetreuungsplätze schafft und durch Ehegattensplittung und Bedarfsgemeinschaften bei Hartz IV die Abhängigkeit vom Familienernährer unterstützt. Diese immer wieder vorgetragenen Vorwürfe - verbunden mit der Forderung, mehr dafür zu tun, dass sich Frauen weniger auf die Familie konzentrieren (müssen), decken sich allerdings nicht mit den Erkenntnissen der Sozialforschung, wonach die große Mehrheit der in Teilzeit arbeitenden Frauen dies ganz bewusst und gerne tut.

So hat eine 2018 vom Delta-Institut für Sozial- und Ökologieforschung zur Frage "Lebensqualität oder Teilzeitfalle" zutage gefördert, dass 82 Prozent der Frauen in Teilzeit freiwillig und sehr gerne Teilzeit arbeiten, 52 Prozent sogar "äußerst gerne". Das hat nichts mit Sorglosigkeit mit Blick aufs Alter zu tun. Denn 71 Prozent der Befragten finden, dass es mit Blick auf die Rente sinnvoll wäre, Vollzeit oder vollzeitnah zu arbeiten. 68 Prozent gehen davon aus, von ihrer gesetzlichen Rente nicht leben zu können.

Nur wenige sehen sich in der Teilzeitfalle

85 Prozent der Frauen bezeichnen es als für sich "super", in Teilzeit arbeiten zu können, 60 Prozent wollen dauerhaft, möglichst bis zur Rente dabei bleiben. Nur 34 Prozent der Frauen wollen mehr Stunden pro Woche arbeiten, als sie es bisher tun. Unter dem Strich kommt die Studie zu dem Schluss, dass der Großteil der Frauen Teilzeit als Lebensqualität bewerten (85 Prozent).

Diese Aspekte gilt es bei politischen Weichenstellungen sowie der privaten Altersvorsorge zu berücksichtigen. In gewisser Weise hat das die Politik bei der Riester-Rente getan, die es dank Zulagen ermöglicht, auch mit geringen Eigenbeiträgen zusätzlich vorzusorgen. Dass Riester aus Sicht der in Teilzeit arbeitenden Frauen nach der gesetzlichen Rentenversicherung und sonstigen Geldanlagen mit 56 Prozent nur auf Platz drei unter den genutzten Formen der Altersvorsorge kommt, dürfte unter anderem daran liegen, dass die staatlich geförderte private Altersvorsorge in den letzten Jahren systematisch schlecht geredet wurde.

Junge Frauen möglichst früh auf Vorsorge ansprechen

Was heißt das alles nun für die Beratung in Banken und Sparkassen? Zuerst: Frauen brauchen eben doch eine spezielle Vorsorgeberatung - und vielleicht auch andere Produkte als Männer. Staatlich geförderte Vorsorge ist für Frauen - gerade mit Blick auf eine mögliche Teilzeit - wichtiger als für Männer.

Generell brauchen Frauen flexible Vorsorgeprodukte, bei denen sich die Sparrate der Einkommenssituation anpassen kann. Die klassische Rentenversicherung mit festem monatlichem Beitrag mag zwar vom Produktzuschnitt her dem Sicherheitsempfinden von Frauen entgegenkommen. Es bringt aber nichts, die Sparrate so anzusetzen, dass die Kundin sie in einer möglichen Phase der Kindererziehung vielleicht nicht mehr aufbringen kann, oder umgekehrt so niedrig ist, dass sie zwar dauerhaft geleistet werden kann, dafür aber die Sparpotenziale in der Phase der Vollzeittätigkeit nicht ausgeschöpft werden. Anders als vielleicht bei Männern kann es sinnvoll sein, in jungen Jahren mit einer vergleichsweise hohen Sparleistung anzufangen, die dann später eventuell (vorübergehend) reduziert werden kann.

Es schadet auch nicht, junge Frauen, die am Beginn ihres Berufslebens stehen, aktiver auf Altersvorsorge anzusprechen als gleichaltrige Männer. Der Grundsatz, dass es sich lohnt, möglichst früh mit der Vorsorge zu beginnen, gilt zwar für beide Geschlechter gleichermaßen. Doch wenn Frauen ab etwa 30 Jahre tendenziell weniger verdienen und damit auch weniger vorsorgen können, dann muss die Zeit der Vollzeit-Erwerbstätigkeit vor der Familiengründung umso besser genutzt werden, um ein Vorsorgepolster aufzubauen, bevor die Mittel für die Eigenvorsorge knapper zu werden beginnen.

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