Gewerbeversicherung auf Hybridisierung von Geschäftsmodellen ausrichten

In der Gewerbeversicherung gibt es noch reichlich Potenzial. Zu diesem Ergebnis kommt der Report Gewerbeversicherung von Finanzchef und dem digitalen Versicherer Endsafe, für den 800 Kleinunternehmer in Deutschland befragt wurden.

Inhaltsversicherung mit Elementarschadenanteil

Unter dem Eindruck der Naturkatastrophen im Sommer vergangenen Jahres ist zum einen die Nachfrage nach Elementarschadenversicherungen gestiegen. Andsafe berichtet darüber, dass im zweiten Halbjahr 2021 jeder zweiter Kunde die Inhaltsversicherung inklusive der Elementargefahren abgeschlossen hat. Das zeigt natürlich vor allem, dass Ereignisse wie Tief Bernd mit der dadurch versursachten Flutkatastrophe das Absicherungsverhalten der Gewerbetreibenden prägt. Allerdings gehen die Studienautoren davon aus, dass diese Produkte künftig auch unabhängig von aktuellen Anlässen verstärkt nachgefragt werden.

Die größte Sorge der Unternehmer ist für gut jeden dritten Befragten (33 Prozent) jedoch ein gesundheitsbedingter längerer Ausfall. Danach kommt lange Zeit nichts. Auf dem zweiten Platz des Angst-Rankings rangiert die Befürchtung vor finanziellen Schäden durch unberechtigte Schadenersatzforderungen von Kunden oder Lieferanten (16 Prozent) und auf dem dritten Platz der Verlust von personen- und unternehmensbezogenen Daten durch Viren oder Datenlecks (13 Prozent). Knapp darauf folgt die Besorgnis vor dem Ausfall der IT mit 12 Prozent. Wenig überraschend, werden die Sorgen vor einem Hackerangriff umso größer, je digitaler sich ein Unternehmen aufgestellt sieht.

Analog zu ihren Ängsten und Sorgen beurteilen die KMU der Umfrage zufolge ihre Bedürfnisse in Bezug auf die Absicherung. Den Wunsch, gesundheitliche Risiken, krankheitsbedingte Ausfälle oder Arztkosten abzusichern, haben 50 Prozent. Die persönliche finanzielle Vorsorge fürs Alter wollen 45 Prozent sichern. 38 Prozent möchten Schadenfälle absichern, die durch Kundenforderungen entstehen können - wie etwa finanzielle Forderungen, Betriebsunterbrechungen oder Schäden an Einrichtung und Ausstattung.

Die eigene Absicherung gegen alle möglichen Risiken schätzen die Unternehmer mehrheitlich mittel bis gut ein. Rund jeder fünfte Befragte ist der Meinung, durch entsprechende Policen bereits sehr gut gewappnet zu sein. Frauen beurteilen ihre Absicherung in der Tendenz als etwas weniger gut. Im Detail sieht die Selbsteinschätzung allerdings schon weniger gut aus: Ihre Angst vor einem gesundheitlichen Ausfall halten nur 13 Prozent der Unternehmer für sehr gut abgedeckt. Auch beim Thema Cyber-Versicherung zeigt sich Potenzial. Ihre Vorsorge vor einem Hackerangriff bezeichnen nur knapp 15 Prozent als sehr gut, die Versicherungsaufwendungen gegen Datenverlust nur 17 Prozent.

Neue Bedarfe durch Wandel von Geschäftsmodellen und -prozessen

Diese Selbsteinschätzung spiegelt allerdings nicht unbedingt wider, in welchen Bereichen tatsächlich mehr Absicherung nötig wäre, sagt Christian Buschkotte, Generalbevollmächtigter von Andsafe. Deshalb sei es wichtig, die Tätigkeitsfelder der Unternehmen regelmäßig zu untersuchen. Beim kleineren Mittelstand macht er vor allem zwei offene Flanken aus. Die eine sind neue oder veränderte Risiken durch die Digitalisierung sowie die immer höhere Veränderungs- und Anpassungsgeschwindigkeit der Geschäftsmodelle der Gewerbetreibenden.

Beides bringt Beratungsbedarf mit sich. Insbesondere bei Versicherungen, die auf einer klassischen Betriebsartenlogik basieren, können Weiterentwicklungen, etwa durch zusätzliche Angebote, schnell zu Versicherungslücken führen. Als Beispiel wird der Trockenbauer genannt, der zusätzlich Malerarbeiten anbietet. Es gilt aber beispielsweise auch für Händler, die als zweites Standbein einen Online-Shop aufgebaut haben. Der E-Commerce-Shop mag von ihnen zwar nur als Ergänzung gesehen werden. Dass sich daraus - unabhängig von dem damit tatsächlich erzielten Umsatz - auch neue Risiken ergeben können, ist den Unternehmen aber häufig nicht bewusst. Das bedeutet zum einen, dass Geschäftsmodellanpassungen von Gewerbekunden idealerweise im Versicherungsumfang enthalten sein sollten, damit nicht ungewollt Lücken im Versicherungsschutz entstehen.

Durch die zunehmende Digitalisierung wird jedoch generell für einen Großteil der Unternehmen die Absicherung sowohl gegen Offline- als auch Online-Gefahren gleichermaßen erforderlich. Um im Beispiel zu bleiben, heißt das: Auch wenn der genannte Trockenbauer vielleicht lediglich seine Kunden- und Geschäftsdaten digital abspeichert, kann die Absicherung der entsprechenden Daten sinnvoll sein. Dabei, so heißt es von Andsafe, muss es gar nicht immer die Cyberversicherung mit Rundumschutz sein, die vielen Unternehmen als Stand-alone-Produkt immer noch zu teuer ist. Sondern mitunter tut es auch ein Basisschutz, der Erste Hilfe leistet, um im Fall des Falles wieder arbeitsfähig zu werden. Sebastian Hischke, Leiter Partnermanagement bei Finanzchef24, registriert eine Nachfragesteigerung um 50 bis 60 Prozent im Bereich Cyber-Absicherung. Vor ein bis zwei Jahren habe es die in Betrieben mit bis zu zehn Mitarbeitern noch nicht gegeben.

Offene Flanke Nummer zwei sind die Gesundheitsthemen. Hier sind die Ängste besonders bei Kleinunternehmen und Soloselbstständigen verständlich, sagt Benjamin Papo, Geschäftsführer von Finanzchef24. Das sollte allerdings nicht dazu führen, exogene Faktoren und Drittschäden aus dem Blick zu verlieren. Der Wunsch der Unternehmer, die Folgen eines längeren Ausfalls der eigenen Person für das Unternehmen abzusichern, sehen Finanzchef24 und Andsafe allerdings auch als Aufgabe für die Assekuranz: Denn an dieser Stelle seien überzeugende Antworten bislang noch nicht gefunden.

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