VZBV fordert Extrarente - ganz ohne Versicherer geht es nicht

Rentenversicherungen finden nach wie vor keine Gnade vor den Augen von Verbraucherschützern: teuer, unflexibel und wenig rentabel, so lauten die Vorwürfe. Profitieren würden vor allem die Versicherungswirtschaft und deren Vertriebe. Denn bei Riester, Rürup, Lebens- und Rentenversicherungen und Co. zeige der Blick auf den Markt, dass Verwaltungs- und Vertriebskosten große Teile des eingezahlten Geldes auffressen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) schließt sich deshalb all jenen an, die eine grundlegende Reform der privaten Altersvorsorge an und beruft sich dabei auf die Ergebnisse einer repräsentativen Kantar-Emnid-Umfrage vom April 2019 im Auftrag des VZBV.

Dieser Umfrage zufolge finden 78 Prozent der Befragten, dass es Angebote zur privaten Altersvorsorge geben sollen, für die man keine Abschlussprovisionen zahlen muss. 73 Prozent finden, der Staat müsse ein staatlich organisiertes Standardprodukt für die private Altersvorsorge anbieten. Bei den Anforderungen an ein solches Produkt fördert die Umfrage folgende Prioritätenliste zutage: möglichst geringe Kosten (79 Prozent), möglichst einfacher Vertragsabschluss (78 Prozent), Flexibilität in der Auszahlungsphase (76 Prozent), Kontrolle der Anlageentscheidung durch unabhängige Experten (65 Prozent). Dass das Geld von Kapitalmarktprofis angelegt wird, war dagegen nur 43 Prozent der Befragten wichtig.

Basierend auf diesen Umfrageergebnissen haben die Verbraucherschützer gleich einen Vorschlag ausgearbeitet: die Extrarente. Ähnlich wie die vom hessischen Finanzminister und dem hessischen Wirtschaftsminister ins Gespräch gebrachte "Deutschlandrente" geht es dabei um ein öffentlich-rechtlich organisiertes Standardprodukt als Ergänzung zur gesetzlichen Rente. Ebenso wie die Deutschlandrente sieht die "Extrarente" der Verbraucherschützer vor, dass alle Arbeitnehmer über ihren Arbeitgeber automatisch einbezogen werden sollen, sofern sie nicht innerhalb der ersten sechs Monate wiedersprechen. Auch Selbstständige sollen aktiv bei treten können.

Monatlich schwankende Auszahlungen

Der geforderten Flexibilität in der Auszahlungsphase soll das Produkt durch eine Reihe von Optionen Rechnung tragen. In der Basisvariante 4 Extrarente 100 soll die Anlage in Aktien dafür sorgen, dass Verbraucher von der Wertschöpfung der Unternehmen in Deutschland, Europa und weltweit profitieren. Nach Ende der Erwerbsphase sieht die Basisvariante einen Entnahmeplan vor, bei dem die Beiträge weiter am Kapitalmarkt investiert bleiben, damit auch die Auszahlungsphase genutzt werden kann, um an der langfristigen Entwicklung der Wirtschaft zu partizipieren.

Die monatlichen Auszahlungen sollen dem Konzept zufolge so kalkuliert werden, dass die Beiträge bis zu einem Lebensjahr von 100 Jahren reichen. Diese Absicherung des Langlebigkeitsrisikos auf individueller Ebene hat allerdings zur Folge, dass die Auszahlungen in der Höhe schwanken können. Ob es das ist, was Verbraucher unter "Flexibilität in der Auszahlungsphase" verstehen, wurde in der Umfrage freilich nicht abgefragt. Eine verlässliche Ruhestandsplanung wird mit diesem Konzept zumindest nicht erleichtert. Dafür kann das Restkapital im Todesfall vererbt werden. Für alle, die verlässlich vorsorgen wollen und von vornherein eine feste lebenslange Rente wünschen, gibt es zu Beginn der Auszahlungsphase auch diese Option. Hier soll dann wieder ein Versicherer mit ins Boot geholt werden. Wer älter wird als 100 Jahre, erhält ab seinem 100. Geburtstag ebenfalls eine feste Rente. Als dritte Option soll es auch möglich sein, sich bei Renteneintritt das gesamte Kapital auf einmal auszahlen zu lassen.

Organisiert werden soll die Extrarente über die öffentliche Hand. Der öffentlich-rechtliche Träger, der durch die Ba-Fin beaufsichtigt werden soll, beauftragt über zeitlich befristete Ausschreibungsverfahren private Fondsmanager, die Einzahlungen am Kapitalmarkt anzulegen. Die entsprechenden Anteile an Investmentfonds sollen auf individuelle Beitragskonten verbucht werden, um sie als privates Eigentum der Verbraucher vor staatlichem Zugriff zu schützen; zudem werden so individuelle Anpassungen möglich, indem Sparer abweichend von der Basisvariante eine höhere oder niedrigere Aktienquote wählen können.

Finanzierung der Beratung bleibt offen

Information und Beratung (anstelle des klassischen Vertriebs bei Vorsorgeprodukten) sollen über "externe Beratungsstellen" erfolgen. Wie die finanziert werden sollen, bleibt unklar. Ohne Abzüge bei den Einzahlungen wird aber auch das wohl nicht gehen - es sei denn, die Beratungsstellen würden steuerfinanziert, was einer Umlage der Beratungskosten gleichkäme. So oder so ist die Bundesregierung eigentlich am Zug, wenn sie den Koalitionsvertrag umsetzen will. Denn der sieht die Einführung eines "attraktiven standardisierten Riester-Produkts" vor. Soll das noch in dieser Legislaturperiode gelingen, müsste ein Gesetzesentwurf bald vorgelegt werden. Dass die "Extrarente" als Standard-Riester-Produkt Realität werden kann, würde freilich voraussetzen, nicht nur in der bAV, sondern auch bei Riester die Beitragsgarantien zu streichen.

Ob das der richtige Weg ist, ist allerdings umstritten. Natürlich kosten Garantien Geld - es gibt durchaus Menschen, denen das Gefühl der Sicherheit etwas wert ist. Wenn der Verband der öffentlichen Versicherer an der Extrarente kritisiert, dass das Modell die Vorsorgesparer voll den Risiken des Kapitalmarktes aussetzt, ist diese Anmerkung deshalb sicher nicht nur als Verlautbarung einer Branche zu sehen, die ihre Felle davonschwimmen sieht. Wie sich die so angelegte Extrarente mit ihren schwankenden Auszahlungen mit dem im Koalitionsvertrag geplanten Altersvorsorgeportal vertragen soll, ist vollends fraglich.

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