NACHHALTIGKEIT

Anlageberater brauchen Sensibilität

Anleger sehen stärkeren Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Rendite als Experten Quelle: DIVA/Insa Consulere

Wenn man die Nachrichten verfolgt, dann könnte man den Eindruck haben, die Deutschen wären ganz auf Nachhaltigkeit getrimmt. Ganz so ist es dann aber doch nicht. Noch immer boomen Coffee-to-go im Pappbecher mit Plastikdeckel und Essen zum Mitnehmen in Einwegverpackungen. Bei der Planung der nächsten Urlaubsreise ist die Flugreise bestenfalls mit einem geringfügig schlechten Gewissen verbunden und für den Weg zur Arbeit nutzen immer noch mehr als zwei Drittel der Menschen das eigene Auto.

Auch in Sachen Geldanlage scheint das Thema Nachhaltigkeit für die Anleger bei Weitem nicht die oberste Priorität zu haben. Dies geht aus einer Sonderbefragung des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) hervor. Dieser Umfrage zufolge sind zwar 53,6 Prozent der insgesamt 2000 Befragten der Meinung, nachhaltige Geldanlage könne dazu beitragen, dass die gesamte Wirtschaft nachhaltiger wird. Kommt es jedoch zu konkreten Anlageentscheidungen, liegt der Fokus auf anderen Aspekten.

Bei der Priorisierung der Kriterien für konkrete Anlageentscheidungen hat Sicherheit mit 40 Prozent Nennungen die oberste Priorität. An zweiter und dritter Stelle folgen Rentabilität (27 Prozent) und mit deutlichem Abstand Liquidität (18 Prozent), während Nachhaltigkeit das Schlusslicht bildet und mit 15 Prozent Nennungen aus Anlegersicht das unwichtigste Kriterium darstellt, wenngleich der aktuelle Wert um zwei Prozentpunkte über dem Wert der Sommerbefragung 2021 liegt.

Diese Ergebnisse sind vor allem deswegen spannend, weil Berater spätestens ab August 2022 dazu verpflichtet sind, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abzufragen und in den Beratungsprozess zu integrieren. Das heißt: Diejenigen, die in einer anonymen Umfrage zugeben, wie unwichtig ihnen Nachhaltigkeitsaspekte bei der Geldanlage sind, müssten sich dann auch gegenüber ihrem Berater dazu bekennen, dass ihnen "grüne" Geldanlagen gleichgültig sind - solange nur Sicherheit und Rendite stimmen. Hier ist es gut möglich, dass die bloße Frage zu mehr Nachhaltigkeit bei der Geldanlage führen wird, weil es manchen Kunden peinlich ist zu gestehen, dass ihnen andere Aspekte wesentlich wichtiger sind.

Das bedeutet allerdings auch: Die Asset Manager werden beweisen müssen, dass "grüne" Fonds in Sachen Sicherheit und Performance nicht hinter klassischen Anlagen zurückbleiben. Immerhin 40 Prozent der in der Studie Befragten sind schon jetzt davon überzeugt, dass nachhaltige Geldanlagen langfristig eine höhere Rendite erwirtschaften, 38,5 Prozent rechnen mit einem geringeren Risiko. Vor allem in der Gruppe der 19- bis 29-Jährigen sehen 51,2 Prozent eine positive Kopplung. Mit steigendem Alter nimmt dagegen das Vertrauen in einen positiven Zusammenhang zwischen Rendite und Nachhaltigkeit ab. Bei Befragten ab 65 Jahren glauben lediglich 28,2 Prozent daran.

Anleger sehen stärkeren Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Rendite als Experten Quelle: DIVA/Insa Consulere

Selbst die Älteren sind damit jedoch immer noch optimistischer als die ebenfalls befragten 700 Finanzanlagenvermittler, von denen nur rund jeder Vierte einen positiven Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit, Rendite und Sicherheit sieht. Mitunter werden die Berater also vielleicht dahingehende Erwartungen ihrer Kunden dämpfen müssen, um spätere Enttäuschung zu vermeiden.

Überhaupt wird die Herausforderung darin bestehen, mit Sensibilität an die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen heranzugehen. Denn sollten Kunden das Thema Nachhaltigkeit nur deshalb als "wichtig" bezeichnen, weil sie sich nicht als gleichgültig gegenüber Klimawandel und Co. outen wollen, dann ist Ärger programmiert, sollten sich die Anlagen nicht wie gewünscht entwickeln. Rechtlich mag der Berater dann zwar unantastbar sein, wenn eine rückwirkend als schlecht empfundene Anlageempfehlung auf falschen Angaben des Kunden basiert. Das Vertrauen in die Beratung ist dennoch erschüttert und die Kundenbeziehung beschädigt - mit allen Imagerisiken, die das mit sich bringt. Red.

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