RECHTSFRAGEN

Betriebsschließung - BGH-Urteil mit Augenmaß

Normalerweise mahlen die Mühlen der Justiz eher langsam. Der BGH kann aber auch schnell sein. Das haben die Karlsruher Richter nun bei der Fragestellung bewiesen, ob behördlich angeordnete Betriebsschließungen aufgrund von Covid-19 von Betriebsschließungsversicherungen abgedeckt werden oder nicht. Dazu hat der BGH am 26. Januar ein Urteil gesprochen, das für die gesamte Branche eine hohe Relevanz hat. Schließlich war genau das während und nach den Lockdowns das Streitthema Nummer eins und hat dem Image der Branche deutlichen Schaden zugefügt.

Der Bundesgerichtshof hat in dieser Sache nun ein versicherungsfreundliches Urteil gesprochen: Auch dann, wenn die Versicherungsbedingungen eine Entschädigung für den Fall vorsehen, dass Behörden auf Basis des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb schließen, ergibt sich nicht automatisch ein Versicherungsschutz für sämtliche denkbaren meldepflichtigen Krankheiten, die unter Umständen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch gar nicht bekannt sind.

Zumindest dann, wenn den Vertragsbedingungen ein Katalog beigefügt wird, in denen die infrage kommenden Krankheiten oder Erreger namentlich aufgeführt werden, ist dieser Katalog als abgeschlossen zu verstehen. Der Versicherungsschutz bezieht sich dann tatsächlich nur auf solche Betriebsschließungen, die im Zusammenhang mit den dort aufgeführten Krankheiten stehen. Kommen Sars-Cov-2 beziehungsweise die durch dieses Virus verursachte Krankheit Covid-19 in einer solchen Auflistung nicht vor, muss die Betriebsschließungsversicherung nicht für die Lockdown-Schäden aufkommen.

Die betreffende Vertragsklausel hält auch deshalb der Inhaltskontrolle stand, weil durch die Bedingungen nicht der Eindruck vermittelt werde, dass jede Betriebsschließung auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes vom Versicherungsschutz erfasst wird.

Die Richter haben dabei durchaus in Rechnung gezogen, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer einen umfassenden Schutz erwartet. Er könne jedoch nicht davon ausgehen, dass der Versicherer auch für nicht im Katalog aufgeführte Krankheiten und Krankheitserreger die Deckung übernehmen will, die - wie das Beispiel Covid-19/SARS-CoV-2 zeige - unter Umständen erst Jahre nach Vertragsschluss auftreten und bei denen für den Versicherer wegen der Unklarheit des Haftungsrisikos keine sachgerechte Prämienkalkulation möglich ist.

Im konkreten Fall ging es um einen Gaststättenbetreiber aus Schleswig-Holstein. Das Urteil dürfte aber weit darüber hinaus Relevanz haben. In einem Großteil der Fälle werden die versicherten Betriebe wohl keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen haben. Denn natürlich taucht Covid-19 als bis Anfang 2020 unbekannte Krankheit in keinem Katalog meldepflichtiger Krankheiten auf. Allenfalls dann, wenn die Versicherungsbedingungen keine solche Auflistung enthalten, könnten die Versicherten auf Leistungen Anspruch haben.

So bitter das für betroffenen Unternehmen ist, hat der BGH doch ein Urteil mit Augenmaß gesprochen. Hätte er der Assekuranz die Haftung für jegliche zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht einmal bekannte Risiken aufgebürdet, müsste das die Versicherungsprämien zwangsläufig dermaßen in die Höhe treiben, dass sich viele Unternehmen die Betriebschließungsversicherung dann gar nicht mehr leisten könnten. Das Urteil wäre dann zwar auf den ersten Blick ein Sieg für die Versicherten gewesen - aber eben doch nur ein Pyrrhussieg.

Trotzdem werden die Versicherer zweifellos aufatmen. Hätte der BGH anders geurteilt, hätte das den einen oder anderen Anbieter vermutlich an den Rand seiner Leistungsfähigkeit bringen können. Nicht umsonst wies die Deutsche Aktuarvereinigung im November 2020 darauf hin, dass die Corona-Pandemie privatwirtschaftlich nicht versicherbar sei - es sei denn mit einer Verzehnfachung der Versicherungsprämien.

Es ist ja auch nicht so, dass die Branche unisono ihre Kunden komplett hätte im Regen stehen lassen. Sondern sie hat durchaus versucht, ihnen im Rahmen von Kulanzlösungen ein Stück weit entgegenzukommen. So hat beispielsweise die R+V ihren Kunden mit Betriebsschließungsversicherungen im Rahmen einer solchen Kulanz für maximal 30 Tage 15 Prozent der vereinbarten Entschädigung gezahlt.

Ähnlich sah die sogenannte "bayerische Lösung" aus, die das Bayerische Wirtschaftsministerium im Frühjahr 2020 zusammen mit Branchenverbänden und Versicherungsunternehmen für das Hotel- und Gaststättengewerbe erarbeitet hatte. Zwischenzeitlich als Ansatz in Verruf geraten, Kunden zu einem Vergleich zu bewegen, die womöglich doch Anspruch auf Leistungen gehabt hätten, steht auch sie nun wieder in einem neuen Licht da. Red.

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