VERTRIEBSPOLITIK

Commerzbank: Rückgriff auf die Ertragsbringer

Quelle: Commerzbank

"Commerzbank 5.0" ist das neue Strategiekonzept der Commerzbank überschrieben, das nun wirklich alles richten soll. Allein die Zahl 5.0 lässt schon aufhorchen: In der IT mag eine hohe Versionsnummer für Dynamik und Anpassungsfähigkeit stehen - in der Bankstrategie erweckt sie eher den Eindruck zunehmender Ratlosigkeit. Ob das Programm 5.0 das vermag, was die Vorgänger zwei bis vier nicht erreichen konnten, darf insofern mit Zurückhaltung betrachtet werden.

Das Programm Commerzbank 5.0 beantwortet zum einen eine Frage, die Beobachter schon lange gestellt haben: Wenn die Commerzbank sich immer stärker auf dem Weg in Richtung "Digitalbank" fortbewegt - wie lange ist es dann noch sinnvoll, parallel auf eine rein digitale Tochter zu setzen und manche, wenn auch nicht alle digitalen Innovationen doppelt zu entwickeln?

Noch auf der Bilanzpressekonferenz 2019 hatte der Comdirect-Vorstand die Frage nach dem Fortbestehen der Comdirect als selbstständige Einheit, dahingehend beantwortet, dass diese Selbstständigkeit aktuell nicht infrage stehe. Auch die Commerzbank selbst hatte sie stets mit dem unterschiedlichen Ansatz von Mutter und Tochter beantwortet, der für die Selbstständigkeit der Comdirect spreche. Nun also die Kehrtwende: Das neue Strategiekonzept "Commerzbank 5.0" sieht den Ausbau des Mobilkanals und folgerichtig auch die Zusammenführung der Direktbanktochter - seit Jahren ein verlässlicher Ertragsbringer für die Mutter - mit der Commerzbank vor.

Die polnische M-Bank, einst als Beispiel für vorbildlich gelingende Digitalisierung vorgezeigt, von dem sich auch in Deutschland einiges lernen lasse, soll - vorbehaltlich der Zustimmung der Aufsichtsbehörden - verkauft werden. Noch vor einem Jahr trug man sich mit dem Gedanken, sie zur Basis für das europaweite Online-Banking zu machen. Ist der Lernprozess also ab geschlossen? Oder geht es eher um den Verkauf von "Tafelsilber", um den neuerlichen Umbau finanzieren zu können? Die Formulierung der Presseverlautbarung deutet eher auf Letzteres hin: "Damit würde die Bank die Finanzmittel generieren, die eine schnellere Umsetzung der Strategie und die damit verbundenen Investitionen ermöglichen. Diese Veräußerung würde zu einer deutlichen Reduzierung der risikogewichteten Aktiva um rund 17 Milliarden Euro und einer Freisetzung von Eigenkapital bei der Commerzbank führen."

Das Filialnetz soll zwar eine feste Säule der Strategie bleiben. Gleichzeitig will die Commerzbank jedoch jede fünfte Filiale schließen und das Filialnetz von 1 000 auf künftig 800 Standorte reduzieren und 2 300 Vollzeitstellen abbauen. Für Kunden wie Mitarbeiter beginnt jetzt die Zeit der Ungewissheit, welche Standorte betroffen sein werden und welche Mitarbeiter gehen müssen. Ungewissheit aber schafft kein Vertrauen. Zumindest diejenigen Kunden, die die Bank mit dem bisherigen Bekenntnis zur Filiale gewonnen hat und die auf eine Filiale in der Nähe Wert legen, dürften sich düpiert fühlen, wenn "ihre" Geschäftsstelle schließt. Und ob die Comdirect-Kunden, die sich ganz bewusst für eine Direktbank entschieden haben, es als Mehrwert empfinden werden, künftig auch auf ein - wenngleich ausgedünntes - Filialnetz zurückgreifen zu können, ist auch noch nicht ausgemacht.

Einstweilen stehen vor allem die Kosten der neuen Strategie im Raum: Vorgesehen ist insgesamt ein Investitionsvolumen von rund 1,6 Milliarden Euro, davon 750 Millionen Euro für Digitalisierung, IT-Infrastruktur und Wachstum und weitere 850 Millionen Euro für den Stellenabbau sowie geplante Anpassungen im Filialnetz. Ob sich das auszahlt und es der richtige Weg ist, ausgerechnet die beiden Einheiten anzufassen, bei denen das Geschäft rund läuft, wird sich 2023 zeigen, wenn der Umbau abgeschlossen sein soll und womöglich die Strategie 6.0 präsentiert wird. Red.

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