BARGELD

Den digitalen Fußabdruck verringern

"Bargeld sorgt für besseren Datenschutz - und stärkt so den Einzelnen". Dieses Plädoyer für die immer mehr aus der Mode kommenden Scheine und Münzen kam Mitte Juli nicht etwa aus der Ecke von Verbraucher oder Datenschützern, sondern aus dem Research der Deutschen Bank. Bargeld, so schreibt Heike Mai, bietet im Zahlungsverkehr einen hohen Grad an Privatsphäre und trägt so dazu bei, den Anstieg der Informationsasymmetrie zwischen Verbrauchern und Unternehmen sowie zwischen Bürgern und staatlichen Institutionen zu verlangsamen.

Das von ihr gezeichnete Bild über die Datenspuren, die elektronische Zahlungen hinterlassen, und über das, was damit angefangen werden kann, ist dazu angetan, selbst emsigen Kartennutzern einen Schauer über den Rücken zu jagen. Aus Zahlungen gewonnene personenbezogene Daten können durch Informationen aus anderen Quellen ergänzt werden, zum Beispiel aus Marktplätzen oder sozialen Medien. Mithilfe moderner Datenanalyseverfahren lassen sich daraus Informationen zu einem identifizierbaren Nutzer extrahieren und sammeln. Wer auch immer auf persönliche Datenprofile zugreifen und sie analysieren kann, so Mai, der vermag weitreichende Erkenntnisse über eine Person zu gewinnen.

So hat die Digitalisierung die Informationsasymmetrie zwischen Unternehmen und Verbrauchern beträchtlich zum Nachteil Letzterer verschoben. Mithilfe digitaler Analysen von internen Kundendaten und gekauften Datenprofilen können insbesondere Internethändler sehr viel mehr über die privaten und finanziellen Gewohnheiten ihrer Kunden erfahren als umgekehrt der Einzelne über den Händler oder dessen Wettbewerber. Dies wirft die Frage auf, ob der Kunde angesichts der gestärkten Verhandlungsposition des Händlers noch ein gutes Geschäft machen kann. Dies gilt umso mehr, als Online Händler zunehmend zu einer dynamischen Preisgestaltung übergehen, das heißt ihre Preise häufig ändern, um die Markttransparenz zu verringern und den Verbraucher unter Druck zu setzen. Preise können sogar auf die vermutete Kaufbereitschaft oder die finanziellen Möglichkeiten einer Person abgestimmt werden. So können Preise zum Beispiel höher sein, wenn Kunden per Tablet mehrfach auf ein Angebot geklickt haben.

Im Verhältnis zwischen Bürger und Staat kann die Bedeutung einer physischen Währung sogar noch deutlicher werden. Die Umstellung auf nachverfolgbare elektronische Guthaben - und das Fehlen einer einfachen Bezahloption ohne Digitalspur und Einbindung Dritter - kann Datenmissbrauch und Eingriffen in die Bürgerrechte die Tür öffnen und sogar eine Überwachung aus politischen Gründen erleichtern. Selbst in einem Rechtsstaat ist das nicht ohne Risiken. Denn auch bei strikten Datenschutzvorschriften kann ein unrechtmäßiger Missbrauch der Informationsasymmetrie nicht ausgeschlossen werden. Wenn umfassende Daten über Einzelpersonen verfügbar sind, dann besteht grundsätzlich auch die Versuchung, diese zu missbrauchen - sei es durch einen einzelnen Beamten oder durch in- oder ausländische Geheimdienste.

Auch Bargeldtransaktionen sind zwar nicht in vollem Umfang anonym - etwa wenn jemand seinen Kauf in sozialen Medien kommentiert hat oder wenn er Dienste wie Barzahlen.de nutzt. Dennoch reduzieren Scheine und Münzen den digitalen Fußabdruck. Einschränkungen beim Bargeldgebrauch bergen somit das Risiko eines ernsthaften Vertrauensverlusts in staatliche Behörden.

Diese Erkenntnis ist nicht neu, sie darf aber immer wieder einmal ausgesprochen werden: Bargeld stärkt das Individuum - zumindest in einer digitalen Gesellschaft wie der unseren. Das heißt dann allerdings auch: Banken und Sparkassen tun gut daran, die Kunden nicht immer stärker in die digitalen Kanäle zu drängen - diese Entwicklung vollzieht sich ganz von selbst. Die Aufrechterhaltung einer flächendeckenden Bargeld Infrastruktur ist die logische Konsequenz eines solchen Plädoyers. Ob dafür der Ersatz bankeigener Geldautomaten durch die Bargeldversorgung an den Kassen des Einzelhandels ausreicht, ist fraglich. Denn da diese Auszahlungen immer an einen Einkauf gekoppelt sind, lassen sich auch aus dieser Art der Bargeldversorgung schon wieder Rückschlüsse auf das Konsumverhalten des Einzelnen ziehen. Red.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X