NEGATIVZINSEN

Bei jeder dritten Bank

Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe stand das "Unwort" des Jahres 2021 noch nicht fest. Unter den bis Anfang Dezember eingegangenen rund 600 Einreichungen hatte die Jury aber bereits Ausdrücke wie systemrelevant, Querdenker, Pushback, Ökoterrorismus oder Impfmassaker bekannt gegeben. Wäre Corona nicht, dann hätte vielleicht ein Wort aus der Bankenbranche das Zeug zum Unwort gehabt: "Verwahrentgelte". Denn die sind längst zu einem Massenphänomen geworden, wie Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH, sagt.

Zum Jahresende hat Verivox eine Jahresbilanz in Sachen Negativzinsen vorgelegt. Fast jede dritte Bank belastet demnach inzwischen private Sparguthaben mit Verwahrentgelten. Zum Jahresende waren das insgesamt 423 Kreditinstitute - das sind 245 mehr als noch vor einem Jahr. Ende 2020 verlangten erst 178 Banken und Sparkassen ein Verwahrentgelt.

Die Auswertung von rund 1 300 Banken zeigt zudem, dass im abgelaufenen Jahr 90 Kreditinstitute bestehende Minuszinskonditionen verschärft haben, indem sie den Zins noch tiefer ins Negative abgesenkt oder Freibeträge reduziert haben. Während in einer früheren Auswertung im Januar 2021 nur 58 Banken ihren Kunden weniger als 100 000 Euro Freibetrag einräumten, werden mittlerweile viel häufiger auch kleine und mittlere Guthaben belastet. Bei einigen Instituten gilt das bereits für Guthaben ab 5 000 oder 10 000 Euro. Mindestens 155 Banken berechnen das Verwahrentgelt ab einem Gesamtguthaben von 50 000 Euro oder weniger.

Die große Mehrheit orientiert sich bei der Höhe des Verwahrentgelts am negativen Einlagezins der Europäischen Zentralbank (EZB) - auf einen Teil ihrer überschüssigen Einlagen müssen die Banken selbst 0,5 Prozent Strafzinsen zahlen. Insgesamt 19 Kreditinstitute gehen aber noch über diesen EZB-Strafzins hinaus und stellen zumindest einem Teil der Kundschaft Verwahrentgelte von 0,55 bis 1 Prozent in Rechnung. Im Sinn des Abwehrens weitere Einlagen mag eine solche Preissetzung erfolgreich sein. Sie liefert aber zugleich den Verbraucherschützern Munition, die in Verwahrentgelten nicht nur einen "Selbstkostenpreis" sehen, sondern den Versuch der Banken wittern, eine neue Ertragsquelle zu erschließen.

Dem Image der Branche tun diejenigen Marktteilnehmer, die ihren Kunden Hier ist noch - 2,0 und eine weiße Fläche versteckt mehr Verwahrentgelte berechnen, als sie selbst an Negativzinsen an die EZB zahlen müssen, deshalb keinen Gefallen. Und auch in der juristischen Auseinandersetzung werden zumindest diese Strategien vermutlich keinen Erfolg haben. Letztlich wird das Thema Verwahrentgelte wohl vom Bundesgerichtshof höchstrichterlich geklärt werden müssen. Dass Zinssätze, die über den Strafzins der EZB hinausgehen, hier Bestand haben werden, ist vermutlich eher unwahrscheinlich. Hier könnte dann eine neue Rückzahlungsdebatte einsetzen. Deshalb gilt hier wie so oft: nicht übertreiben! Red.

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