PLATTFORMÖKONOMIE

Finanzbranche stellt sich auf

Ab Juli dieses Jahres wickelt die Sparda-Bank Baden-Württemberg ihr Versicherungsgeschäft über eine neue Tochter ab: die Sparda-Versicherungsservice GmbH. Auf der dazugehörigen Plattform "meineVersicherungswelt" kann der Kunde seine gesamten Versicherungsverträge online verwalten, Tarif- und Leistungsvergleiche erhalten und damit die kostengünstigste Lösung für sich aussuchen. Dabei greift die Bank auf einen Pool von über 300 Versicherungen zurück, um mit einem eigenen Beraterteam für den Kunden die passende Versicherung zum besten Preis für ihn herauszufinden.

Damit will sich die Bank für die Plattformökonomie und den verstärkten Wettbewerb um die Schnittstelle zum Kunden aufstellen. Wenn Tech-Giganten wie Google, Amazon und Apple, aber auch neue Start-ups wie N26 oder Revolut in die traditionelle Banken- und Versicherungsbranche drücken, dann müssen Banken entscheiden, ob sie künftig immer austauschbarere Sparda-, Anlage- oder Kreditproduzenten für andere sein, oder zusätzlich selbst zum Plattformbetreiber und Rundumversorger werden wollen, so Martin Hettich, der Vorstandsvorsitzende der Sparda-Bank Baden-Württemberg, auf der Vertreterversammlung seines Instituts. Die Bank habe sich für Letzteres entschieden.

Die Versicherungsplattform der Stuttgarter ist wie der digitale Versicherungsmakler Wilhelm der R+V, der in eine ähnliche Richtung zielt, nur ein Beispiel dafür, dass die etablierten Anbieter der Finanzbranche in Sachen Plattformökonomie allmählich vorankommen.

Nicht immer geht es dabei nur um Finanzprodukte, sondern zunehmend docken auch bankfremde Leistungen an, die zum Basisprodukt passen. Der klassische Begriff "Annexprodukt" lässt sich auf diese Weise ganz neu definieren.

Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Kooperation der W & W-Gruppe mit dem Münchner Start-up Banovo im Rahmen des Immobilienportals Wüstenrot Wohnwelt. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit bietet Banovo, ein Unternehmen für Badsanierungen, Kunden und Interessenten der Bausparkasse künftig über die Wohnwelt komplette Badsanierungen zum Festpreis an. Dank digitaler 3D-Prozesse kann die Planung direkt von zu Hause aus erfolgen. Im Gegenzug können Kunden ihr Projekt mit einem Kredit des Finanzdienstleisters finanzieren.

So kehrt W & W die übliche "Rangordnung" von Anbietern um: Steht üblicherweise das (materielle) Produkt oder die Dienstleistung im Vordergrund, während das passende Finanzprodukt als Annex dazukommt, wird in diesem Modell der Finanzdienstleister zur ersten Anlaufstelle auch für Nicht-Finanzprodukte. Damit das funktioniert, braucht es natürlich eine Vielzahl von Partnern rund um die Finanzdienstleistung herum. Dann kann es aber durchaus gelingen, sich als Plattform zu etablieren.

Beide Modelle basieren auf dem hohen Vertrauen, das Finanzdienstleister nach wie vor bei ihren Kunden genießen, und auf der immer noch vergleichsweise hohen Kundenloyalität. Beides gibt Anbietern die Chance, sich für die Plattformökonomie zu positionieren.

Wenn Kunden wissen, dass sie bei ihrer Hausbank, ihrer Bausparkasse oder ihrer Versicherung nützliche Angebote und Dienste für ihren Alltag finden, dann werden sie auch verstärkt dort danach suchen. Das setzt freilich voraus, dass die Plattformen keine "Bauchläden" mit einer mehr oder weniger beliebigen Mischung von Angeboten werden. Ein gewisser Bezug zum eigentlichen Kernprodukt sollte immer noch erkennbar bleiben. Die neuen Schuhe von der Bank braucht sicher niemand. Red.

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