Negativzinsen

Fokus auf den Formalien

Mit Spannung hat die Branche auf das Urteil des Landgerichts Tübingen im Rechtsstreit zwischen der Volksbank Reutlingen und der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geschaut, bei der es um die Zulässigkeit von Negativzinsen beziehungsweise die Art geht, wie diese eingeführt werden.

Herausgekommen ist wieder einmal ein Urteil, das beide Seiten in gewisser Hinsicht für sich als Sieg verbuchen können, ganz ähnlich wie es schon bei der BGH-Entscheidung zu den Entgelten für die Zusendung einer SMS-TAN aus dem Jahr 2017 zu beobachten war.

Dem gleichen Muster folgten die Reaktionen auch diesmal. Die Verbraucherschützer sehen sich zu Recht in ihrer Einschätzung bestätigt, dass die Einführung von Negativzinsen auf dem Weg über den Preisaushang nicht zulässig ist. Die Bank hingegen verweist darauf, dass dem Urteil zufolge eine negative Verzinsung von Einlagenprodukten frei vereinbar ist, solange dies in den Verträgen hinreichend deutlich wird. Der Klage, so die Bank, wurde nur deshalb stattgegeben, weil sich die angegriffenen Klauseln im Preisaushang nicht auf Neuverträge ab dem Jahr 2017 beschränken, sondern zu einer überraschenden Verzinsung von Altverträgen führen würden. Für die Zukunft bedeute dies "dass die ab 2017 geschlossenen Einlageverträge der Volksbank Reutlingen grundsätzlich negativ verzinst werden dürfen, sowie dass die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gerade kein "Verbot" von Negativzinsen für die Zukunft erreicht" habe.

In der Medienberichterstattung fand zwar die Darstellung der Verbraucherschützer ungleich größere Aufmerksamkeit. Die nähere Durchsicht des Urteils der 4. Zivilkammer des LG Tübingen vom 26. Januar 2018 mit dem Aktenzeichen 4 O 187/17 scheint jedoch die Rechtsauffassung der Bank eher zu bestätigen. Klar ist, dass eine Veränderung des Vertragscharakters eines Einlageprodukts via Preisaushang als unangemessene Benachteiligung der Kunden zu sehen ist, weil diese zumindest bis dato weder mit Negativzinsen auf Tages-, Fest- oder Termingelder rechneten und auch nicht rechnen mussten. Dies gilt dem Gericht zufolge ungeachtet der Tatsache, dass es keine gesetzliche Definition des Zinses gibt und dieser nach dem Gesetz nicht auf ein positives Vorzeichen festgelegt ist.

Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen kann dem Gericht zufolge nicht nachträglich bei bereits abgeschlossenen Einlagegeschäften einseitig durch die Bank eine Entgeltpflicht für den Kunden eingeführt werden, die es weder im Darlehensrecht noch beim unregelmäßigen Verwahrungsvertrag gibt. Eine Unterscheidung zwischen Altverträgen und Neuverträgen hatten die von der Beklagten in der Vergangenheit verwendeten Klauseln nicht enthalten, was insgesamt zu ihrer Unwirksamkeit führt.

Das Gericht spricht deshalb durchweg nur von Altverträgen, die vor dem 16. Januar 2017 geschlossen wurden. Und es hält ausdrücklich fest, dass der Bank mit der Entscheidung "keineswegs dauerhaft die Einführung von Negativzinsen untersagt" wird. Denn: "Als Preisabrede ist die Vereinbarung einer negativen Verzinsung für Neuverträge der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB grundsätzlich entzogen."

Endgültige Rechtssicherheit in Sachen Negativzinsen schafft das Urteil somit nicht. Die unterschiedlichen Auffassungen der Verbraucherschützer wie auch der Bank zeigen deutlich, dass einstweilen eher die Formalien geklärt sind als die Sache selbst. Diskussionsthema bleibt, ob Negativzinsen bei Einlageprodukten überhaupt zulässig sind oder nicht. Nils Nauhauser von der Verbraucherzentale Baden-Württemberg meint, nein. Denn nach § 488 BGB wird nur der Darlehensnehmer verpflichtet, den geschuldeten Zins zu zahlen. Verbraucher seien jedoch bei Einlageprodukten Darlehensgeber und könnten deshalb nicht verpflichtet werden, Zinsen zu zahlen. Und das gelte auch für Neuverträge. Sofern Kreditinstitute die Verwahrung von Geld nur gegen Entgelt anbieten wollen, dann sollte ein solcher Entgeltanspruch nicht nur vertraglich vereinbart und der Vertrag nicht "irreführend als Geldanlage beworben" werden. Unter dem Strich ist auch das wieder eine formale Frage. Negativzinsen wären selbst mit dieser Einschätzung nicht vom Tisch. Die Produkte müssten nur anders betitelt werden.

Endgültige Klarheit schaffen kann ohnehin nur der BGH. Dessen Mühlen mahlen aber bekanntlich langsam. Und bis es in Karlsruhe - wenn überhaupt - zu einer Entscheidung in Sachen Negativzinsen kommt, ist es deshalb möglich, dass sich das Thema (vorerst) wieder erledigt hat. Red.

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