ALTERSVORSORGE

Es geht doch digital

Die von der Aktuarvereinigung vorgeschlagene Garantiezinssenkung in der Lebensversicherung von 0,9 auf 0,5 Prozent wird es zum Jahreswechsel 2020/2021 wohl nicht geben - nicht, weil der Bundesfinanzminister dem Vorschlag der Aktuare nicht hätte folgen wollen, sondern wohl einfach deshalb, weil im Finanzministerium der Corona-Krise wegen andere Themen schlicht Priorität hatten. Für eine fristgerechte Umsetzung dürfte es jetzt zu spät sein.

Für den Markterfolg von Lebens-/Rentenversicherungen dürfte das allerdings ohnehin nur von geringer Relevanz sein. Zum einen spielen dabei die neuen Tarifgenerationen eine wesentliche Rolle, bei denen die klassische Garantie ohnehin nur noch eingeschränkt - wenn überhaupt zum Tragen kommt. Zudem hängt der Absatz von Lebens- beziehungsweise Rentenversicherungen noch an etwas ganz anderem: Während heute fast jedes Finanzprodukt vollständig online berechnet und abgeschlossen werden kann, spielen Altersvorsorgeprodukte hier immer noch eine Sonderrolle. Bei dieser Thematik wird persönliche Beratung oftmals nicht nur angeboten, sondern geradezu zur Voraussetzung für den Abschluss gemacht. Damit verschließen sich die Assekuranz beziehungsweise deren Vertriebspartner den Zugang zu der wachsenden Zielgruppe, die nur eine geringe Beratungsaffinität aufweist. Das gilt vor allem dann, wenn nicht einmal Online-Rechentools bereitgestellt werden, mit denen sich vor einem möglichen Beratungsgespräch ermitteln lasse, ob ein Angebot überhaupt attraktiv wäre. Bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken ist das leider allzu häufig der Fall. Doch auch auf Vergleichsplattformen ist das unverbindliche, anonyme Berechnen oftmals nicht möglich.

Als Begründung für diese digitalen Defizite wird häufig die Versicherungsvermittlungsrichtlinie angeführt, die eine Beratung vor dem Abschluss zwingend vorschreibt, nicht aber, dass diese Beratungsleistung zwingend persönlich erbracht werden muss.

Eine Vorsorgeberatung in ein einfaches, nutzerfreundliches Online-Tool zu übersetzen, mag zwar durchaus schwieriger sein als etwa die Bonitätsprüfung für einen Konsumentenkredit. Undenkbar ist das allerdings nicht. Dass eine solche Online-Beratung möglich ist, macht seit Mai dieses Jahres die Neue Leben vor: Bei mittlerweile 14 Sparkassen (Vorreiter war die Haspa) hat sie eine komplett digitale Beratungs- und Abschlussstrecke für ihren "Aktivplan" implementiert, eine Kombination aus konventioneller und fondsgebundener Rentenversicherung. So will man "jungen, technikaffinen Kunden eine zeitgemäße und vor allem digitale Abschlussmöglichkeit" bieten, wie es Vertriebsvorstand Holm Diez formuliert. Dies sei umso wichtiger, als sich in der Corona-Zeit auch solche Kunden, die sich sonst gerne in den Filialen beraten lassen, für digitale Angebote geöffnet haben.

Herausgekommen ist ein Tool, bei dem Kenntnisse im Umgang mit Kapitalanlagen und die Risikobereitschaft auf Basis leicht zu beantwortender Fragen ermittelt werden. Auf dieser Basis wird eine Fondsquote empfohlen, die bei Bedarf auch angepasst werden kann. Auch sonstige gewünschte Aspekte der Vorsorge können ohne jedes Vorwissen mit wenigen Klicks gewählt werden. Die einzige Hürde kommt am Schluss des Online-Beratungsprozesses: Hier muss der Kunde nämlich im Alleingang den Fondsanteil der Anlage auf die zur Auswahl stehenden Fonds aufteilen, ohne dass eine Aufteilung empfohlen wird, die er wahlweise modifizieren oder übernehmen kann. Gut möglich dass dies die Stelle ist, an der viele Interessenten den Prozess abbrechen.

Wer allerdings "durchhält" und die Fondsanteile verteilt, der ist dann auch fast schon durch: Bis zum finalen Angebot, das dann auch ohne Beraterkontakt online und ohne Medienbruch abgeschlossen werden kann, fehlen dann nur noch die persönlichen Angaben.

Auf der Seite des Versicherers selbst ist das Online-Tool übrigens nicht verfügbar - vermutlich ein Zugeständnis an die Sparkassen, die die Antragsstrecke in ihre Internetfiliale integrieren.

Lohnend sein dürfte dies allemal. Ein Stück weit mag die persönliche Beratung dadurch vielleicht kannibalisiert werden, obgleich während des Online-Prozesses an mehreren Stellen die Anforderung einer Beratung möglich ist. Man sollte sich allerdings keinen Illusionen hingeben: Wird kein Online-Abschluss angeboten, lockt das bestenfalls einen Bruchteil der Interessenten in die Beratung. Die Übrigen orientieren sich schlicht anderweitig. Red.

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