DIREKTBANKEN

ING erlebt Corona-Kleinanleger-Boom

Quelle: ING

Auch an Europas größter Direktbank, der ING, ging das Corona Jahr 2020 nicht spurlos vorbei. Nach sieben wachstumsreichen Jahren in Folge musste sie nun einen Gewinnrückgang verschmerzen. Dass das Institut weniger verdient hat, ist unter anderem höheren Risiko- und Verwaltungskosten geschuldet, so schlugen beispielsweise bei der Risikovorsorge 264 Millionen Euro negativ zu Buche. Der Vorsteuergewinn sank um 23 Prozent auf 1,042 Milliarden Euro (1,352 Milliarden Euro). Und auch das Ergebnis nach Steuern reduzierte sich mit 692 Millionen Euro nach 894 Millionen Euro im Vorjahr deutlich. Trotz einer Ausweitung der Kreditvergabe, besonders in der Baufinanzierung gab auch das Zinsergebnis mit 2,041 Milliarden Euro leicht nach (2,078 Milliarden Euro). Die Anzahl der Privatkunden erhöhte sich zudem lediglich um 11 000 auf insgesamt 9,53 Millionen. Das für bereits 2019 angepeilte 10-Millionen- Privatkunden-Ziel ist für die Bank aber auch nicht mehr von größtem Interesse. Profitables Wachstum sei wichtiger als "Wachstum um jeden Preis", sagt Nick Jue, Vorstandsvorsitzender der ING.

Angesichts der angespannten Lage durch die Corona Pandemie ist die ING mit ihrer Entwicklung zufrieden: "Wir haben in einem bewegten Geschäftsjahr ein sehr ordentliches Ergebnis erzielt", so Jue. Richtig glänzen konnte das Haus außerdem beim Provisionsergebnis, das beflügelt durch ein starkes Wertpapiergeschäft um 48 Prozent auf 479 Millionen Euro (325 Millionen Euro) anstieg. Die Anzahl der Depots explodierte geradezu und legte um 287 000 auf 1,7 Millionen zu. Im ab gelaufenen Geschäftsjahr wurden insgesamt 573 000 Wertpapiersparpläne abgeschlossen, das sind 60 Prozent mehr als im Jahr 2019. Die ING hat Pläne, ihre Kunden noch stärker zum Kauf von Wertpapieren zu motivieren, indem sie die Hürde für den Einstieg in das Wertpapiersparen senkt.

Damit schlägt die Direktbank strategisch betrachtet gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Denn somit könnte das Institut gleichzeitig auch dem hohen Niveau an Einlagen auf Spar- und Girokonten von 144,3 Milliarden Euro entgegenwirken (und vielleicht auch noch zur heißgeliebten Hausbank werden?).

Konkret wird die Direktbank dafür alle ETF-Sparpläne ohne Kaufgebühren anbieten. Der kostenlose Kauf der rund 800 ETF-Sparpläne soll ab dem 1. April 2021 möglich sein. "Wir machen das regelmäßige, langfristige und breit gestreute Investieren in Wertpapiere so einfach wie das Tagesgeldsparen", erklärt Jue. Die Kunden sollen zudem in digitaler Form bei ihren Anlageentscheidungen unterstützt werden, über die Beantwortung von Fragen rund um die eigene Risikobereitschaft, Anlagedauer oder zur finanziellen Lage. Die sogenannten Coaches können hierzu über Videokonferenz zu Rate gezogen werden. Diese digitale Betreuung lässt sich die ING mit 0,99 Prozent des Kurswertes bezahlen. Ansonsten sollen aber keine weiteren Gebühren anfallen, das Depot sei kostenlos und man könne bereits ab einem Euro in Wertpapiersparpläne investieren. Diese Konditionen dürften zwar zulasten der Provisionserlöse gehen, aber die Bank ist zuversichtlich, im Jahr 2021 ein weiteres Plus beim Provisionsüberschuss zu erzielen. Das Jahr sei bisher gut angelaufen, heißt es.

Das neue Angebot stellt aber nicht nur eine Alternative für Privatanleger in Zeiten mager verzinster Sparprodukte dar, sondern ist auch eine klare Kampfansage an alle Neobroker. Diese sind nämlich vor allem bei jüngeren Anlegern sehr beliebt, die ausgerechnet während der Corona-Pandemie großes Interesse für das Thema Geldanlage und die Börsen entwickelt haben. Und auch bei der ING waren die unter 30-Jährigen Treiber des Wertpapierhandel-Booms. Da lohnt es sich durchaus, am Ast der Konkurrenz zu sägen. Zumal der neue Hype das Potenzial haben könnte, die deutsche Aktienkultur langfristig zu beeinflussen. Bereits mehr als jeder Dritte legt nun in Aktien an, so eine Studie des Marktforschungsinstituts Innofact, die im Auftrag von Verivox Ende Oktober 2020 deutschlandweit unter 1 005 Personen im Alter von 18 bis 69 Jahren durchgeführt wurde. Und auch das Wachstum der Depotzahlen ist ein Indiz für das gestiegene Interesse gegenüber Börsen: Laut der Bundesbank konnte Deutschland im September 2020 24,8 Millionen Depots - und damit 6,2 Prozent mehr als im Vorjahr - verzeichnen.

Doch wie kommt es eigentlich plötzlich dazu, wo Deutsche doch sonst eher als Börsenmuffel gelten? Der Corona-Kleinanleger-Boom dürfte in engem Zusammenhang mit der Volatilität an den Märkten, aber auch mit dem anhaltenden Niedrigzinsumfeld stehen. Die einen haben eine echte Alternative in Sachen Sparen für sich entdeckt, andere wiederum einen geeigneten Einstiegszeitpunkt, angesichts des dramatischen Einbruchs der Aktienmärkte im Frühjahr 2020, erkannt. So manchen hat vielleicht auch einfach die Langeweile oder Neugier im Lockdown gepackt. Aber ungeachtet der Motive: Wie viele hier langfristig dabei bleiben werden, wird sich noch zeigen müssen. Die ING hat sich aber vorbereitet, die Entwicklung weiter mit anzuschieben. Red.

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