PRIVATKUNDENGESCHÄFT

Kontenexplosion statt Zins-Hopping

Längst ist das Tagesgeldkonto für Sparer eher ein Verlustgeschäft als eine lohnende Lösung fürs Sparen. Je stärker die Inflation anzieht, umso größer wird der Kaufkraftverlust der Gelder, die hier geparkt werden. Das ist vielen Sparern auch durchaus bewusst. Allerdings ist dieser Kaufkraftverlust nicht in Euro und Cent sichtbar - anders als die Verwahrentgelte für Einlagen, die die Kunden mittlerweile bei immer mehr Banken zahlen müssen.

Nur so ist es im Grunde zu erklären, dass die Anzahl der Tagesgeldkonten pro Kopf in Deutschland im Jahr 2020 um stolze 4 Prozent gestiegen ist, nachdem es in den Jahren 2014 bis 2019 lediglich ein Wachstum von durchschnittlich 0,4 Prozent war, wie eine Analyse von Raisin DS auf Basis von Daten der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigt. Um den Negativzinsen zu entgehen, versuchen Sparer also zunehmend, ihre Sparguthaben auf verschiedene Banken aufzuteilen, wie es sogar Verbraucherschützer teilweise empfehlen. Sichtbar wird dies auch daran, dass das Guthaben pro Tagegeldkonto im vergangenen Jahr um 2 Prozent gesunken ist, obwohl das Tagesgeldguthaben pro Kopf um 2 Prozent gestiegen ist.

Diese Entwicklung ist für Banken natürlich mehr als ärgerlich - aber sie dürfte auch endlich sein. Denn aus gutem Grund haben selbst solche Banken, die ihre Bestandskunden noch zum großen Teil von Negativzinsen verschonen, für Neukunden bereits Verwahrentgelte im Sinne von Abwehrkonditionen eingeführt. Die Auswahl für die ganz Schlauen, die durch Aufteilung ihrer Sparguthaben solche Entgelten vermeiden wollen, wird also zunehmend geringer. Insofern ist kaum zu erwarten, dass sich die Entwicklung des Jahres 2020 wiederholen wird.

Illusionen darüber, die neuen Tagesgeldkunden auch zu Depotkunden machen und so die Einlagen in Wertpapierinvestitionen umlenken zu können, sollte man sich nicht hingeben. Denn diejenigen, die so agieren, sind ja gerade klassische Sparer, die das Umschichten in Aktien oder Fonds vermeiden wollen. Zudem dürfte es sich um eine ähnliche Klientel handeln wie die, die vor der Finanzkrise "Zinshopping" betrieben haben, um jeweils die höchsten Tagesgeldzinsen zu kassieren. Zumindest bei Einproduktkunden helfen somit wohl wirklich nur Verwahrentgelte für Neukunden - so wenig das Verbraucherschützern schmecken mag.

Es ist eben nicht so, dass die Verwahrentgelte für die Banken ein lohnendes Geschäft sind, wie es die Verbraucherzentrale Hamburg unlängst formuliert hat. Natürlich gibt es für die Banken eine Art Freibetrag bei der EZB. Doch der dürfte in den allermeisten Fällen durch die Guthaben auf Girokonten, Tagesgeld oder Sparkonten mehr als ausgeschöpft sein. Zumindest dann, wenn den Kunden gewisse Freibeträge eingeräumt und Verwahrentgelte erst oberhalb dieser Grenze berechnet werden, kann von "Zusatzerträgen" aus den Negativzinsen wohl kaum die Rede sein.

Natürlich ist die Frage, ob auf Tagesgeldkonten Negativzinsen grundsätzlich überhaupt zulässig sind, gerichtlich noch nicht geklärt. Sollten sie jedoch letztlich untersagt werden, wäre das ein Pyrrhussieg für die Verbraucherschützer. Denn natürlich gib es für die Branche noch einen anderen Weg, den ungeliebten Tagesgeldern zu entgehen: das Produkt Tagesgeldkonto oder auch Sparkonten erst gar nicht mehr anzubieten, wie es einige Institute längst praktizieren. Dann bliebe den Kunden nur das Horten auf dem Girokonto - und hier lassen sich notfalls die Preise anheben. Auch dafür braucht es zwar die Zustimmung der Kunden. Allerdings haben Banken laut BGH das Recht, Konten zu kündigen, wenn der Kunde nicht zustimmt. Red.

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