GELDANLAGE

Krisen verändern das Sparverhalten - nicht die Sparbereitschaft

Noch ist es zu früh für ein Resümee darüber, wie die Corona Pandemie das Sparverhalten verändert. Schließlich lassen sich aus kurzfristigen Reaktionen generell keine sicheren Rückschlüsse auf mögliche langfristige Verhaltensänderungen ziehen. Zudem werden Letztere nicht zuletzt davon abhängen, wie es weitergeht. Dennoch hat die Finanzbranche damit begonnen, die Reaktionen von Sparern und Anlegern auf vergangene Krisen zu analysieren, um so einen Fingerzeig zu erhalten, wie das Corona Virus sich auswirken kann.

Die Consors-Bank hat die Tradingaktivitäten ihrer Kunden in den letzten 20 Jahren daraufhin untersucht, welche Ereignisse die Transaktionszahlen auf Wochenbasis im Vergleich zu den Durchschnittszahlen des jeweiligen Jahres deutlich haben ausschlagen lassen. In dieser Auswertung belegt die Corona-Pandemie eindeutig den Spitzenplatz. In der 11. Kalenderwoche dieses Jahres überstiegen die Käufe und Verkäufe von Wertpapieren den Durchschnittswert der zurückliegenden zwölf Monate um mehr als 170 Prozent. Der - nach Punkten - bislang größte Tagesverlust in der Geschichte des Dax sorgte am 12. März auch beim Trade-Aufkommen für den Rekordwert der vergangenen 20 Jahre. Er liegt weit vor den Ausreißern durch den "schwarzen Montag" im August 2011, nachdem die US-Rating-Agentur Standard & Poor's die Bonität der USA von AAA auf AA+ herabgestuft hatte (plus 115 Prozent) und der Katastrophe von Fukushima mit einem Peak von 114 Prozent gegenüber dem durchschnittlichen Handel.

Dass solche Krisen auch Chancen bergen, zeigen die Daten der ING. "Das günstige Kursniveau hat dazu geführt, dass im ersten Quartal 2020 schon mehr Aktien von unseren Kunden gekauft wurden, als im gesamten Jahr 2019", so Thomas Dwornitzak von der ING. Das ändert allerdings nichts daran, dass die ohnehin fragile Aktienkultur in Deutschland insgesamt - wieder einmal - einen schweren Dämpfer erlitten haben dürfte.

Wie lange es dauert, bis solche Rückschläge wieder aufgeholt werden, zeigt die Analyse der ING Deutschland, die durch Barkow Consulting das Sparverhalten der Deutschen während der letzten 20 Jahre hat analysieren lassen, basierend auf Daten der Deutschen Bundesbank und der EZB zu Vermögensentwicklung und Sparverhalten. Dabei zeigt sich: Innerhalb der letzten 20 Jahre gab es insgesamt vier handfeste Finanz- beziehungsweise Sparkrisen: die Dotcom-Krise (beziehungsweise die geplatzte Dotcom-Blase 2001 bis 2005), die Finanzkrise (2008/2009), die Eurokrise (2012/2013) und die Zinskrise (2014 bis 2019). Nach dem Platzen der Dotcom-Blase dauerte es fünf Jahre, bis deutsche Sparer wieder mehr in Aktien investierten. Auch während der Eurokrise 2012 und 2013 kam es erneut zu Abflüssen. Erst seit dem Jahr 2014 investieren deutsche Sparer wieder kontinuierlich, wenn auch in geringerem Umfang, in Aktien. 2019 lagen Aktieninvestments mit 14 Milliarden Euro immerhin auf dem höchsten Stand der letzten drei Jahre.

Sparverhalten umgekrempelt

Auch das Fondssparen hat seit der Dotcom-Krise abgenommen. Auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase im Jahr 2000 investierten deutsche Sparer 50 Milliarden Euro in Fonds - 45 Prozent des damaligen jährlichen Sparvolumens. Ab dem Jahr 2002 ging das Investmentvolumen jedoch kontinuierlich deutlich zurück, 2006 bis 2008 flossen sogar insgesamt fast 80 Milliarden Euro ab. Erst seit der Zinskrise 2014 investieren deutsche Sparer wieder nachhaltig in Fonds, wenngleich der Sparanteil noch deutlich geringer ist als zu Beginn des Jahrtausends.

Insgesamt haben die Sparer ihr Sparverhalten während der letzten 20 Jahre nahezu völlig umgestellt. Verglichen mit 1999/2000 investierten sie in der Zinskrise dramatisch mehr in Bankeinlagen (+ 61 Prozentpunkte), signifikant weniger in Versicherungen (- 16 Prozentpunkte) und deutlich weniger in Wertpapiere (- 30 Prozentpunkte).

Als Anlageform für private Haushalte nahezu verschwunden sind Anleihen, in die deutsche Sparer vor der Finanzkrise jährlich noch bis zu 40 Milliarden Euro neu investierten. Der Anleiheanteil am Finanzvermögen der Deutschen hat sich in den letzten 20 Jahren auf unter 2 Prozent gedrittelt. Einen regelrechten Boom hat in der Zinskrise die Bargeldhaltung in Deutschland erlebt. Seit Ende 2013 haben sich die Bargeldbestände der Sparer auf 253 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Und die Corona-Krise scheint diesen Trend zu beschleunigen. Verglichen mit der Entwicklung in den Vormonaten lässt sich laut Analyse bereits im März 2020 ein "Corona-Sondereffekt" für die Euro-Zone von etwa 30 Milliarden Euro ermitteln, wovon rund 6 Milliarden Euro auf die deutschen Privathaushalte entfallen.

Sparer sind widerstandsfähig

Von jeder der Krisen in den letzten 20 Jahren profitiert haben Bankeinlagen. Ihr Anteil am Sparvolumen privater Haushalte ist in jeder der vier identifizierten Krisen angestiegen. In der Zinskrise ist mit 52 Prozent im Durchschnitt mehr als jeder zweite Spar Euro in Bankeinlagen geflossen.

Trotz aller Krisen hat sich das Finanzvermögen der privaten Haushalte innerhalb der letzten 20 Jahre nahezu verdoppelt. In den vergangenen 10 Jahren hat sich der jährliche Zuwachs mit 4,3 Prozent pro Jahr sogar noch beschleunigt. Das lag nicht zuletzt daran, dass sich in diesem Zeitraum auch das jährliche Sparvolumen um durchschnittlich 6,1 Prozent pro Jahr erhöht hat. Fortschreiben lässt sich diese Entwicklung natürlich nicht. Namentlich die letzten zehn Jahre taugen sicherlich nur bedingt als Blaupause, da sie als Phase wirtschaftlichen Aufschwungs nur schwer mit der Nach-Corona-Zeit zu vergleichen sein dürften. Eines allerdings stimmt hoffnungsfroh: Der Sparer hat sich als widerstandsfähig erwiesen, wie es Thomas Dwornitzak von der ING formuliert. Es spricht also einiges dafür, dass er letztlich auch die Corona-Krise meistern wird. Red.

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