NEGATIVZINSEN

Eine Milchmädchenrechnung

Die Mehrheit der Privatkunden wagt keine Prognose darüber, ob Negativzinsen sie betreffen werden Quelle: Investors Marketing, Trendstudie Negativzinsen 2019

Sollen Sparer durch ein gesetzliches Verbot vor Negativzinsen geschützt werden? Dieser Vorschlag von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, den Bundesfinanzminster Olaf Scholz aufgegriffen hat und prüfen lassen will, hat naturgemäß in der Bankenbranche heftigen Widerpruch ausgelöst.

Die DK warnt davor, dass solche Verbote "zu einer gefährlichen Instabilität der Finanzmärkte führen" könnten. Auch Ralf W. Barkey, Vorstandsvorsitzender des Genossenschaftsverbandes, fordert, Banken müssten auf Negativzinsen "reagieren können - auch, indem sie die Kosten bei Bedarf verursachergerecht in Form von Negativzinsen an die Einlagenkundinnen und -kunden weiter reichen". "Ein Negativzinsverbot wäre ein potenziell folgenschwerer Eingriff in die Geschäftspolitik. Letzten Endes wären Genossenschaftsbanken dazu gezwungen, Kosten auf die Gesamtheit der Mitglieder umzulegen, die nur von einem Teil der Kunden verursacht werden. Wenn der Staat Sparen und Vorsorge fördern will, muss er Anreize schaffen", so Barkey weiter.

Die Liste derjenigen Branchenvertreter, die sich in diesem Sinne geäußert haben, ließe sich beliebig fortsetzen. Aus Bankensicht ist das nur zu verständlich. Irgendwo muss schließlich auch Geld verdient werden. Und wenn von der Branche immer verantwortliches wirtschaftliches Handeln einerseits und ein hohes Maß an Transparenz andererseits eingefordert wird, dann wäre es widersinnig, gleichzeitig eine rechtliche Situation zu schaffen, in der Transparenz verloren geht, weil die Kosten für die an die EZB zu zahlenden "Strafzinsen" dann etwa in Form höherer Kontoführungsgebühren oder Transaktionsentgelte versteckt an die Kunden weitergegeben werden müssen, wenn die wirtschaftliche Basis des Bankgeschäfts nicht erodieren soll.

Genau das ist auch der Grund, warum der im Sinne des Verbraucherschutzes sicher gutgemeinte Vorstoß aus der Politik nicht auf Gegenliebe bei den Vebraucherschützern stößt. Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), bezeichnet ein Verbot von Strafzinsen für Kleinsparer deshalb als Scheinlösung, da Banken und Sparkassen dann Gebühren für Girokonten erhöhen könnten, was sie vielfach schon tun. Damit sei der effektive Zins für diese Konten oft schon negativ. Statt eines Strafzinsverbotes müsse die gesetzlich vorgeschriebene unabhängige Vergbleichsplattform für Girokonten endlich kommen.

Dass die Verbraucherschützer in diesem Zusammenhang wieder einmal Restriktionen beim Vertrieb von Restschluldversicherungen und ein Provisionsverbot fordern, muss man nicht gutheißen. In der Beurteilung eines Negativzinsverbots für Privatanleger als Milchmädchenrechnung haben sie aber sicher Recht.

Bei den Kunden herrscht jedoch noch hohe Unsicherheit vor. Das zeigt eine Umfrage von Investors Marketing Ende August unter rund 2 000 Privatkunden: Trotz der aktuellen Präsenz des Themas in den Medien hat demnach fast ein Drittel der Befragten noch nichts davon gehört, dass Banken ihrerseits Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie Gelder bei der EZB lagern. Ebenso vielen Kunden ist nicht bewusst, dass eine Einführung von Negativzinsen auch für Privatkunden in der Diskussion ist. Hier besteht also noch einiges an Aufklärungsbedarf, bevor vonseiten der Banken und Sparkassen über mögliche Maßnahmen zur Weitergabe von Strafzinsen nachgedacht werden sollte.

Danach befragt, für wie wahrscheinlich sie die Einführung von Negativzinsen bei ihrem Institut halten, geben 23 Prozent "wahrscheinlich" an. 26 Prozent halten das für unwahrscheinlich, bei Direktbanken sind es sogar 40 Prozent. Auffällig ist, dass auch Kunden mit höheren Anlagebeträgen noch nicht mit Negativzinsen rechnen, obwohl sie von den Banken voraussichtlich eingeräumte Freigrenzen überschreiten könnten: Nur 26 Prozent erwarten die Einführung durch ihre Hausbank.

Die "IM-Trendstudie 2019 - Negativzinsen aus Sicht der Kunden" zeigt aber auch: Bei einem Teil der Privatkunden besteht durchaus ein Grundverständnis dafür, dass Banken ihre eigenen Kosten weitergeben müssen. Zwar haben gerade einmal sieben Prozent der Befragten spontan Verständnis dafür, dass Banken Negativzinsen an Privatkunden weitergeben. Dessen ungeachtet würden 22 Prozent Negativzinsen bei ihrer Bank wahrscheinlich akzeptieren, auch wenn sie selbst betroffen wären. Andererseits geben nur zehn Prozent der Befragten zu Protokoll, sie würden gar nichts tun, wenn ein erheblicher Teil ihrer persönlichen Kontoguthaben betroffen wäre.

Die am häufigsten gennannte Reaktion auf ein solches Szenario ist - wenig überraschend - der Wechsel zu einem anderen Kreditinstitut. Das bezeichnet die Mehrheit (52 Prozent) als sehr wahrscheinlich oder wahrscheinlich. Wenn Banken und Sparkassen freilich auf breiter Front Negativzinsen einführen würden, könnte sich diese Wechselaktivität in Grenzen halten. Die Erfahrungen mit dem "Zinshopping" bei Guthabenzinsen haben bereits gezeigt, dass die Kunden bei allzu geringen Unterschieden auch weniger wechseln.

Auf Platz zwei und drei der möglichen Ausweichreaktionen folgen mit 36 beziehungsweise 30 Prozent die Umschichtung in Bargeld oder in Sachwerte wie Immobilien, Gold oder Kunst. Die Umschichtung in Wertpapiere nennen nur 22 Prozent. Bei Kunden mit höheren Anlagebeträgen liegt diese Quote mit 41 Prozent deutlich höher. Unterschiede gibt es übrigens auch nach Bankengruppen. Kunden von VR-Banken haben eine geringere Wechselwahrscheinlichkeit, Kunden von Sparkassen würden eher in Bargeld wechseln.

So oder so wäre zu Beginn der Einführung von Negativzinsen auch für den normalen Sparer mit spürbaren Ausweichreaktionen zu rechnen, warnt Oliver Mihm von Investors Marketing. Den Erträgen aus Zinsen sind deshalb die Kosten möglicher Kundenverluste und abgezogener Liquidität gegenüberzustellen. Unter Umständen kann es wirtschaftlicher sein, Kunden zu verlieren. Zurückgewinnen wird man sie allerdings so schnell nicht wieder. Red.

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