NACHHALTIGKEIT

Neues Gold-Plating bei Sustainable-Finance?

Der Zwischenbericht des Sustainable-Finance-Beirats der Bundesregierung liest sich wie der Fünf-Jahres-Plan einer sozialistischen Zwangswirtschaft. Das sagte Dr. Jürgen Gros, Vorstandsvorsitzender und Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern anlässlich der Jahrespressekonferenz des Verbands. Natürlich ist das überspitzt formuliert. Ganz Unrecht hat Gros allerdings nicht. Denn in den 85 Handlungsempfehlungen, die der Bericht auflistet, dominiert vor allem das Wort "Pflicht".

Dass die öffentliche Hand in die Pflicht genommen wird, versteht sich von selbst. Wenn die Politik die Transformation der Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit vorantreiben will, dann muss die öffentliche Hand auch eine Schlüssel- und Vorbildfunktion übernehmen.

Die Forderungen lauten hier: Die Akteure der öffentlichen Hand sollen die Mittelverwendung konsequent mit ihren Politikzielen verknüpfen. Konkret heißt das: Alle staatlichen Finanzierungsprogramme sollen deutlich stärker auf Umwelt- und Nachhaltigkeitsstandards ausgerichtet werden. Alle Förderprogramme, Exportfinanzierungen und Bürgschaften sind entsprechend anzupassen. Auch bei staatlich geförderten Finanzprodukten wie Riester- und Rürup-Rente sollen Nachhaltigkeitskriterien verbindlich integriert werden. Dies sollte auch für die Produkte der Förderbanken und aller öffentlich organisierten Finanzinstitute gelten. Außerdem soll es dem Bericht zufolge eine zeitlich begrenzte staatliche Förderung von transformationskonformen und/oder nachhaltigen Anlage- und Sparprodukten durch steuerliche Anreize oder Zuschüsse geben, um die Nachfrage anzukurbeln. Spätestens beim letztgenannten Punkt dürfte es schwierig werden: Schließlich hat sich die Politik schon lange von einer echten Sparförderung verabschiedet. Ob diese nun durch die Nachhaltigkeitsziele eine Renaissance erlebt, scheint da doch eher zweifelhaft - zumal die Rahmenbedingungen dafür sich durch den "Shutdown" nicht eben verbessert haben.

Leichter wird es den Verantwortlichen fallen, den Blick auf die Finanzmarktakteure zu richten. Sie sollen Unternehmen Finanzierungen und privaten und institutionellen Investoren Investment-, Bank- und Versicherungsprodukte anbieten, die einen messbaren Beitrag zur Transformation leisten, und dabei ihre Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsthemen ausweiten. Unter anderem sollen alle Finanzprodukte durch ein verpflichtendes Klassifizierungssystem vergleichbar werden, das den Beitrag jedes Finanzprodukts zur Transformation deutlich macht.

Die Pflicht zur einer nachhaltigkeitsbezogenen Berichterstattung soll jedoch zunehmend auch auf kleine und mittlere Unternehmen ausgeweitet werden, wobei im Sinne der "doppelten Wesentlichkeit" auch eine Analyse der Zulieferer und Lieferketten einzubeziehen ist, um auch die indirekten Wirkungen eines Unternehmens auf seine Umwelt und die Gesellschaft zu verdeutlichen. Spätestens an dieser Stelle könnte es kritisch werden. Denn es ist offensichtlich, dass viele kleine Unternehmen dazu nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand in der Lage sein werden. Jürgen Gros fürchtet bei einer Umsetzung dieser Handlungsempfehlungen eine "Auslese in der mittelständischen Wirtschaft".

Die Deutsche Kreditwirtschaft sieht den Bericht allerdings noch aus einem anderen Grund kritisch: Wieder einmal geht es um das schon so oft kritisierte "Gold-Plating", mit dem Deutschland über europäische Standards hinausschießt, um sich als europäischer Musterschüler zu präsentieren. "Als Anbieter nachhaltiger Finanzprodukte müssen wir uns auf einen europaweiten Regelungsrahmen verlassen können. Daher halten wir die Forderung des Sustainable-Finance-Beirats für kontraproduktiv, ergänzend zum europäischen Regelwerk zusätzlich nationale Regelungen zu schaffen", so BVR-Präsidentin Marija Kolak, stellvertretend für die DK, deren Federführung der BVR dieses Jahr inne hat. Denn mit solchen, schärferen nationalen Sonderregelungen würde der Finanzmarkt Deutschland im Vergleich zu Anbietern in anderen europäischen Mitgliedsstaaten im Wettbewerb belastet statt gestärkt.

Natürlich lässt sich argumentieren, dass der Klimaschutz von solcher Dringlichkeit ist, dass es nationale Vorreiter braucht. Gleichzeitig können nationale Alleingänge bei diesem Thema jedoch am wenigsten bewirken. Zu Recht fordert die DK deshalb die Bundesregierung auf, sich in den europäischen Regulierungsprozess aktiv einzubringen und sich für ein praxistaugliches Regelwerk einzusetzen.

Die Sustainable-Finance-Strategie für die Bundesregierung kann nach Einschätzung der DK somit nur aufgehen, wenn sie im Einklang mit dem europäischen Regelwerk steht. Das vom Beirat geforderte Angebot nachhaltiger Finanzprodukte in allen Produktkategorien sollte dem Markt überlassen werden. Zudem sollten die Regulatoren auch beim Thema Nachhaltigkeit neue Regelungen auf den Kosten-Nutzen-Aspekt und den echten Mehrwert für Verbraucher selbstkritisch abklopfen.

Fallen letztlich die Kosten höher aus als der Nutzen, wird das wieder einmal die Finanzbranche ausbaden dürfen. Wenn dann beispielsweise weitere Preisanhebungen die Folge sind, wird das gewiss nicht der Gesetzgeber auf seine Kappe nehmen. Red.

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