NEGATIVZINSEN

Neun Prozent Ertragskraftverlust

Seit dem 11. Juni 2014 müssen Kreditinstitute in der Eurozone Negativzinsen auf ihre Einlagen bei der Europäischen Zentralbank zahlen. Das fünfjährige Bestehen dieser "Strafzinsen" ist freilich kein Geburtstag, der einen Grund zum Feiern böte. Denn in diesen fünf Jahren haben Banken im Euro-Raum 21,4 Milliarden Euro an Negativzinsen gezahlt, statistisch sind das 21 Millionen Euro pro Tag. Das hat Deposit Solutions errechnet.

Die Hauptlast der Negativzinsen an die EZB tragen deutsche Banken und Sparkassen - wenig überraschend angesichts des konservativen Sparverhaltens der Deutschen. Dieses Festhalten der Kunden an klassischen Spareinlagen - allen voran den Tagesgeldern - hat die Branche in Deutschland allein von 2016 bis 2018 insgesamt 5,7 Milliarden Euro gekostet - das ist rund ein Drittel des gesamten Aufkommens an Negativ zinsen aller Banken im Euro-Raum. Kreditinstitute in Frankreich haben 4,2 Milliarden Euro an die EZB gezahlt, niederländische Institute 2,2 Milliarden Euro. Damit tragen diese drei Länder bereits 69 Prozent der Gesamtlast der Eurozone-Banken.

Auch in Relation zu den Erträgen fällt die Belastung der deutschen Banken überdurchschnittlich stark aus. So entspricht die Summe der Negativzinszahlungen deutscher Banken einer Reduzierung ihres Vorsteuerergebnisses um 9,1 Prozent - im Rest der Eurozone sind es im Schnitt nur 4,3 Prozent. Noch stärker schlägt der Negativzins nur bei Banken aus Zypern (minus 13,9 Prozent) und Finnland (minus 14,1 Prozent) auf die Ertragskraft durch.

Die Analyse zeigt auch, dass die negative Zinsbelastung der Banken kontinuierlich zugenommen hat. So haben sich die Zinszahlungen der deutschen Banken in den vergangenen drei Jahren von 1,1 Milliarden Euro auf 2,5 Milliarden Euro pro Jahr mehr als verdoppelt. Auch in Frankreich, den Niederlanden und Luxemburg stiegen die Zahlungen im Jahresvergleich. Bei den spanischen Banken haben sie sich von 2016 bis 2018 von 125 auf rund 400 Millionen Euro sogar mehr als verdreifacht. Immerhin hier hat die Analyse eine gute Nachricht: Im laufenden Jahr, so die Erwartungen, dürften sich die Negativzinsen der gesamten Branche im Euroraum an die EZB mit etwa 7,5 Milliarden Euro auf dem Niveau von 2018 einpendeln.

Ein echter Trost ist das aber natürlich nicht und so ist es wenig überraschend, dass die Anzahl der Kreditinstitute, die die "Strafzinsen" mittlerweile auch an Privatkunden mit größeren Einlagenvolumina weiterreichen, in letzter Zeit gewachsen ist - ist doch die Anzahl der Stellschrauben, an denen man drehen könnte, um die Zinszahlungen an die EZB zu reduzieren, begrenzt.

Eine Ausweitung der Kreditvergabe hat Grenzen - solche der Nachfrage auf der einen und solche des Risikomanagements auf der anderen Seite - zumal in Zeiten, in denen die Aufsicht öffentlich über teils zu laxe Kreditrichtlinien der Banken spricht.

Eine Reduktion des Einlagengeschäfts wiederum ließe sich vor allem durch Umschichtungen von Einlagen in Wertpapieranlagen erreichen. Und hier zeigen sich viele Kunden seit Jahren beratungsresistent. Die Botschaft, dass klassisches Sparen unter Berücksichtigung der Inflation im Niedrigzinsumfeld Kaufkraftverluste mit sich bringt, dürfte angesichts der gebetsmühlenartigen Wiederholung in den Medien nur an wenigen Sparern vorbeigegangen sein. Doch diese Kaufkraftverluste scheinen vielen Verbrauchern im Vergleich zu den Risiken des Kapitalmarkts immer noch - weil zumindest annähernd kalkulierbar - das kleinere Übel zu sein.

In der Beratung gelingt es vielleicht da und dort, zumindest einen behutsamen Wechsel des Sparverhaltens zu erreichen. Doch wenn immer weniger Menschen Beratung nachfragen (und die Wertpapierberatung zudem durch regulatorischen Ballast sowohl für Kreditinstitute als auch für Kunden unattraktiver wird), sind auch hier die Möglichkeiten begrenzt. So gibt es einstweilen wenig Hoffnungen an der Strafzinsfront. Künftig werden somit vermutlich noch mehr Privatkunden auf ihre Einlagen Negativzinsen zahlen müssen Red.

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