KOMMUNIKATION

Service und Beratung kommunikativ vernachlässigt

"Wes Brot ich ess', des Lied ich sing" - dieses Motto können und dürfen sich seriöse Marktforscher nur bedingt zu eigen machen - will heißen, ihre Fragestellungen dürfen nicht manipulativ sein, sondern müssen transparent und neutral gehalten sein. Auch die Stichprobe der Befragten darf nicht so ausgewählt werden, dass ein bestimmtes Ergebnis im Vorhinein feststeht. Dennoch lassen sich Ergebnisse in gewisser Weise durch die Fragestellung im Sinne des Auftraggebers steuern - so etwa in einer Innofact-Umfrage im Auftrag des Vergleichsportals Verivox, für die im Oktober dieses Jahres 1 005 Online-Nutzer unter anderem danach gefragt wurden, wann sie sich zum letzten Mal in einer Bankfiliale von einem Mitarbeiter persönlich haben bedienen lassen. Völlig überraschendes Ergebnis: Bei einem guten Drittel der Befragten (34,9 Prozent) war das länger als ein Jahr her, bei einem weiteren Drittel (34,2 Prozent) fand der letzte Filialkontakt innerhalb des letzten Jahres statt, war aber länger als einen Monat her. Fazit: Die Corona-Krise verstärkt den Trend zur Digitalisierung.

Das ist ganz sicher richtig. Und doch hat eine solche Fragestellung einen negativen Beigeschmack. Zum einen wären die Zahlen vermutlich ein wenig anders ausgefallen, hätte es sich nicht um eine reine Online-Umfrage gehandelt, bei der naturgemäß die nicht onlineaffinen Bevölkerungssegmente - auch die gibt es nämlich noch - ausgeklammert bleiben. Zum anderen verzerrt der Lockdown im Frühjahr, als viele Bankfilialen geschlossen waren und die Kunden somit gar nicht die Möglichkeit hatten, dort Service oder Beratung in Anspruch zu nehmen, die Aussagekraft der Daten erheblich. Geht man einmal davon aus, dass viele Banken ihre Kunden einmal pro Jahr zum Beratungsgespräch einladen, dann ist es wenig überraschend, wenn dieser Turnus bei vielen Kunden in diesem Jahr nicht eingehalten werden konnte. Abhängig davon, wie lange jeweils die Geschäftsstellen geschlossen oder nur mit sehr eingeschränkten Öffnungszeiten erreichbar blieben, kann sich da schon ein ordentlicher Rückstau angehäuft haben, der erst allmählich abgearbeitet werden kann. Die Tatsache, dass in der Umfrage jeder Vierte angab, innerhalb des letzten Monats (16,1 Prozent) oder sogar innerhalb der letzten Woche (8,9 Prozent) in einer Filiale beraten oder bedient worden zu sein, kann möglicherweise als Indiz für "Nachholeffekte" dienen.

So tot, wie Umfragen dies gern glauben machen möchten, ist die Bankfiliale somit offenbar noch lange nicht - dem unbestrittenen Trend zur Nutzung digitaler Kanäle zum Trotz. Meldungen wie die von Verivox machen jedoch Schlagzeilen und beeinflussen damit vielleicht auch ein Stück weit das Nutzungsverhalten, indem sie den Filialbesuch als entbehrlich erscheinen lassen. Hier halten die Filialbanken möglicherweise kommunikativ zu wenig gegen. Denn auch sie könnten Umfragen mit Ergebnissen zugunsten der Filialen veröffentlichen - etwa zu den Gründen, die für einen Filialbesuch sprechen. Sie könnten aber auch die Anzahl der Filialkontakte - Service, Selbstbedienung und Beratung - erheben und der Öffentlichkeit präsentieren. Gerade die beiden Verbünde könnten so konsolidiert auf sehr beeindruckende Zahlen kommen.

Möglicherweise wird dies auch deshalb unterlassen, weil der Trend natürlich abwärts zeigt. Auch dem ließe sich allerdings kommunikativ begegnen, etwa indem die bei vielen Instituten kräftig ansteigende Anzahl der persönlichen Telefonkontakte (mit einem Mitarbeiter), der Videoberatungen oder auch Kontakte per Chat (nicht mit einem Bot) mit angibt. Auch so ließe sich der Wert des menschlichen Miteinanders eindrucksvoll darlegen. Der Wunsch danach bleibt auch weiterhin groß. Red.

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