NEGATIVZINSEN I

Verhaltensökonomisch ein Segen?

Immer mehr Kreditinstitute sehen sich gezwungen, Negativzinsen in Form von sogenannten Verwahrentgelten an ihre Kunden weiterzureichen. Was Verbraucherschützer naturgemäß aufregt, muss gar nicht schlecht sein, sagt Nikolas Kreuz, Geschäftsführer der Invios GmbH. Denn wenn Banken ihren Kunden Negativzinsen berechnen, werde der Vermögensverlust direkt sichtbar - anders als die Schneise, die die Inflation ins Vermögen schlägt. Verhaltensökonomisch seien Negativzinsen somit ein Weckruf, über die eigene Kapitalanlage nachzudenken und damit dem auf dem Konto nicht sichtbaren Realzinsverlust durch die Inflation entgegenzuwirken. "So betrachtet ist der um sich greifende Negativzins fast schon ein willkommener Auslöser, der dazu antreibt, sich mit seinem Kapital zu beschäftigen, so Kreuz. "Mit dem positiven Nebeneffekt, einen viel größeren Wertverlust aus anderer Quelle zu vermeiden."

Allerdings schränkt Kreuz ein: "Aus Sicht der Neuro-Finanz ist der Schmerz, den wir durch den Negativzins empfinden, ein schlechter Ratgeber." Er verleitet zu einer panikartigen Fluchtreaktion, viele stecken Geld in fragwürdige Investments, nur weil die ein paar Prozente mehr versprechen, oder gehen gleich in Kryptowährungen". Von Null auf Bitcoin sei deshalb keine gute Idee. Rational betrachtet ist das natürlich richtig. Und dennoch: Bei klassischen Sparern, die sich unter dem Eindruck von Negativzinsen in Wertpapieranlagen hineinberaten lassen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie sich damit nicht restlos wohlfühlen. Schließlich sind Aktien und Fonds für sie ja nur ein "Plan B". Ob sich so eine stabile Wertpapierkultur aufbauen lässt, sei einmal dahingestellt.

Für Kreditinstitute, die ihre Beratung in diesem Sinne ausrichten, besteht dadurch in jedem Fall ein Imagerisiko. Denn all jene, die ohne Negativzinsen beim klassischen Sparkonto oder Tagesgeldkonto geblieben wären, werden es ihrer Bank oder Sparkasse und nicht der EZB anlasten, wenn sich Wertpapieranlagen nicht wie gewünscht entwickeln, sprich auch einmal Verluste auftreten. Die wenigsten werden sich die Mühe machen, mögliche Verluste dem inflationsbedingten Realzinsverlust auf dem Tagesgeldkonto gegenüberzustellen. Und Verbraucherschützer werden vermutlich so oder so etwas zu kritisieren haben. Jetzt sind es die Negativzinsen, später könnte es eine am Bankinteresse ausgerichtete Wertpapierberatung sein, bei der den Instituten unterstellt wird, den Kunden nur deshalb Fonds oder Aktien empfohlen zu haben, um für die Bank oder Sparkasse EZB-Strafzinsen zu vermeiden. Red.

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