PREISPOLITIK

Verwahrentgelte vor Gericht

Im Grunde sind sich alle einig: Mit "Verwahrentgelten" oder "Guthabenentgelten", wie sie die Commerzbank nennt, wird der Zweck des Sparens ad absurdum geführt. Denn der besteht natürlich darin, das Ersparte zu vermehren und durch Zins und Zinseszins mindestens einen Inflationsausgleich zu erhalten. So haben es zumindest ältere Semester noch in der Schule gelernt.

Dass immer mehr Banken und Sparkassen auf immer mehr Guthaben Verwahrentgelte oder Guthabenentgelte erheben, wie die Commerzbank sie nennt, ist nicht auf dem Mist der Branche gewachsen. Die meisten Institute empfinden das selbst als absurd, wissen aber keinen Ausweg mehr. Die Guthaben der Kunden steigen und steigen - weit stärker als die Nachfrage nach Krediten, die die Institute ja auch nicht mit der Gießkanne an alle verteilen können, die gerade gern etwas Kapital hätten. Eine ordentliche Risikoprüfung muss schließlich sein, und wenn der Einlagenüberschuss noch so hoch ist. Es liegt also nahe, die Strafzinsen der EZB an die Kunden weiterzugeben. Die Freibeträge, die die EZB den Banken einräumt, schlagen sich dabei in Freibetragsgrenzen nieder, die den Kunden in aller Regel zugestanden werden - und auch schon wurden, bevor es bei der Zentralbank für die Banken so etwas überhaupt gab.

Es stimmt natürlich, dass nicht alle Einlagen bei der EZB hinterlegt werden, sondern nur ein Bruchteil davon, weil der Rest für die Kreditvergabe verwendet wird. Würden Banken ausnahmslos für jeden Einlagen-Euro eines jeden Kunden - sei es nun auf dem Girokonto, dem Sparbuch, dem Tagesgeld- oder Festgeldkonto oder auch dem Kartenkonto sofort Negativzinsen erheben, dann hätten die Verbraucherschützer recht, wenn sie damit argumentieren, die Banken hätten hier eine neue Einnahmequelle entdeckt. Doch dem ist bekanntlich bei weitem nicht so - es müsste sich ja ansonsten auch in der GuV der Institute sichtbar niederschlagen.

In einem haben die Verbraucherschützer jedoch recht: Wie die Verwahrentgelte beziehungsweise die Guthabenbeträge, ab denen sie fällig werden, konkret berechnet werden, ist für die Kunden nicht transparent. Auch auf der Bilanzpressekonferenz erfährt man meist nur auf Nachfrage, in welcher Höhe das jeweilige Institut denn überhaupt Negativzinsen an die EZB entrichtet hat. Mehr aktive Kommunikation zum Thema, unterlegt mit konkreten Zahlen, könnte an dieser Stelle vermutlich einen Teil des Unmuts oder zumindest des Misstrauens zerstreuen, dass es sich an dieser Stelle doch wieder nur um eine "Abzocke" einer ohnehin schlecht beleumundeten Branche handelt.

Nach wie vor rechtlich umstritten ist die Frage, ob Negativzinsen auf Sparbüchern überhaupt zulässig sind. Die frühere Praxis aus Zeiten positiver Zinssätze legt die nicht nur, aber auch von den Verbraucherzentralen unterstützte Interpretation nahe, dass es sich bei Spareinlagen um eine Art Darlehensvertrag handelt, bei dem der Kunde der Bank einen Kredit gewährt und dafür einen (positiven) Zins erwarten darf. Banken neigen inzwischen hingegen mehr zu der Deutung, dass die Entgegennahme und Verwahrung von Einlagen eine entgeltpflichtige Dienstleistung darstellt - so, wie der Kunde ja auch für ein Bankschließfach zahlen würde, in das er sein Erspartes einschließen könnte.

Höchstrichterlich geklärt ist bisher nur, dass Kunden Verwahrentgelten zustimmen müssen, dass die Bank die Kontobeziehung jedoch kündigen kann, wenn sie das nicht tun. Die grundlegende Frage hingegen ist weiterhin offen. Sie hat die Verbraucherzentrale Hamburg jetzt dem Landgericht Frankfurt vorgelegt. Dort hat sie die Commerzbank verklagt, weil sie die Praxis für rechtswidrig hält, Verwahrentgelte für Guthaben auf Sparbüchern von ihren Kunden zu verlangen oder mit Bestandskunden gesonderte Vereinbarungen über als sogenannte "Guthabenentgelte" getarnte Verwahrentgelte zu treffen. Der Weg durch die Instanzen ist aber noch weit. Endgültige Rechtssicherheit könnte vermutlich auch hier nur ein BGH-Urteil bringen.

Und was, wenn Verwahrentgelte letzten Endes tatsächlich untersagt würden? Damit wäre den Kunden vermutlich ein Bärendienst erwiesen. Dann könnten Banken und Sparkassen Tagesgeld- oder Sparkonten entweder gar nicht mehr anbieten (wie es einige bereits ohnehin tun). Sie könnten die Kontoführungsgebühren für das Girokonto drastisch anheben. Oder sie könnten ganz pauschale maximale Guthabengrenzen je Kunde einführen. Dann hätten Kunden nur noch die Wahl, ihr Geld wie einst ins Sparschwein oder unter die Matratze zu stecken, sich einen Tresor zu kaufen oder alles in einem Bankschließfach zu verstauen, so sie denn zu den Glücklichen zählen, die noch eines ergattern. Die nicht ganz fahrlässigen Optionen würden dann auch alle Geld kosten. Was für ein Triumph. Red.

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