FINANZBERATUNG

Vetternwirtschaft oder Qualitätsmerkmal?

Vetternwirtschaft spielt in der Finanzberatung eine große Rolle. Das wollen Sozialpsychologen vom Social Cognition Center Cologne (SoCCCo) der Universität zu Köln mit einem ökonomischen Experiment herausgefunden haben, und zwar in elf Experimenten mit insgesamt mehr als 1 500 Teilnehmern.

Die Teilnehmer sollten in einem Rollenspiel die Rolle eines Beraters einnehmen, der stellvertretend für Klienten Entscheidungen über Angebote trifft. Es zeigte sich, dass sie ihren Klienten besonders profitable Angebote zukommen ließen, wenn diese ihnen nahestanden.

Die Angebote, über die die Personen im Rollenspiel entscheiden sollten, waren Vorschläge, wie eine externe dritte Partei 100 Euro zwischen sich selbst und dem Klienten aufteilt. Dabei sollten die Studienteilnehmer sich vorstellen, dass ihre Klienten entweder ein Familienmitglied, ein guter Freund, ein loser Bekannter oder aber eine ihnen völlig unbekannte Person ist. Je nachdem war die Aufteilung des Betrags mehr oder weniger profitabel: Manchmal bot die dritte Partei dem Klienten einen Anteil von unter 50 Euro, manchmal aber gab es richtige Superangebote, etwa über 50 Euro oder sogar die gesamten 100 Euro. Dabei wussten die Teilnehmer, dass der Klient den Betrag später nicht mit ihnen teilen könnte, sie selbst also keinen wirtschaftlichen Gewinn hätten.

Das Ergebnis zeigte dennoch: Verwandte und Freunde wurden systematisch bevorzugt. Gerade bei den Super angeboten, bei denen die Klienten mehr als 50 von den 100 Euro angeboten bekamen, akzeptierten sie die Angebote häufiger für Verwandte und Freunde als für entfernte Bekannte oder gänzlich fremde Klienten. Angebote an unbekannte Klienten wurden in weniger als 80 Prozent der Fälle angenommen, Angebote an sozial nahestehende Klienten dagegen zu über 90 Prozent.

Aus diesem Ergebnis zogen die Wissenschaftler den Schluss, dass Vetternwirtschaft in der Finanzberatung erwiesen sei - und dass es deshalb im Alltag durchaus ratsam sein könne, zunächst eine möglichst enge persönliche Bindung zu einem Finanzberater zu etablieren.

Diese Resultate kann man nun - je nach Gusto - ganz unterschiedlich deuten. Wer der Qualität der Finanzberatung ohnehin skeptisch gegenübersteht, mag die vermeintliche Vetternwirtschaft als weiteren Beleg dafür sehen, dass den Beratern eben nicht zu trauen sei.

Ebenso gut lassen sich die genannten Ergebnisse der Kölner Sozialpsychologen jedoch auch als Beleg dafür sehen, dass die Berater ganz im Sinn ihrer Kunden agieren. Setzt man nämlich eine persönliche Vertrauensbeziehung zwischen Kunde und Berater voraus - und genau das ist es ja, was Filialbanken ebenso wie Finanzvertriebe anstreben -, dann lassen sich Freunde und Familie aus dem Experiment durch den vielleicht langjährigen Kunden ersetzen. So wird aus der vermeintlichen Vetternwirtschaft eine Angebotsgestaltung ganz im Sinne und Interesse des Kunden. Die persönliche Nähe zwischen Berater und Kunde setzt allerdings voraus, dass der persönliche Ansprechpartner nicht dauernd wechselt und beide Seiten so auch die Chance erhalten, einander besser kennenzulernen. Sonst funktioniert der Vetterneffekt (im positiven Sinn) vielleicht doch nicht so gut.

Will man die Vetternwirtschaft im negativen Sinne deuten, gilt es zudem noch zu bedenken: Die pure Willkür im Beratungsprozess ist heute ohnehin kaum noch möglich. Dafür sorgen schon die IT gestützten Beratungsprozesse, Freunde und Familie hin oder her. Red.

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