PRIVATKUNDENGESCHÄFT

Weniger Kredite, mehr Versicherungen

Die Nichteinhaltung der Abstands- und Hygieneregeln etwa bei Demonstrationen und Partys zeigt es deutlich: Die Verbraucher haben es in der Hand, wie sich das Infektionsgeschehen weiterentwickelt und mit ihm dessen wirtschaftliche Folgen. Doch auch das sonstige Verhalten der Verbraucher, zum Beispiel, was den Konsum angeht, beeinflusst die wirtschaftlichen Nachwirkungen.

Genau das untersucht Kantar in der mittlerweile sechsten Welle des Covid-19-Barometers, für das mehr als 100 000 Verbraucher weltweit befragt wurden.

Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Verbraucher sind demnach nach wie vor über die Pandemie besorgt. Nur ein Viertel der Verbraucher weltweit will zum gewohnten Konsumverhalten zurückkehren, sobald staatliche Beschränkungen aufgehoben werden. Dabei wurden sechs abgegrenzte Krisentypen ausgemacht - vom Vogel Strauß (12 Prozent), der die Krise trotz ihrer Beeinträchtigungen verdrängt, über den "Que sera"-Typus (22 Prozent), der die Krise zwar wahrnimmt, sie jedoch nicht als dramatisch empfindet, die "guten Bürger", die sich informieren und an die Regeln halten (22 Prozent), und die "Winterschläfer" (12 Prozent), die die Krise abwartend durchzustehen versuchen, bis hin zu den verzweifelten Träumern (18 Prozent), die trotz hohen Leidensdrucks zuversichtlich sind, und den "Sorgenkindern" (13 Prozent), die hart getroffen sind und wenig Hoffnung auf eine rasche Besserung haben.

Ebenfalls untersucht hat die Studie, die Veränderungen in der langfristigen Planung der Verbraucher. Vielfach wird es zu einem Aufschub größerer Lebensentscheidungen kommen. Daraus lassen sich für die Finanzbranche mancherlei Implikationen ableiten.

Zum einen verstärken die durch die Pandemie ausgelösten finanziellen Unsicherheiten den Wunsch nach einer besseren Absicherung. Jeder Dritte gibt deshalb an, zukünftig mehr zu sparen und jeder Vierte plant, mehr Versicherungen abzuschließen. Dem stehen zwar auf der anderen Seite diejenigen gegenüber, die weniger sparen oder investieren (19 Prozent) oder weniger Versicherungen abschließen wollen (20 Prozent). Dennoch ergibt sich unter dem Strich ein erhöhtes Abschlusspotenzial für Spar-/Anlageprodukte und Versicherungen.

29 Prozent der Menschen wollen den Renteneintritt verschieben, 13 Prozent ziehen in Erwägung, ihn vorzuziehen. Beide Entscheidungen bieten Ansatzpunkte für ein Beratungsangebot. Auch für die Beratung rund um die Existenzgründung könnte sich ein steigender Bedarf ergeben. Immerhin bezeichnen 28 Prozent der Befragten es als sehr oder etwas wahrscheinlich, dass sie aufgrund der Corona-Krise die Gründung eines Unternehmens eher in Betracht ziehen werden.

Mit Blick auf das Verbraucherkreditgeschäft gibt es gegenläufige Indikatoren: 36 Prozent bezeichnen größere Anschaffungen als etwas weniger oder sogar sehr viel weniger wahrscheinlich, während nur 17 Prozent ihnen derzeit positiv gegenüberstehen. Damit dürfte auch das Abschlusspotenzial bei Ratenkrediten tendenziell eher zurückgehen. Für die Risikoseite interessant ist die Feststellung, dass der Lockdown - anders, als man es vielleicht vermuten würde - die Scheidungsrate zumindest vorübergehend eher sinken als steigen lassen könnte. Während 8 Prozent eine Scheidung durch Corona für wahrscheinlicher halten als zuvor, zieht ein Drittel der Befragten sie weniger in Betracht. Da Ehescheidungen traditionell zu den wichtigsten Gründen dafür zählen, dass Verbraucher ihre Kredite nicht zurückzahlen können, ist das für Kreditinstitute eine gute Nachricht.

Im Gegenzug planen die Menschen allerdings auch weniger Heiraten und Nachwuchs. Damit fallen für Banken typische Ansatzpunkte für Beratungsgespräche weg.

Unter dem Strich könnte sich das Plus und Minus vermutlich ausgleichen. Banken und Sparkassen tun aber sicher gut daran, diese zumindest temporär veränderten Verhaltensmuster in die Vertriebssteuerung und Kundenansprache einzubeziehen. Red.

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