RECHTSFRAGEN

Widerrufsjoker vor dem EuGH

Erst im November 2019 hatte der Bundesgerichtshof in zwei Fällen, in dem es um den Widerruf von Autokrediten ging, im Sinne der Banken entschieden: Am 5. November wies das Gericht in zwei Fällen die Revisionen von Verbrauchern zurück und entschied, dass die beiden Autokäufer ihre Autokredite nicht noch Jahre nach Vertragsschluss widerrufen können.

Das Aufatmen der Bankenbranche über diese Entscheidungen war jedoch offenbar verfrüht. Denn das Landgericht Ravensburg hat am 7. Januar 2020 entschieden, dass eine ganze Reihe von juristischen Fragen zum Thema Widerruf von Darlehensverträgen dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden müssen (Aktenzeichen 2 O 315/19). Sollte der EuGH anders entscheiden als zuletzt der BGH, dann könnte das weitreichende Folgen haben. Denn während es in Deutschland bisher lediglich um Kreditverträge und damit verbundene Kaufverträge von Fahrzeugen geht, könnte die Vorlage an den EuGH prinzipiell alle Darlehensverträge sowie die mit ihnen finanzierten Kaufverträge betreffen, ganz gleich ob es dabei um ein Fahrzeug, die neue Küche oder eine Waschmaschine ging. Darauf verweisen die Kanzlei Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann aus Esslingen sowie die Kanzlei Dr. Lehnen & Sinnig aus Trier, die den Beschluss des Landgerichts Ravensburg erstritten haben.

Im Wesentlichen geht es in der Vorlage an den EuGH um die Frage, wie bestimmte Pflichtangaben in Verbraucherdarlehensverträgen ausgestaltet sein müssen. Es handelt sich um Angaben im Zusammenhang mit dem Verzugszinssatz, über die Vorfälligkeitsentschädigung sowie über die Kündigungsrechte.

Der BGH hatte im November 2019 entschieden, dass die Angabe des Sollzinses mit 0,00 Euro nach dem Widerruf ordnungsgemäß sei und es ausreiche, wenn die Bank die Parameter für die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung grob benennt. Auch seien Angaben zum außerordentlichen Kündigungsrecht des Verbrauchers nicht erforderlich.

Auch nach diesem BGH-Votum gab es jedoch zwei Urteile des OLG Brandenburg (Aktenzeichen 4 U 7/19 und 4 U 8/19 vom 13. November 2019), wonach Kreditverträge mit der Mercedes-Benz-Bank wegen unzureichender Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung auch noch Jahre nach Abschluss widerrufen werden können. Ein Ende des Widerrufsjokers ist somit nicht in Sicht.

In dem Fall, den die Ravensburger Richter nun dem EuGH vorlegen wollen, geht es um einen Widerruf eines Kredits bei der Volkswagen Bank. Die dort verwendeten Formulierungen finden sich nach Angaben der Anwälte jedoch in dieser und in ähnlicher Form in nahezu jedem Verbraucherdarlehensvertrag, der zwischen dem 11. Juni 2010 und heute in Deutschland abgeschlossen wurde - weit über den Bereich der Kfz-Finanzierung hinaus.

Sollte der Europäische Gerichtshof dem unbegrenzten Widerrufsjoker keine Absage erteilen, könnte das somit erhebliche Folgen haben. Dann könnte womöglich auch der Käufer einer reparaturanfälligen Waschmaschine künftig seinen Vertrag, mit dem das Gerät finanziert wurde, nachträglich widerrufen und der Bank das Gerät zurückgeben - nicht aus Unzufriedenheit mit dem Kredit an sich, sondern wegen der Mängel des Produkts. Das mag dann zwar rechtlich in Ordnung sein, redlich erscheint es nicht.

Ein solches Urteil, das den Widerrufsjoker quasi widerbeleben würde, wäre im Übrigen auch nur sehr bedingt verbraucherfreundlich. Derjenige, der sich eines Produkts durch Rückabwicklung des Kreditvertrags entledigen und dafür ein neues zu Minizinsen finanzieren kann, freut sich natürlich. Die Bank wird die damit verbundenen Kosten aber in irgendeiner Form in ihre Konditionen einpreisen. Diejenigen Kunden, die ihren Kredit redlich abbezahlen und den Vertrag durchhalten, müssen dann für die übrigen mitbezahlen. Red.

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