Finanzberatung

Wunsch nach Normierung

Hanna Thielemann

In der Schule, im Büro oder in der Industrie: Wird über Papierblätter gesprochen, kann jeder die verschiedenen Größen einfach einschätzen - dank der DIN-Formate. Jeder kennt DIN A1, DIN A4 oder DIN A5. Die Norm sorgt unter anderem dafür, dass Papier in jeden Drucker, Kopierer oder Hefter passt und wurde fast in allen Ländern der Welt adaptiert. Das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN) kümmert sich als unabhängige Organisation um Normung und Standardisierung in Deutschland und auch weltweit. Doch nicht alle Normen haben die breite Akzeptanz der DIN-Formate, denn sie sind nicht gesetzgebend oder verpflichtend. Trotzdem sollen sich die DIN-Normen auch im Beratungsalltag der Finanzdienstleister durchsetzen und von Privatleuten wie auch von der Rechtsprechung anerkannt werden.

Die Norm einer Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte ist in Arbeit. Bisher kommen Finanzberater typischerweise bei der Analyse jeweils zu einem eigenständigen Ergebnis. Geht man zu zehn verschiedenen Beratern, kommen diese unter Umständen zu bis zu zehn verschiedenen Ergebnissen. Das soll die Norm 77 230 ändern. Das Regelwerk will einen im Branchenkonsens "objektivierbaren, reproduzierbaren und transparenten" Analyseprozess festhalten, der im Rahmen der Basis-Finanzanalyse eine "ganzheitliche Betrachtung der finanziellen Situation" von Privathaushalten ermöglicht. Die Norm gibt dabei Rechengrößen wie den Mindestbedarf und die Inflationsrate vor und soll ein einheitliches Bild ermöglichen, ehe die eigentliche Finanzberatung daran anschließt. Bis zum 8. August stand das Regelwerk zur Konsultation, um die Jahreswende könnte es veröffentlicht werden.

Die Initiatoren setzen darauf, dass der Standard, einmal eingeführt, von den Kunden nachgefragt wird - und Anbieter unter Erklärungsdruck geraten, wenn sie von dem Standard abweichen.

Normen werden von denjenigen entwickelt, die sie später anwenden, in diesem Fall also besonders Akteure aus der Finanzbranche. In dem Gremium mit zuletzt 29 stimmberechtigten Vertretern sind unter anderem Deutsche Bank und Commerzbank, Allianz und Zurich, die Finanzberatungen OVB und Formaxx, aber auch die Stiftung Warentest und die Verbraucherzentralen vertreten. Dass Letztere mit im Boot sind, dürfte eine wesentliche Voraussetzung dafür sein, dass die Norm auch von Verbrauchern als Gütesiegel anerkannt wird.

Eine Normierung der Finanzberatung scheint durchaus sinnvoll. Wenn man zu verschiedenen Ärzten geht, möchte man ja auch nicht verschiedene Diagnosen erhalten, sondern höchstens verschiedene Möglichkeiten der Therapie.

Die Frage ist nur, inwiefern wird sich die Norm durchsetzen, wenn die beiden großen deutschen kreditwirtschaftlichen Verbünde nicht mitziehen? Sowohl der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) als auch der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) waren nicht im Normausschuss präsent und sehen auch nicht die Notwendigkeit der Vereinheitlichung durch die DIN. Beide Verbände haben mit dem "Sparkassen-Finanzkonzept" beziehungsweise der "Genossenschaftlichen Beratung" ihre eigenen Konzepte und planen bislang nicht, sich dem neuen Standard anzuschließen. Doch die Initiatoren der Norm lassen sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen und sind zuversichtlich, die großen Finanzverbünde noch an Bord zu überzeugen und mit ihrer neuen Norm, das Vertrauen der Gesellschaft in die Finanzbranche wieder etwas aufzubauen. ht

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