PERSONALMANAGEMENT

Arbeit, die zum Leben passt

Iris Heymann, Foto: Sparkasse Hannover

Viele Finanzinstitute suchen aufgrund des schwierigen Umfelds für Banken und des dadurch steigenden Kostendrucks nach Möglichkeiten, um Kosten weiter reduzieren zu können. Die Sparkasse Hannover möchte aus der Not eine Tugend machen und hat daher ihren Angestellten das Angebot unterbreitet, sich im Rahmen zwischen 19,5 und 39 Stunden pro Woche für ihre individuelle Arbeitszeit entscheiden zu können. Das spart unter dem Strich nicht nur bares Geld, sondern stimmt die Belegschaft auch zufrieden, denn beispielsweise Frauen können auf diese Art vor der Teilzeitfalle bewahrt werden, so die Autorin. Durch die neu definierten Prozesse werde die Sparkasse zudem nicht nur attraktiver für bereits bestehendes Personal, sondern auch für neue Bewerber. Red.

Einfach mal eine Auszeit nehmen, neben dem Job studieren, eine ausgedehnte Reise machen, mehr Zeit für die Kinder haben - oder auch: Im Job wieder neu durchstarten, weil die lieben Kleinen inzwischen groß sind. Die Gründe, weshalb sich die rund 1 700 Mitarbeiter der Sparkasse Hannover mehr Flexibilität bei ihren Arbeitszeiten wünschen, sind sehr vielfältig.

In den vergangenen Jahren hat die Sparkasse Hannover deutlich wahrgenommen, dass der Wunsch nach einer wirklichen Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit stetig wächst. Zugleich steht das Haus als Unternehmen in der Personalplanung vor erheblichen Herausforderungen. Denn die Uhr des demografischen Wandels tickt - und sie tickt immer lauter. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit der Angestellten beträgt 22 Jahre, in den kommenden zehn Jahren werden 20 Prozent der Mitarbeiter das Haus aus Altersgründen verlassen. Um neue motivierte Talente für die Sparkasse Hannover zu gewinnen, reicht es schon lange nicht mehr, mit der Sicherheit des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes und einer attraktiven Vergütung zu werben. Junge Menschen wollen mehr. Vor allem mehr Lebensqualität. Der Personalbereich arbeitet daher an umfassenden Angeboten, die das Arbeiten im Haus attraktiv machen sollen. Dies richtet sich sowohl an die bestehenden als auch an künftige Mitarbeiter. Die Möglichkeit, seine Arbeitszeit flexibel zu gestalten, ist dabei eine der wichtigsten Säulen.

Mitarbeiter wollen Flexibilität

Bei den neuen Arbeitszeitmodellen ging es allerdings nicht primär darum, neue Mitarbeiter für das Haus zu begeistern, sondern vielmehr Kosten und Stellen zu sparen. So wurde bereits im Jahr 2014 bei den Verhandlungen zum Haustarifvertrag die Möglichkeit geschaffen, dass Mitarbeiter einen Teil ihres Gehalts, nämlich die Sparkassen-Sonderzahlung, in bis zu 20 Tage Freizeit wandeln können.

Für zwei Jahre mussten sich die Mitarbeiter jeweils festlegen. Es ergab sich eine Win-Win-Situation: Die Angestellten haben die neue Möglichkeit mit Begeisterung angenommen, und als Arbeitgeberin konnte die Sparkasse Hannover die erhoffte Summe einsparen. Seitdem nutzen etwa 600 bis 700 Mitarbeiter jährlich das Modell "Geld in Freizeit", und es ist damit längst zu einem erfolgreichen Bindungsinstrument geworden. Im Jahr 2021 sind 667 Mitarbeiter dabei, besonders stark ist die Altersgruppe der 40- bis 54-Jährigen vertreten, zwei Drittel sind Frauen, und auch von den insgesamt 101 Führungskräften machen 21 hiervon Gebrauch.

Jedes Jahr neu planen

Seit diesem Jahr wurde das Angebot weiter flexibilisiert.

  • So muss sich die Belegschaft nicht mehr für zwei Jahre fest legen, sondern kann jedes Jahr neu planen.
  • Außerdem ist es nun auch möglich, die Arbeitszeit in Stunden zu wandeln und nicht mehr nur in ganze Tage. Mit dieser veränderten Regelung wurde auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter reagiert, denn manche wollen einfach an bestimmten Tagen etwas früher Feierabend machen.
  • Neben dem "Geld in Freizeit"-Angebot gibt es seit diesem Jahr zudem die sogenannte Flexible Arbeitszeit. Und auch sie ist ein Ergebnis von intensiven Verhandlungen mit dem Personalrat im Jahr 2018. Das Besondere: Der erste Impuls kam von den Arbeitnehmervertretern. Sie schlugen vor, Mitarbeiter könnten ihre Arbeitszeit reduzieren, sollten sich jedoch auf fünf Jahre festlegen, mit dem Recht, dann in den ursprüng lichen Modus zurückkehren zu können. Dieses Modell erschien zunächst sehr überraschend, dann wurde aber eine Chance erkannt, um für bestehende und künftige Mitarbeiter an Attraktivität gewinnen zu können. Daher wurde entschieden, die Idee gemeinsam mit dem Personalrat noch mutiger zu denken. Die Mitarbeiter sollten sich nicht fünf Jahre festlegen müssen, sondern lediglich für ein Jahr, und wenn sie wollen, können sie das Modell fortführen oder einfach von Jahr zu Jahr ihren persönlichen Bedürfnissen anpassen.

Niemand soll bitten müssen

Im Sommer 2020 konnten Mitarbeiter erstmals für das Folgejahr ihre Wünsche melden. Die Führungskräfte müssen hierbei nicht zustimmen, die Anträge gehen direkt an den Personalbereich, niemand soll bitten oder sich erklären müssen. Die Regelung sieht vor, dass angemeldete Arbeitszeitänderungen von bis zu drei Stunden Wochenarbeitszeit in jedem Fall möglich gemacht werden, zwischen 19,5 und 39 Stunden können die Angestellten arbeiten.

Sollte ein Wunsch gar nicht mit den Anforderungen der Abteilung vereinbar sein, so gibt es die Möglichkeit, Mitarbeiter zu versetzen. Kann einem Wunsch nach Veränderung der Wochenarbeitszeit nicht erfüllt werden, so muss dies spätestens für das darauffolgende Jahr organisiert werden.

132 Mitarbeiter haben das Angebot bisher für sich genutzt, weshalb eine positive Bilanz gezogen werden kann. Nicht zu kalkulieren war der Aufwand, der sich durch die Vielzahl an Wünschen ergeben könnte. Aber auch hier ergab sich ein positives Bild: Allen Wünschen konnte entsprochen werden, niemand musste versetzt oder vertröstet werden. Unter dem Strich war es im Hinblick auf das Arbeitszeitvolumen nahezu eine Plus-Minus-Null-Rechnung. 43 haben ihre Arbeitszeit reduziert, 39 haben sie angehoben und 50 Mitarbeiter haben ihre ansonsten auslaufende Arbeitszeitregelung fortgeführt.

Unter den Nutzern des Angebots sind auch vier Führungskräfte - drei haben ihre Arbeitszeit aufgestockt und eine hat sie reduziert. Alle Mitarbeiter, die ihre Arbeitszeit erhöht haben, sind Frauen. Daraus lässt sich schließen, dass dieses Modell auch dazu beiträgt, Frauen nicht in die Teilzeitfalle geraten zu lassen. Eine solche Lösung gibt es bislang in keiner anderen Sparkasse, und auch in der Region Hannover gilt das Institut damit als innovativ.

Im Recruiting sind die flexiblen Arbeitszeitmodelle zu einem enorm wichtigen Faktor geworden. Viele Bewerber können es kaum glauben, wenn ihnen die Möglichkeiten beschrieben werden. Ob damit nun spielend alle offene Stellen besetzt werden? Die Antwort lautet nein. Bewerber suchen sich heutzutage ihren Arbeitgeber bewusst aus und achten mehr denn je auf das Komplettpaket. Flexible und interessante Arbeitsbedingungen haben deutlich an Bedeutung zugenommen. Das erfordert, dass Unternehmen kontinuierlich und mit jeder Menge Kreativität an der Arbeitgeberattraktivität arbeiten müssen. Das ist - isoliert betrachtet - auch eine harte betriebswirtschaftliche Aufgabe.

Führen in Teilzeit ist selbstverständlich

Für die Sparkasse Hannover ist es aber noch mehr. Sie ist der Ansicht, der Mensch steht immer an erster Stelle und Arbeit soll zum Leben passen. Daher wurde in den vergangenen Jahren ein breites Spektrum an Möglichkeiten für die Belegschaft geschaffen, die für ein gesundes und mit dem Privatleben vereinbares Arbeitsumfeld sorgen sollen. Die Mitarbeiter des Instituts sollen in einem dynamischen Umfeld gestärkt und gut mit auf den Weg der digitalen Transformation genommen werden. So wurden beispielsweise bereits vor drei Jahren erste Voraussetzungen für mobiles Arbeiten geschaffen und die gesamte Belegschaft mit i-Pads ausgestattet.

In der Corona-Pandemie erwies sich dies bislang als Vorteil, denn viele Angestellte konnten schnell in den Remote-Modus wechseln. Führen in Teilzeit ist hierbei ein wesentlicher Bestandteil und selbstverständlich, sodass Mitarbeiter nach einem Jahr Elternzeit oder Sabbatical auf ihre angestammte Position zurückkehren können. Es gibt zudem einen eigenen Sportverein und ein aktives Betriebliches Gesundheitsmanagement mit einem psychologischen Beratungsangebot. Die Sparkasse Hannover bietet ein großes Portfolio an fachlichen und persönlichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten und bildet Mitarbeiter in einem dreijährigen Trainingsprozess zu künftigen Führungskräften aus.

Reicht all das, damit neue Bewerber sich für eine Sparkasse begeistern und bestehende Mitarbeiter zufrieden sind? Es ist eine gute Basis, auf der allerdings kontinuierlich aufgebaut werden muss. Zum Beispiel, indem man versucht, die unterschiedlichen Zielgruppen besser zu verstehen und damit passgenauer bei den Angeboten agiert. Ein Mitarbeiter, der in den nächsten Jahren in den Ruhestand geht, hat andere Wünsche und Bedürfnisse als ein Trainee, der am Anfang seiner Karriere steht.

Darauf sollte zielgerichtet eingegangen werden. Darüber hinaus ist die Arbeit an partizipativen Prozessen wichtig. Aktuelles Beispiel: Auch nach der Pandemie soll möglichst vielen Mitarbeitern ein guter Rahmen geboten werden, mobil arbeiten zu können. Vertriebsmitarbeiter haben hier andere Anforderungen als Stabskollegen. Um sich ein Bild verschaffen zu können, werden daher in verschiedenen Einheiten Mobile Offices eingesetzt. Die Mitarbeiter sollen Anwendungen testen und dazu Feedback geben: Was taugt für den Arbeitsalltag und was nicht? Welche Tools braucht es noch? Und welche Skills brauchen Führungskräfte eigentlich, um ihre Mitarbeiter auch auf Distanz gut zu be gleiten?

Im Sommer liegen erste Ergebnisse aus dieser Pilot phase vor. Ziel ist es, am Ende eine Dienstvereinbarung zu schließen, die den Mitarbeitern einen attraktiven und verlässlichen Rahmen bietet. Alle Nachhaltigkeitsaktivitäten der Sparkasse Hannover stehen unter einem Motto. Es lautet: #wirsinddran. Das gilt auch für die Arbeit im Personalbereich: Wir sind dran.

Iris Heymann , Bereichsleiterin Personal, Sparkasse Hannover, Hannover
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