BANKENINFRASTRUKTUR

Die Bank auf dem Weg zur Plattform -Vorbild Amazon?

Dieter Jurgeit, Foto: Verband der PSD Banken

Die Zusammenarbeit mit Plattformen ist für Banken lohnend. Sie birgt aber zugleich die reale Gefahr, den Kontakt zum Kunden zu verlieren. Allzu sehr darauf verlassen sollten sich Banken und Sparkassen deshalb nicht, warnt Dieter Jurgeit. Im Wettbewerb mit Amazon, Paypal und Co. sei es vielmehr entscheidend, einerseits die Digitalisierung und Einbindung externer Plattformen voranzutreiben und andererseits mithilfe eines spezifischen Ökosystems als Ergänzung des Kerngeschäfts Zusatzerträge zu generieren. Red.

Ökosystem-Banking, Plattform-Banking, Open Banking, Embedded Banking, Beyond-Banking oder Banking-as-a-Service. Die Liste der Schlagwörter ist lang, wenn es um die Neugestaltung der Finanzbranche geht. Ja, es ist unbestritten, dass sich die Bankenwelt derzeit im Wandel befindet und auf die eine oder andere Weise "plattformisiert" wird. Dennoch stellt sich die Frage, was und vor allem wie der Kunde zukünftig Bankleistungen in Anspruch nehmen möchte.

Denn zwischen der Bank als umfassender Marktplatz à la Amazon und als spezialisierte Nischenanbieter liegt eine große Bandbreite an möglichen Ausgestaltungsformen. In Zusammenarbeit mit dem CFin - Research Center for Financial Services ist der Verband der PSD Banken dieser Frage in einer bevölkerungsrepräsentativen Studie auf den Grund gegangen.

Die Digitalisierung der Finanzbranche ist nicht erst seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie das zentrale Thema in den deutschen Bankhäusern. Dennoch war beziehungsweise ist die aktuelle Krise eine Art "Stresstest" für die Qualität der digitalen Prozesse innerhalb von Banken, da Filialen zum Großteil weder für die Kunden noch für die Mitarbeiter während des Lockdowns zugänglich waren. Auch wurde während der Pandemie schnell klar, dass ein digitales Angebot mehr umfassen muss als das reine Onlinebanking. Denn veränderte Kundenanforderungen - insbesondere jene der jungen Generation - fordern zunehmend digitale, innovative und nachhaltige Bankdienstleistungen. Dass sich Finanzdienstleister deshalb mit weit mehr Themen, wie zum Beispiel "Künstliche Intelligenz" oder "Banking-Ökosysteme" beschäftigen müssen, ist kaum verwunderlich, sondern notwendig, um sich weiterhin gegen die Konkurrenz rund um Paypal, Amazon und Co. zu erwehren

Alles wird digital

Der digitale Kanal ist seit einigen Jahren, neben dem Filialgeschäft, eine der tragenden Säulen im Kundengeschäft. Insbesondere in den letzten beiden Jahren hat dessen Nutzung stark an Momentum gewonnen. Während das "klassische" Onlinebanking vor dem Laptop oder PC tendenziell an Dynamik verloren hat, stieg die Nutzung von Mobile-Banking-Leistungen, also von Bankgeschäften mittels App, in den letzten fünf Jahren, um ganze 360 Prozent von 15 Prozent auf 54 Prozent stark an. Wird dem Kunden nur noch ein Kanal zur Verfügung gestellt, entscheiden sich in diesem Fall knapp 70 Prozent der Bankkunden für den digitalen Kanal. Voraussetzung für diese hohe Akzeptanz ist natürlich auch das damit einhergehende Angebot an digitalen Produkt- und Serviceprozessen. Profitieren konnten davon insbesondere Banken, welche ihre Prozesse bereits in den Jahren vor der Pandemie konsequent auf den digitalen Kanal verlagert haben.

Wurde in den vergangenen Jahren noch verstärkt auf Serviceleistungen und einfache Produkte gesetzt, so können sich mehr und mehr Bundesbürger vorstellen, auch komplexe Produkte, wie zum Beispiel den Privatkredit, vollständig digital abzuschließen. Bei der Baufinanzierung sind dies knapp 30 Prozent der Befragten. Diesen Trend haben die PSD Banken bereits früh erkannt und bieten seit 2019 als erster Anbieter in Deutschland eine volldigitale Antrags- und Abschlussstrecke für die Baufinanzierung an. Dabei erhält der Kunde im Prozess, welcher im responsiven Design für alle Endgeräte optimiert ist, bereits mit nur acht Eingaben ein individuelles Angebot.

Gute Banking-App wird zum Hygienefaktor

Die PSD Banken positionieren sich hier als digitaler Vorreiter, aber auch für andere Kernprodukte, wie zum Beispiel das Girokonto oder den Privatkredit existieren bereits schlanke, digitale Verkaufsstrecken. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich in der Zukunft weitere Banken in diesem Feld versuchen werden - stellt das Kreditgeschäft doch eine der wichtigsten Ertragssäulen im Bankgeschäft dar.

Neben dem reinen Funktionsumfang schätzen Kunden vor allem eine hohe Nutzerfreundlichkeit der Anwendung. Zwei Drittel der Befragten stufen demnach die Usability einer Anwendung höher ein als deren Funktionsvielfalt. Dies gilt im Besonderen für jüngere Kunden, sind diese doch durch Social-Media-Apps eine intuitive Bedienbarkeit gewöhnt. Eine gute und leistungsfähige Banking-App wird zukünftig zum Hygienefaktor werden. Denn vor allem junge Kunden wünschen sich Service- und Produktprozesse im Onlinebanking sowie in der Banking-App.

Videoberatung erhöht Erfolg digitaler Abschlüsse

Das vermehrte Nutzen von Onlinebanking veränderte auch die Notwendigkeit eines persönlichen Beraters. Vorwiegend im Anlagenbereich sehen sich viele Kunden als Selbstentscheider und verzichten auf eine Beratung, auch bedingt durch das Aufkommen der Neobroker. Kundentypen, die ihre finanzielle Entscheidung überwiegend selbst vornehmen, haben im Vergleich zu 2016 deutlich zugenommen.

Wer aber nun annehmen würde, dass insbesondere die junge Generation auf eine persönliche Beratung verzichtet, stellt überraschend fest, dass zwar auf Digitalisierung gesetzt wird, aber eine persönliche Beziehung zum Bankberater nach wie vor eine hohe Relevanz darstellt. Denn 47 Prozent der Jüngeren im Alter zwischen 16 und 35 Jahren stufen die Relevanz eines persönlichen Kundenbetreuers nach wie vor als wichtig ein.

Die aktuelle Strategie der PSD Bankengruppe zahlt dabei auf diese Entwicklung ein. Ziel ist die größtmögliche Digitalisierung im standardisierten Mengengeschäft bei gleichzeitiger gezielter Beratung unter dem Einsatz innovativer Technik im Beratungsgeschäft. Ein Tool, das dabei zum Einsatz kommt, ist die Videoberatung, die durch die Pandemie noch stärker in den Fokus gerückt ist.

Dass diese Form der Beratung die Erfolgswahrscheinlichkeit eines digitalen Produktabschlusses signifikant erhöht, konnte die Studie des CFin - Research Center for Financial Services deutlich unterstreichen. Auch hier sind die Werte für die junge Altersgruppe besonders hoch. Knapp jeder Zweite würde Produkte im Kreditgeschäft (wie Privatkredit oder Baufinanzierung) direkt digital mit unterstützender Videoberatung abschließen.

Auch der Zahlungsverkehr ist von der Digitalisierung nicht ausgeschlossen. Basierend auf den Ergebnissen der Studie können sich bereits 35 Prozent der Bundesbürger vorstellen, komplett auf Bargeld zu verzichten. Dabei werden insbesondere moderne, innovative Bezahlverfahren immer wichtiger. Allen voran sind dabei Zahlungen per Smartphone, zum Beispiel mittels Google Pay oder Apple Pay.

Von der Vertriebsplattform zum Ökosystem

Neben der Etablierung digitaler Prozesse spielt die Einbindung von Plattformen in das eigene Leistungsportfolio eine zentrale Rolle. Dies kann auf zweierlei Arten geschehen: entweder als Produktzulieferer an eine andere Plattform oder als Betreiber einer eigenen Plattform.

Das Modell des Produktzulieferers existiert im Bankenbereich schon seit längerer Zeit. Bekannte Vergleichsplattformen, wie Check24, Interhyp oder Finanzcheck nutzen das Bedürfnis nach einer gewissen Transparenz des Angebots aus. Der Studie zufolge führen im Durchschnitt 70 Prozent der Befragten einen Preisvergleich im Internet durch, bevor sie ein Finanzprodukt erwerben. Auch deshalb ist der Vertriebskanal "Plattform" sehr wichtig für Banken. Bezogen auf die PSD Bankengruppe wurde im Baufinanzierungsgeschäft im Jahr 2020 knapp die Hälfte des Neugeschäfts über Plattformen realisiert, was deren Stellenwert nochmals unterstreicht.

Dennoch birgt diese Form des Vertriebs auch eine Gefahr. Der Verlust des Front-Ends, also des direkten Kontakts zum Kunden, ist umso wahrscheinlicher, je mehr die Plattform im Beratungsprozess übernimmt. War es anfangs noch der reine Preisvergleich, mit welchem die Plattformen warben, so wird heutzutage ein ganzes Bündel an Aufgaben angeboten. Neben der reinen Beratung und dem vorbereitenden Produktabschluss bieten Plattformen zunehmend auch weitere (bankfremde) Leistungen für den Kunden an.

Aus diesem Grund stellen Banken zunehmend Überlegungen an, eigene Plattformen zu gründen. Auch einige PSD Banken haben sich dieses Themas vor einiger Zeit angenommen und ein eigenes Ökosystem für das Thema "Bauen und Wohnen" entwickelt. Unter dem Namen "PIA", das Akronym für "Persönliche Immobilien Assistentin" existiert eine Lösung, die dem Kunden im Rahmen seiner Immobilienbelange verschiedene Leistungen anbietet. PIA unterstützt sowohl beim Kauf und Verkauf, beim Bau sowie bei der Modernisierung der Immobilie, zum Beispiel mittels digitaler Bewertungstools, Finanzierungsrechner oder einer Modernisierungsberatung.

Andere Banken gehen noch einen Schritt weiter. Unter dem Begriff "Beyond Banking" stellen Finanzdienstleister ihren Kunden bankfremde Produkte und Leistungen zum Kauf zur Verfügung. Ein Beispiel dafür ist die BBVA, die zweitgrößte Bank Spaniens, welche unter der Plattform "De Compras" ihren Kunden Elektrogeräte, Sportartikel oder Hygieneprodukte anbietet. Ob die Einführung der Lösung für die BBVA ein großer Erfolg wird, ist abhängig vom erfolgreichen Markteintritt sowie der Kundenreaktion auf einen Bankanbieter, der versucht, Relevanz in einzelnen Lebensbedürfnissen des Kunden zu erzielen. Dennoch ist festzuhalten, dass Plattformen vor allem zwei Kernbedürfnisse des Kunden erfüllen. Preistransparenz auf der einen Seite und eine Fülle an Leistungen aus einer Hand auf der anderen Seite.

Effizienz im Backoffice fördert Nachhaltigkeit

Egal ob Produktlieferant oder Ökosystem - mit zunehmender Fokussierung auf den Vertrieb stehen Banken vor der Herausforderung, ihr Backoffice möglichst effektiv zu gestalten. Neue Trends und Technologien ermöglichen eine Verschlankung und Verbesserung bestehender Prozesse. Dies ist auch notwendig, denn besonders die Generation Z ist in Zeiten von Instagram, Tiktok und Co. daran gewöhnt, Leistungen ohne Verzögerung zu erhalten. Für Banken bedeutet dies, ein möglichst hohes Maß an Standardisierung und Automatisierung im Backoffice zu ermöglichen. Dieser Entwicklung zollt die PSD Bankengruppe mit mehreren Strategieprojekten Rechnung.

Unter anderem realisieren die PSD Banken - in Zusammenarbeit mit dem auf Künstliche Intelligenz spezialisierten Unternehmen Insiders Technologies - eine vollständige digitale Auftragsverarbeitung, welche einerseits dazu beiträgt, Kosten einzusparen und andererseits die Wartezeiten für den Kunden reduziert. Hierbei werden die eintreffenden Kundenwünsche in 360 Dokumentenklassen vollautomatisiert erkannt und weiterverarbeitet. Ziel ist hier die komplette Vollautomation.

Eine nachhaltige Positionierung der Hausbank ist nach Erkenntnis der Studie für 70 Prozent der Befragten wichtig beziehungsweise sehr wichtig. In der jungen Bevölkerung steigt der Wert sogar auf 80 Prozent. Zum Thema "Green Finance" und Nachhaltigkeit hat der Verband der PSD Banken ein bundesweites Projekt initiiert, welches die Grundlagen für die strategische Implementierung des Nachhaltigkeitsmanagements in den Banken schaffen soll.

Neben effizienten Prozessen liefert das Backoffice durch die Auswertung von Kundendaten auch wichtige Vertriebsimpulse. Dies kann natürlich nur unter Zustimmung des Kunden erfolgen. Knapp jeder Zweite der Befragten (45 Prozent) wäre bereit, diese zu teilen, jedoch nur im Austausch einer bestimmten Gegenleistung, wie zum Beispiel dem Angebot von maßgeschneiderten Produkten. Auch die PSD Bankengruppe setzt Tools zur intelligenten Datenauswertung ein. Unter dem Namen Smart Data werden Vertriebsimpulse für die unterschiedlichen Vertriebskanäle generiert und für den Kunden passgenaue Angebote entwickelt.

Die Kombination entscheidet

Die Frage, welches Modell der Prototyp für das zukünftige Bankgeschäft darstellt, lässt sich heute noch nicht final beantworten. Ob nun die Fokussierung auf das eigene Kerngeschäft oder das zusätzliche Betreiben eines umfangreichen Ökosystems vorteilhaft für eine Bank ist, hängt nicht nur von den Bedürfnissen der eigenen Kunden ab, sondern auch vom bankindividuellen Know-how. Finanzdienstleister, die bereits gute Abschlussstrecken für ihre Kernprodukte besitzen, sind gut beraten, diese auch zu nutzen.

Externe Vergleichsplattformen wie auch Baufi-Vermittlungsplattformen werden auch in Zukunft das eigene Angebotsportfolio erweitern und zusätzliche Leads generieren. Zu sehr sollte man sich aber nicht auf diese Art der Plattformen beschränken - der Verlust der Kundenschnittstelle ist eine reale Gefahr! Es gilt also eine gesunde Mischung zu finden. Einerseits gilt es, die Digitalisierung und Automatisierung der Kernprodukte sowie die Einbindung von Vertriebsplattformen voranzutreiben. Andererseits kann ein spezifisches Ökosystem als Ergänzung des Kerngeschäfts dazu beitragen, Zusatzerträge zu generieren und den Kunden langfristig zu binden. Die Kombination aus beiden wird langfristig helfen, sich auch in Zukunft gegen die Konkurrenz rund um Paypal, Amazon und Co. zu erwehren.

Dieter Jurgeit , Vorstandsvorsitzender , Verband der PSD Banken e.V., Bonn
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