ZIELGRUPPEN

Bankkundentypen 2020: Wenig Erfreuliches für Genossenschaftsbanken

Swantje Benkelberg, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Klassische Kundensegmentierungskriterien verlieren im digitalen Zeitalter immer mehr an Bedeutung. Für das Jahr 2020 hat Yougov sechs Typen von Bankkunden ausgemacht, darunter einen ganz neuen Typus: den digitalen Enthusiasten, für den selbst Direktbanken schon fast ein alter Hut sind. Vor allem Genossenschaftsbanken stehen dieser Kundentypologie zufolge vor der Herausforderung, digitalaffine Zielgruppen anzusprechen, gleichzeitig aber auch schwierige Kundengruppen adäquat zu bedienen, die in ihrem Kundenstamm einen überdurchschnittlich hohen Anteil ausmachen. (Red.)

Die richtige Kundensegmentierung gilt seit jeher als Schlüssel zur Kundenbindung und zu für beide Seiten erfolg reichen (und damit auch für die Banken profitable) Geschäftsbeziehung. Die klassischen Kriterien nach soziodemografischen Kriterien wie Alter oder Einkommen haben dabei im digitalen Zeitalter vielleicht nicht vollständig ausgedient. Sie müssen aber zunehmend um neue Merkmale aus dem Bereich des Umgangs mit digitalen Medien ergänzt und vor allem neu gewichtet werden.

Mit welchen Kundentypen es Banken heute zu tun haben, hat das Marktforschungsunternehmen Yougov in der Studie "Bankkundentypen 2020" zusammengestellt und dabei sechs Typen ausgemacht, die in gewissem Sinne alle Vorurteile bestätigen: argwöhnisch bis ängstlich sind vor allem (ältere) Frauen, digital unterwegs, ausgabe- und investitionsfreudig vor allem (junge)Männer.

Argwöhnische Offliner - die schwierigste Klientel

Der für Banken vermutlich schwierigste Kunde ist der "argwöhnische Offliner". Er beziehungsweise sie (denn 61 Prozent der Kunden dieses Typs sind Frauen) ist wenig technikaffin, sorgt sich um Datenschutz und bezahlt am liebsten mit Bargeld. Das Vertrauen in den Bankensektor ist sehr gering - mit der Folge, dass diese Kunden auch wenig Interesse an Investitions- und Anlagemöglichkeiten haben und Schulden für sie undenkbar sind. Auch vom Einkommen her ist das die am wenigsten attraktive Klientel. 43 Prozent verfügen über ein Haushaltsnettoeinkommen bis 1 500 Euro, nur jeder Fünfte kommt auf ein Haushaltseinkommen von 3 000 Euro und mehr. Mehr als die Hälfte dieser Kunden findet sich in der Altersgruppe 55 plus, insgesamt drei Viertel (76 Prozent) sind 45 Jahre und älter. Tendenziell scheint es sich bei den argwöhnischen Offlinern also um eine aussterbende Klientel zu handeln.

Mit dieser eher schwierigen Kundengruppe müssen sich vor allem "typische gemeinnützige Universalbanken" (gemeint sind wohl vor allem Sparkassen) und Genossenschaftsbanken befassen. Bei ihnen ist der Anteil der "argwöhnischen Offliner" mit 17 beziehungsweise 14 Prozent an der Gesamtkundschaft am höchsten. Am geringsten fällt er bei den Direktbanken aus. Doch auch bei ihnen ist fast jeder zehnte Kunde (9 Prozent) dieser Gruppe zuzuordnen. Im Schnitt über alle Bankengruppen hinweg machen sie 15 Prozent der Bankkunden aus.

Traditionelle Finanzexperten vor allem bei Genossenschaftsbanken

Auch die "traditionellen Finanzexperten" sind aus Sorge um den Datenschutz im Internet nur wenig digital unterwegs. Für die Verwaltung ihrer eigenen Finanzen benötigen sie aber auch kein Wissen aus dem Internet, weil sie ausreichend informiert sind. Wie die Argwöhnischen sind auch sie nicht an Investitionen und Anlagemöglichkeiten interessiert, sie nehmen im Zweifelsfall jedoch Schulden in Kauf. Sie sind die Kundengruppe mit der dritthöchsten Wohneigentumsquote (55 Prozent). Bargeld bleibt auch bei ihnen die Bezahlart der Wahl. 60 Prozent von ihnen sind Frauen, die Altersstruktur ist fast identisch mit den "Argwöhnischen".

Kunde sind diese Traditionalisten überdurchschnittlich oft bei einer Genossenschaftsbank: Ihr Anteil an allen Bankkunden wird in der Studie mit 17 Prozent angegeben, bei den Genossenschaftsbanken machen sie fast ein Viertel der Kundschaft aus. Überspitzt formuliert könnte man sagen: Die Genossenschaftsbanken haben ein Problem mit älteren Kundinnen. Insgesamt 37 Prozent ihres Kundenstamms entfallen auf die "argwöhnischen Offliner" und die "traditionellen Finanzexperten", bei den Sparkassen sind es 34 Prozent - gegenüber 25 Prozent bei den Direktbanken.

Sorglose Konsumfreudige offen für Kreditaufnahme

Ebenfalls mehrheitlich (57 Prozent) der Altersgruppe 45 plus zuzuordnen sind die "sorglosen Konsumfreudigen". Von ihnen sind 53 Prozent Männer. Sie geben gerne Geld aus, sind aber beim Umgang mit ihren eigenen Finanzen eher unsicher, weshalb auch das Investitionsinteresse gering ist. Finanzdienstleistern wird nicht besonders stark vertraut. Um die Konsumfreude auszuleben, liegt für diese Kunden die Kreditaufnahme jedoch durchaus im Rahmen des Möglichen. Vom Einkommen her sind sie eine vergleichsweise attraktive Klientel. 38 Prozent von ihnen verfügen (genau wie bei den Traditionalisten) über ein Haushaltsnettoeinkommen über 3 000 Euro. Eine Kundenbeziehung unterhält diese Klientel am seltensten zu Autobanken (12 Prozent an der Gesamtkundschaft) sowie Sparkassen und Genossenschaftsbanken (17 Prozent), bei Direktbanken und Universalbanken stellen sie jeden fünften Kunden.

Ängstlichen Onlinern fehlt es an Finanzbildung

Typ vier ist der "ängstliche Onliner": weiblich (58 Prozent), in allen Altersgruppen mit einem zweistelligen Prozentanteil vertreten, am zweitseltensten (übertroffen nur von den "argwöhnischen Offlinern") mit Universitätsabschluss und Wohneigentum. Diese Kundengruppe nutzt gern neue Technologien, ist aber nur selten (12 Prozent) Kunde einer Direktbank. Am häufigsten findet sie sich im Kundenportfolio von Autobanken, bei denen jeder vierte Kunde (24 Prozent) diesem Typus zuzuordnen ist.

Die Finanzexpertise der ängstlichen Onliner ist eher überschaubar, durch Finanzthemen fühlen sie sich schnell verunsichert. Schulden würden diese Gruppe emotional stark belasten, Banken und Finanzdienstleister sind für sie ein rotes Tuch.

Digitale Enthusiasten an Fintechs interessiert

Die digitalen Enthusiasten sind die Early Adopter unter den Bankkunden. Typischerweise handelt es sich bei ihnen um gut verdienende junge Männer. 62 Prozent von ihnen sind männlich, 42 Prozent verfügen über ein Haushaltsnettoeinkommen von über 3 000 Euro. In den Altersgruppen 18 bis 24 Jahre sowie 25 bis 34 Jahre stellen sie den größten Anteil an den Bankkunden insgesamt (17 beziehungsweise 26 Prozent). Insgesamt ist nur knapp jeder zehnte Kunde dieser Gruppe zuzuordnen. Diese intensiven Internetnutzer sind finanziell zuversichtlich. Bei Investitionen zeigen sie eine höhere Risikobereitschaft. Grundsätzlich sind sie an Gewinnen und Renditen interessiert und beschreiben sich als gute Sparer. Fast drei Viertel von ihnen besitzen Geldanlageprodukte (73 Prozent). Damit werden sie beim Besitz von Geldanlageprodukten nur von den digitalen Finanzexperten übertroffen. Die Wohneigentumsquote ist mit 72 Prozent bei ihnen am höchsten.

In Finanzdienstleister haben die digitalen Enthusiasten ein grundsätzliches Vertrauen, obwohl sie Banken gegenüber kritisch bleiben. Von allen Kundengruppen nutzen sie am häufigsten Mobile Banking (60 Prozent) - obwohl sie auch am häufigsten schon einmal Opfer von Online Betrug geworden sind. Eine Kundenbeziehung unterhalten die digitalen Enthusiasten erwartungsgemäß überdurchschnittlich häufig zu Direktbanken, bei denen 15 Prozent der Kunden auf diese Gruppe entfallen. Doch selbst Direktbanken sind für diese Gruppe im Grunde schon wieder ein alter Hut, sie gehen bereits weiter in Richtung Fintechs. Am seltensten sind sie Kunde bei Genossenschaftsbanken und Autobanken (5 beziehungsweise 4 Prozent aller Kunden). Das ist eine wenig erfreuliche Perspektive: Die "Kunden von morgen" sind im Grunde heute schon wieder weg, ihnen können viele Banken nur noch hinterherlaufen.

Digitale Finanzexperten sind anlagefreudig

Ebenfalls männlich, aber tendenziell etwas älter als die digitalen Enthusiasten sind die "digitalen Finanzexperten". Sie verfügen über ein breites Wissen im Bereich Finanzen und eine grundlegende Anlagebereitschaft, die vermutlich unter anderem der guten Einkommenssituation zu verdanken ist: 51 Prozent der Kunden dieser Gruppe verfügen über ein Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 3 000 Euro. Dank ihrer Planungsfähigkeit benötigen sie Kredite nur in Notfällen. Neue Technologien nehmen sie an und nutzen die Möglichkeiten des Internets intensiv - allerdings nur, solange der Datenschutz gewährleistet wird. Denn dieses Thema hat für diese Gruppe - das Kundensegment mit dem höchsten Akademikeranteil (35 Prozent) hohe Priorität.

Insgesamt ist jeder fünfte Bankkunde (21 Prozent) diesem Segment zuzuordnen. In den Kundenportfolios der Autobanken machen sie einen Anteil von 38 Prozent aus. Auch bei den Direktbanken finden sie sich überdurchschnittlich häufig (28 Prozent), bei den Sparkassen und den Genossenschaftsbanken sind sie nur durchschnittlich oft vertreten (20 beziehungsweise 22 Prozent der Kunden). Der anlagefreudigste Kundentyp ist also bei den Primärinstituten der beiden Verbünde am wenigsten vertreten, was für die Beratung eine Herausforderung darstellt und auch im Hinblick auf die Negativzinsthematik nicht unproblematisch ist.

Vertrauensbildung: eine Aufgabe für Genossen und Sparkassen

Was heißt das alles für die Kundenansprache? Bei denjenigen Kundensegmenten, die nur geringes Vertrauen in Finanzdienstleister und deren Services haben, etwa bei Datenschutz oder Kreditangeboten, muss es die zentrale Herausforderung sein, Vertrauen aufzubauen. Nur so kann es gelingen, diese Segmente dauerhaft an die Marke beziehungsweise Bank zu binden und Upselling zu betreiben.

Vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben hier eine Aufgabe - nicht weil das Vertrauen der Gesamtbevölkerung in die Institute der beiden Verbünde besonders gering wäre - dass das Gegenteil der Fall ist, zeigen Umfragen immer wieder -, sondern weil bei ihnen der Anteil derjenigen Kunden, die skeptisch und bankenkritisch sind, besonders hoch ist. Die "argwöhnischen Offliner" und die "ängstlichen Onliner" machen zusammen 38 Prozent der Sparkassenkunden beziehungsweise 33 Prozent der Kunden von Genossenschaftsbanken aus.

Digitalaffine Zielgruppen über Social Media ansprechen

Die digitalen Enthusiasten, die digitalen Finanzexperten, aber auch die ängstlichen Onliner, so rät es Yougov, sollten gezielt bei der Online Ansprache berücksichtigt werden - über Social Media und mit für diese Segmente geeigneten Inhalten. Das können beispielsweise bei den digitalen Finanzexperten Anlagethemen sein, bei den digitalen Enthusiasten Apps oder moderne Bezahlarten wie Google Pay oder Apple Pay. Bei den sorglosen Konsumfreudigen bieten sich zum Beispiel rund um die Urlaubssaison oder Weihnachten Kreditangebote an.

Insgesamt gilt: Insbesondere die sehr digitalaffinen Zielgruppen müssen in ihrer digitalen Lebenswelt angesprochen und abgeholt werden. Sie fordern neuere automatisierte Services und benötigen weniger Vor Ort Beratung,

dafür jedoch zum Beispiel Rund-um-die Uhr Support via Chatbot. Für die Filialbanken bedeuten somit auch die neuen Kundentypen, dass es beim Spagat zwischen digitaler Weiterentwicklung und Filialvertrieb bleiben muss.

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, bank und markt, Verlag Fritz Knapp, Frankfurt am Main
Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag

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