ALTERSVORSORGE

Chancen und Tücken der betrieblichen Altersvorsorge

Franz Erich Kollroß, Foto: BVUK. Gruppe

Im Zusammenhang mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz herrscht immer noch Unsicherheit, sagt Franz Erich Kollroß und gibt daran nicht zuletzt der Politik die Schuld. Er wirft denn auch die Frage auf, ob bei der bAV nicht noch einmal nachgebessert werden müsste. Seine These: Mit dem Sozialpartnermodell wälzt der Gesetzgeber die Verantwortung auf die Tarifparteien ab, um eigene Versäumnisse zu korrigieren. Mit einer flächendeckenden Verbreitung von Betriebsrenten nach dem neuen Modell ist nicht zu rechnen. Red.

Der Fachkräftemangel ist längst kein Phänomen mehr, das sich ausschließlich auf handwerkliche Berufe bezieht. Im Gegenteil, Unternehmen verschiedenster Branchen klagen über fehlende, gut ausgebildete Mitarbeiter - so auch viele Versicherungen und Banken. Einhergehend mit dieser Problematik ist der Druck vieler Unternehmen, sich als möglichst attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Denn wird ihm anderswo mehr geboten, wechselt der Mitarbeiter schnell zur Konkurrenz.

Gegensteuern kann nur, wer sich intensiv mit den Wünschen der Arbeitnehmer auseinandersetzt. Und diese beinhalten immer öfter auch eine betriebliche Altersvorsorge. Eine Befragung von Willis Towers Watson aus dem Jahr 2018 zeigt sogar: Für über 74 Prozent der befragten Arbeitnehmer ist es bedeutend, dass sie von ihrem Arbeitgeber bei der Altersvorsorge unterstützt werden. Fast 60 Prozent geben an, dass eine bedarfsgerechte bAV für sie ein wich tiger Grund ist, bei ihrem aktuellen Arbeitgeber zu bleiben.

Auf den ersten Blick kein wichtiger Benefit

Im Gegensatz zum Firmenwagen oder der Mitgliedschaft im örtlichen Fitnessstudio ist eine bAV zuerst einmal kein sichtbarer Benefit. Genauer betrachtet, bringt sie dem Arbeitnehmer jedoch erheblich mehr. Besonders im Licht der aktuellen Rentenentwicklung wird deutlich, wie viel genau: Denn bis zum Jahr 2030 soll das Rentenniveau auf bloße 43 Prozent sinken. Zwar sinken die Renten dadurch nicht automatisch, steigen jedoch langsamer als die Löhne. Um das absinkende Rentenniveau zu kompensieren, ist ein individuell erstelltes Vorsorgekonzept zur Betriebsrente, sowie womöglich eine Absicherung der Berufsunfähigkeit, mehr als sinnvoll.

Viele Informationen rund um die betriebliche Altersvorsorge sind bereits hinlänglich bekannt, andere hingegen sind in ihrer Komplexität kaum zu überbieten. Besonders das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) tut sich in diesem Zusammenhang immer wieder hervor. In Kraft getreten am 1. Januar 2018, soll das BRSG dazu beitragen, die betriebliche Altersvorsorge weiter zu verbreiten, besonders in mittelgroßen und kleinen Unternehmen.

Zu Beginn 2019 wurde die zweite Stufe des Gesetzes eingeführt, nachdem ein Zuschuss für alle Arbeitgeber bei Neuabschlüssen in der betrieblichen Altersvorsorge obligatorisch ist. Dieser Zuschuss liegt bei 15 Prozent und entspricht dem Anteil, den das Unternehmen durch die Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers an Sozialversicherungsbeiträgen spart. Dies gilt für die bAV in Form einer Direktversicherung, der Pensionskasse und des Pensionsfonds.

Durch das BRSG kam es jedoch nicht nur zu Änderungen an bestehenden Regelungen, es wurde vor allem auch das Sozialpartnermodell, auch bekannt als "Nahles-Rente" eingeführt, welches sich explizit an Tarifvertragsparteien richtet. Diese sind durch das Modell verantwortlich dafür, dass die betrieblichen Versorgungssysteme ausgehandelt werden. Im Gegensatz zu den anderen fünf Durchführungswegen haftet der Arbeitgeber hier nicht für eine Garantierente, sondern er zahlt lediglich einen vereinbarten Betrag an die Versorgungseinrichtung.

Das Sozialpartnermodell - Hürde oder Möglichkeit?

Doch an dieser Stelle zeigen sich einige Probleme. Denn auch wenn das BRSG bereits über zwei Jahre alt ist: Bis heute ist kein Sozialpartnermodell in Kraft getreten, es gibt noch immer kein Pilotprojekt. Woran liegt das? Zum einen war es für die betreffenden Parteien bereits eine Herausforderung, vorab genügend Basiswissen aufzubauen.

Eine Studie von Axa und der V.E.R.S. Leipzig GmbH aus dem September 2018 zeigte, dass ganze 25 Prozent der befragten Arbeitgeberverbände ihren Wissen stand zur bAV zum damaligen Zeitpunkt als maximal "mittelmäßig" bezeichneten. Mit 11 Prozent sah es bei den befragten Gewerkschaften zwar durchaus besser aus, ideal war diese Ausgangslage dennoch nicht, zumal genau diesen Tarifvertragspartnern vom Gesetzgeber eine hauptsächliche Verantwortung bei der Etablierung der Sozialpartnermodelle zugesprochen wurde. Vonseiten der Politik wurden jedoch nur unzureichend Informationen vermittelt, was dazu führte, dass bis heute Unsicherheit herrscht.

BRSG noch einmal nachbessern?

Diese Unsicherheit paart sich mit dem altbekannten Wunsch der Deutschen nach Sicherheit. Genau diese gibt es für Arbeitnehmer durch die reine Beitragszusage aber nicht. Zwar lassen sich Beiträge durch den Garantiewegfall flexibler anlegen, jedoch fehlt noch das Vertrauen in diese Art Modell - und solange niemand die Hürden nimmt und ein anschauliches, funktionierendes Beispiel dieser bisher eher theoretischen Regelungen präsentiert, wird sich dies nicht maßgeblich ändern.

Es zeigt sich: Eine betriebliche Altersvorsorge lohnt sich durchaus für verschiedenste Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe. Während die ergänzende Vorsorge es Arbeitnehmern möglich macht, finanzielle Risiken im Alter einzudämmen, haben Arbeitgeber im Gegenzug die Chance, sich durch das Angebot eines solchen Mitarbeiterbenefits als attraktives Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren.

Das BRSG zeigt jedoch: Teile der bAV kränkeln in ihrer aktuellen Form und sollten unter Umständen noch einmal überarbeitet werden. Denn es führt nicht weiter, wenn der Gesetzgeber Verantwortlichkeiten zu großen Teilen auf andere Parteien abwälzt, um eigene Versäumnisse und Schwächen zu richten.

Keine flächendeckende Verbreitung zu erwarten

Die bAV leidet vor allem darunter, dass mit stillschweigender Billigung des Staates der Zinseszinseffekt faktisch abgeschafft wurde, sodass sich die 2002 vielgepriesene kapitalgedeckte Altersversorgung als Alternative und Ergänzung zum Umlagesystem kaum noch rentiert. Deshalb beschleicht Arbeitgeber wie Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem BRSG auch der Zweifel, ob das gesetzliche Garantieverbot wirklich zu höheren Renten führen wird, wie die Protagonisten des Sozialpartnermodells eloquent behaupten.

Während sich die Arbeitgeber ferner die reine Beitragszusage auch auf der Ebene von Betriebsvereinbarungen wünschen und den Sicherungsbeitrag am liebsten in der Versenkung verschwunden sehen möchten, trauern die Arbeitnehmer vor allem der Möglichkeit nach, die Leistung auch kapitalisieren zu können.

Nachdem jede Seite sehr grundsätzliche Änderungswünsche am Sozialpartnermodell hat, ist nicht damit zu rechnen, dass diese Variante einer kapitalgedeckten zusätzlichen Altersversorgung flächendeckende Verbreitung erfahren wird, obwohl demografisch weiterhin geschwächte Rentenerwartungen zur Sicherung des Lebensstandards dringend einer nachhaltigen Ergänzung bedürften.

Franz Erich Kollroß, Rechtsanwalt und Chefsyndikus, BVUK. Gruppe, Würzburg

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