Privatkundengeschäft

Co-Creation - Finanzprodukte mit Erlebnisfaktor

Pierre Stern, Senior Financial Consultant, Taunus Sparkasse, Bad Homburg, und Doktorand, Middlesex University, London

Communities sind in der digitalen Gesellschaft im Trend. Dafür kann auch die Bankenbranche profitieren, so Pierre Stern. Er beobachtet eine spürbare Tendenz, Kunden verstärkt in die Unternehmensaktivitäten in bislang rein internen Bereichen zu integrieren, um so die Kundenloyalität zu stärken. Dadurch kommt es auch zu einem Paradigmenwechsel im Marketing, das weniger unternehmensgetrieben und stärker kundengetrieben wird. Der Zeitpunkt für mehr Co-Creation ist nach Einschätzung des Autors durch die PSD2 günstig. Es gibt auch schon eine Reihe von Praxisbeispielen. Red.

Finanzprodukte werden von Kunden nur unzureichend mit Erlebniswerten in Verbindung gebracht. Dabei steht für die Sparkassen der Erlebnisfaktor als essenzielles Kriterium fest, um unter standardisierten Finanzprodukten emotionale Faktoren zu vermitteln. Sicherlich liegen die Ursachen durch die Komplexität sowie abstrakte Form von Finanzdienstleistungen begründet.

Man kann Argumente aufzählen, die neben den materiellen Aspekten, immaterielle Werte in die Customer Experience einfließen lassen. Hierzu tendieren vorwiegend die persönliche Beratung sowie die Beziehung zur Marke (Sparkasse) mit ihrer umfassenden Multikanalstrategie. Darunter können Wohlfühlfaktoren wie Zuverlässigkeit, Vertrauen und Expertise assoziiert werden.

Kunden in Unternehmensaktivitäten integrieren

Um im Wettbewerb Differenzierungsvorteile zu erzielen, sind jedoch weitere Initiativen erforderlich. In letzter Zeit erfahren Entwicklungen in den Bereichen Crowdsourcing, Open Innovation oder Communitynetzwerke erhöhte Aufmerksamkeit. Hierzu scheint eine spürbare Tendenz dahingehend zu laufen, Kunden verstärkt in die Unternehmensaktivitäten zu integrieren, mit dem Ergebnis, gefestigte Loyalitätsfaktoren von Kunden festzustellen. Hierzu liegen weitreichende Erkenntnisse aus Theorie und Praxis vor, um geeignete Verfahren zu pilotieren. Darunter sind nicht ausgelagerte Tätigkeiten, im Sinne der Selbstbedienungstechnik oder das Online- Banking gemeint. Es handelt sich vielmehr um die überwiegend abgeschotteten, hierarchisch geprägten, internen Bereiche der Sparkasseninstitute. Die Rollenteilung zwischen Anbieter und Kunden in der Leistungserstellung sollten jedoch nicht mehr unterschieden werden, sondern als Prozess gemeinsamer Wertschöpfung betrachtet werden.

Die Kreativität, im Sinne des Open Innovation Ansatzes, führt zu neuartigen Produkten und Dienstleistungen, die von Kunden mitgetragen werden und insofern für sie einen Mehrwert generieren, der auch unter Nichtkunden Beachtung findet. Das Konzept der Co-Creation scheint vielfältige Vorteile zu bieten, wie sie bereits von unzähligen Anbietern diverser Branchen (etwa BMW, Lego, Ritter Sport, P&G, Adidas.) mit Erfolg praktiziert werden. Durch die integrative Beteiligung der Kunden im Unternehmen sind positive Effekte zur Markentreue und Markenzufriedenheit festzustellen.

Marketing wird interaktiv und kundengetrieben

Die neue Maxime der Unternehmensführung sollte sich nicht ausschließlich auf den Absatz von Produkten fokussieren, sondern parallel auf den Einbezug von kokreativen Elementen, in Form von Erfahrungen und Interaktionen aus dem Lebensumfeld des Kunden. Das Marketing handelt insofern nicht nur intern, unternehmensgetrieben sondern zusehends interaktiv und kundengetrieben.

Unter Begriffen wie "Brand Co-Creation" erfahren die bisherigen traditionellen Markenauffassungen eine erweiterte Perspektive. Hierzu werden Erfahrungen und Erlebnisse von Kunden im Kontext der Co-Creation verknüpft, um die Beziehungen zu einer Marke zu erhöhen.

Neue Möglichkeiten durch die PSD2

Naheliegend scheint der Einwand, dass dies mit Finanzdienstleistungen kaum zu bewältigen sei. Diese Bestrebungen werden von unzähligen Kritikern mit spürbarem Koordinationsaufwand sowie hoher Komplexität begründet.

Es wäre jedoch aus aktueller Sicht ein guter Zeitpunkt, die kollaborierende Marketingstrategie mit weiteren Geschäftsfeldern zu verknüpfen. Mit der neuen PSD2-Richtlinie, die oftmals als Bedrohung für Banken abgetan wird, wäre der umgekehrte Fall, nämlich in neue Geschäftsfelder vorzudringen, nicht abwegig.

Zahlreiche Praxisbeispiele aus dem Bankgewerbe

Zahlreiche Praxisbeispiele liegen bereits vor, die durchaus Potenzial bieten.

- Ein gelungenes Projekt der Kundenbeteiligung führt die Sparkasse Lüneburg durch, in der Vereine eingeladen werden, sich für ein Sponsoringprojekt zu bewerben, die im Nachgang für die Kunden zur Abstimmung offeriert werden.

- Die Comdirect Bank fördert soziale Projekte, in der Läufer ihre gelaufenen Kilometer mit einer App zur Abstimmung stellen.

- Bei der Fidor Bank werden die Kunden durch eine Community beraten und erhalten für Ideenvorschläge Bonigutschriften

- Ähnlich positioniert sich die Plattform Wikifolio, in der Kunden eigene Zertifikate kreieren und eine eigene WKN für den Börsenhandel erhalten. Mittlerweile ist Wikifolio in sämtlichen Fachpublikationen etabliert und im Handelsblatt als Benchmarkportfolio täglich ersichtlich.

- Als weiteres Beispiel dient die Innovationsplattform der österreichischen Sparkassen, in der Kunden zu speziellen Projekten animiert werden mitzuwirken.

- Seit Kurzem wurde der Sparkassen-Innovation-Hub geschaffen, um Kunden in diverse Produkttests mit einzubeziehen.

Es tut sich also etwas. In den letzten Jahren haben sich in den Sparkassenprozessen signifikante Optimierungsmaßnahmen hinsichtlich der Kosteneffizienz vollzogen. Nun gilt es wieder, den Blick auf die Ertragsseite zu werfen und mit ähnlichem Spirit neue Strategieperspektiven auszutesten.

Zum Autor Pierre Stern, Senior Financial Consultant, Taunus Sparkasse, Bad Homburg, und Doktorand, Middlesex University, London
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