Robo Advisor

Die digitale Vermögensverwaltung ist sinnvoll

Andreas Telschow, Anlageexperte, Fidelity International, Kronberg im Taunus
Quelle: Fidelity International

Von der digitalen Vermögensverwaltung profitieren Banken und Kunden gleichermaßen. Denn mit den digitalen Angeboten, die zu den Gewohnheiten der Digital Natives passen, lässt sich auf den wachsenden Beratungsbedarf einer nicht immer beratungsaffinen Zielgruppe reagieren. Das ermöglicht es, neue Zielgruppen zu erschließen. Eine Kannibalisierung der Wertpapierberatung sieht Andreas Telschow deshalb nicht. Vielmehr biete die digitale Vermögensverwaltung die Chance, die Geldanlage zu demokratisieren und aus Sparern Anleger zu machen. Red.

Die Digitalisierung verändert den Alltag. So nutzen viele Menschen digitale Plattformen, um Musik zu hören, Filme zu schauen oder einzukaufen. Das prägt auch die Erwartungen vieler Kunden bei ihren Finanzen. Banken, Versicherungen und Anlageberater kommunizieren direkt über soziale Netzwerke mit Kunden und können damit schnell auf Wünsche und Fragen eingehen. Plattformen, mit deren Hilfe Menschen ihre finanziellen Angelegenheiten steuern können, werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Viele wollen ihre Geldanlagen, aber auch ihre Lebensversicherung digital verwalten. Und wie sie es sonst auch bei den Apps gewohnt sind, sollten diese Plattformen möglichst bequem und einfach sein. Die digitale Vermögensverwaltung, auch unter dem Namen Robo Advisor bekannt, ist ein weiterer Schritt in einer zunehmend digitalisierten Finanzwelt.

Für Finanzdienstleister eröffnen diese innovativen Produkte große Chancen. Das Prinzip der digitalen Vermögensverwaltung ist einfach: Zunächst werden die Risikoeinschätzung sowie die finanziellen Wünsche des Kunden anhand eines Online-Fragebogens ermittelt. Darauf basierend, erhält der Kunde die Anlageempfehlung mit einem Portfolio, das zu seinem Profil und seinem Finanzziel passt. Dabei wird das Portfolio zwischen Aktien und Anleihen sowie weiteren Anlagenklassen, beispielsweise alternativen Investments, aufgeteilt.

Bei vielen Angeboten kommen dazu börsengehandelte Indexfonds (ETFs) zum Einsatz. Doch das Spektrum reicht inzwischen über rein passive Investmentansätze hinaus zu Konzepten, die Zugang zu aktiv verwalteten Multi-Asset-Strategien bieten. Der Kunde kann direkt investieren und seine Anlage online jederzeit verfolgen. Schnell, einfach und transparent lautet die Maxime.

Geringere Mindestinvestments nötig

Eines steht fest: Die digitale Vermögensverwaltung ist sinnvoll, denn sie ermöglicht einer größeren Zielgruppe eine umfassende Bestimmung ihrer Risikoneigung und der Anlageziele. Denn gerade junge Menschen nehmen immer seltener eine persönliche Anlageberatung wahr. Studien zufolge ist der Anlageerfolg stark von der Asset Allocation abhängig, also von der Aufteilung des Vermögens in Aktien, Anleihen und sonstigen Anlageklassen. Und diese optimale Mischung sollte sich vor allem nach der Risikoneigung, der gewünschten Anlagedauer, den Zielen und der Erfahrung des Anlegers richten. Ein wichtiger Vorteil zeichnet die digitale Vermögensverwaltung aus: In der Regel ist ein geringeres Mindestinvestment nötig als bei einer klassischen Vermögensverwaltung.

Zudem entspricht sie dem Wunsch vieler Menschen nach einem möglichst einfachen Prozedere. Sie legen Wert auf einfach zu bedienende Apps, mit denen sie schnell und einfach zum Ziel kommen. Eine Flatrate für Musik oder Filme abzuschließen, nimmt wenig Zeit in Anspruch und bedarf keiner aufwendigen Beratung. Und auch das Taxi lässt sich heute bequem per Mausklick bestellen. Eine digitale Vermögensverwaltung öffnet also die Tür zu Menschen, die genau auf diesem Weg zu erreichen sind.

Beratungsbedarf steigt

Und noch ein weiterer Grund spricht für die Zukunft der digitalen Vermögensverwaltung: Viele Finanzdienstleister ziehen sich wegen der steigenden Auflagen im Zuge der Finanzmarktrichtlinie MiFID II aus der Anlageberatung zurück. So bieten einige Finanzinstitute in Deutschland zum Beispiel keine telefonische Beratung mehr an, weil sie den Aufwand und die Kosten scheuen. Die Folge: Das Angebot für die finanzielle Beratung sinkt, obwohl der Bedarf danach in den kommenden Jahren weiter steigen dürfte.

Für einen wachsenden Beratungsbedarf sprechen vor allem zwei Trends:

- So wird auf der einen Seite so viel vererbt wie noch nie. Laut einer Umfrage der Postbank wird allein bis 2020 voraussichtlich ein Drittel des deutschen Privatvermögens, das sich insgesamt auf sieben Billionen Euro beläuft, an die nächste Generation weitergegeben - pro Erbfall sind das im Durchschnitt 363 000 Euro. Viele stehen dann erstmals vor der Frage, wie sie das Kapital gewinnbringend anlegen können.

- Auf der anderen Seite wird die Rentenlücke immer größer. Der Bedarf an Lösungen für die private Altersvorsorge nimmt auch aufgrund der anhaltend niedrigen Zinsen zu.

Die digitale Vermögensverwaltung wird von beiden Entwicklungen profitieren, wie eine Studie der Beratungsgesellschaft Oliver Wyman zeigt: Die Experten halten es für möglich, dass die Schallmauer des weltweit digital verwalteten Vermögens von derzeit rund 300 bis 350 Milliarden US-Dollar auf eine Billion US-Dollar im Jahr 2021 ansteigen wird. In Deutschland könnte das verwaltete Volumen von derzeit etwa vier Milliarden US-Dollar auf über 40 Milliarden US-Dollar bis zum Jahr 2021 steigen. Vorreiter sind die USA. Rund die Hälfte des Volumens der digitalisierten Vermögensverwaltung weltweit wird bis 2021 auf diese Region zurückgehen. Asien wird 20 Prozent ausmachen und Europa rund ein Viertel.

In der Rushhour des Lebens

Doch für wen ist die digitale Vermögensanlage besonders interessant? Das sind vor allem Menschen zwischen Mitte 30 bis Mitte 40. Sie haben bereits im Beruf Geld gespart und "ticken" digital. Für sie ist das Smartphone aus dem Alltag nicht wegzudenken. Diese Menschen stehen in der Rushhour des Lebens: Sie sind viel beschäftigt im Job, machen Karriere, kümmern sich um die Kinder und manchmal auch um die eigenen Eltern. Gleichzeitig haben sie finanzielle Ziele, wie die Altersvorsorge, die Ausbildung der Kinder oder die Finanzierung einer eigenen Immobilie. Sie können diese Ziele aber mit klassischen Sparprodukten nicht mehr erreichen. Denn die Renditen von Staatsanleihen und Geldmarktanlagen gleichen derzeit nicht einmal die Inflationsrate aus.

Viele wissen, dass sie sich eingehender mit der Geldanlage und mit der Altersvorsorge beschäftigen sollten. Doch so manchem bleibt im Spannungsfeld von Job und Familie nur wenig Zeit. Und so schiebt jeder fünfte Deutsche das Thema Finanzplanung und Altersvorsorge auf die lange Bank, wie eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov zeigt. Die Finanzplanung gehört demnach zu den unbeliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen. Nur Putzen oder der Zahnarztbesuch stehen noch weiter unten auf der Beliebtheitsskala.

Neue Kundengruppe erschließen

Die Mehrheit dieser viel beschäftigten Generation will die Geldanlage also an einen Partner delegieren, dem sie vertrauen. Die Menschen sind stark geprägt von der Digitalisierung, mit der sie bereits in anderen Lebensbereichen positive Erfahrungen sammeln konnten, und sind daher besonders offen für eine digitale Vermögensverwaltung. Sie wollen sich transparent und einfach informieren und sich dabei auf das Wesentliche konzentrieren.

Gut gemachte digitale Angebote vermitteln also Geldanlage auf eine verständliche Art und Weise. Sie sind zudem online jederzeit zugänglich. Und das ist wichtig, damit sich mehr Menschen stärker mit den eigenen Finanzen auseinandersetzen. Die digitale Vermögensverwaltung kann - ohne großen zusätzlichen Aufwand - neue Zielgruppen erschließen, die eine persönliche Anlageberatung eher nicht in Anspruch nehmen.

Die Qual der Wahl

Doch so einfach die Angebote auf den ersten Blick scheinen, sie unterscheiden sich erheblich. Wer die passende Vermögensverwaltung finden möchte, muss sich eingehend damit beschäftigen. Das kann nur gelingen, wenn sich Anleger Zeit nehmen, sich über die eigenen Ziele im Klaren sind und die Produkte vergleichen. Das Spektrum reicht

- vom klassischen Robo Advisor, der häufig auf passiv gemanagte ETF oder Indexfonds setzt und nur ein geringes Maß an persönlicher Unterstützung bietet,

- bis zu Konzepten, die Anlegern eine regulierte digitale Beratungsstrecke bieten und den Zugang zu aktiv gemanagten Investmentstrategien ermöglichen.

- Kunden können bei einigen Anbietern zudem persönlich Kontakt aufnehmen und sich bei der Anlage im telefonischen oder persönlichen Gespräch unterstützen lassen.

Wichtig ist, dass der Anleger dasjenige Angebot findet, das zu seinen individuellen Bedürfnissen, Zielen und Wünschen passt und ihm ein Höchstmaß an Verlässlichkeit und Transparenz in der Finanzplanung bietet. Entsprechend sollten die digitalen Anbieter ihre Kunden in diesem Sinne begleiten.

Die positiven Ergebnisse mancher Robo-Advisor-Angebote in den vergangenen Jahren geben ein Bild ab, das täuschen kann. Denn die meisten sind erst wenige Jahre auf dem Markt. Seither sind die Aktienbörsen vor allem gestiegen und positive Ergebnisse stellten sich wie von selbst ein.

Lackmustest steht in den kommenden Jahren an

Viele Konzepte müssen in einem Umfeld mit stärkeren Kursschwankungen ihre Fähigkeiten erst noch unter Beweis stellen und zeigen, dass sie sich in Auf- und Abwärtsphasen bewähren und sich somit für eine langfristige Vermögensverwaltung eignen. Der Lackmustest steht daher in den kommenden Jahren an.

Viele befürchten, dass die neuen digitalen Angebote bestehende Distributionskanäle kannibalisieren. Aus unserer Sicht ist das nicht der Fall. Denn sie stehen nicht in unmittelbarer Konkurrenz zu einer umfassenden persönlichen Finanzplanung. Sie wenden sich gezielt an Kunden, die viel beschäftigt sind und ihre Geldanlage auf digitalem Weg delegieren wollen. Insofern bieten sie die Chance, neue Kunden zu gewinnen und langfristig zu halten.

Aus Sparern werden Anleger

Die digitale Vermögensverwaltung eröffnet also unter dem Strich für Finanzdienstleister einen Weg, um auf die steigende Nachfrage nach finanzieller Beratung zu reagieren. Vielen Menschen ist bewusst, dass sie stärker fürs Alter vorsorgen müssen, um die Versorgungslücke so gering wie möglich zu halten.

Die neuen Angebote können dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Sie können zudem das Thema Geldanlage verständlicher vermitteln, als das bisher der Fall war. Insofern können sie dabei helfen, die Geldanlage zu demokratisieren und für mehr Menschen zu öffnen. Sie bietet damit auch die Chance, dass aus Sparern Anleger werden, die ihr Geld rentabler anlegen. Denn Geldanlage mit Aktien oder Fonds sollten nicht ein Privileg für eine Minderheit sein, sondern für jeden möglich sein.

Zum Autor Andreas Telschow, Anlageexperte, Fidelity International, Kronberg im Taunus
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