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Zum Digitalverständnis junger Bankkunden

Prof. Dr. Dirk Schiereck, Foto: TU Darmstadt

Das Begriffsverständnis von Digitalschlagwörtern darf auch bei jungen Bankkunden nicht überschätzt werden, so Dirk Schiereck und Etienne Klink. Darauf müsse sich die Kommunikation von Finanzdienstleistern stärker einstellen. Die Mobilisierung der Kunden für die Forderung nach einer Freigabe der NFC-Schnittstelle durch Apple etwa kann nur gelingen, wenn Kunden überhaupt wissen, worum es geht. Red.

Wenn Banken und Sparkassen große Investitionsbudgets für die Digitalisierung ihrer Produktwelten einsetzen, müssen auch die Kunden über entsprechende Innovationen informiert werden. Vor diesem Hintergrund stellen sich gerade auch für die Digitalproduktverantwortlichen in Banken und Sparkassen, aber auch für neu in den Markt drängende Fintechs, eine Reihe von Fragen, für die im Rahmen von zwei empirischen Erhebungen unter jüngeren Bankkunden mit höherer Bildung Antworten gesucht wurden.

So galt es zu klären, ob die allgemeinen Verständnisprobleme in der Nutzung digitaler Begriffe, die sich im Bundesdurchschnitt zeigen, auch für enger definierte Gruppen mit überdurchschnittlich hoher Bildung gelten. Zudem wurde untersucht, wie das Begriffsverständnis zu bankspezifischeren Begriffen im Vergleich zu allgemeineren Digitalschlagworten einzuordnen und ob das Verständnis für digitale Themen in den letzten Jahren gestiegen ist.

Im Ergebnis zeigt sich unter anderem, dass nicht nur unsere Lebens- und Arbeitswelten sich dynamisch entwickeln, sondern auch im Begriffsverständnis wichtiger Digitalschlagwörter sich bereits in einem Zeitfenster von weniger als drei Jahren größere Veränderungen zeigen. Die Digitalproduktverantwortlichen in den Banken und Sparkassen haben diese Variationen in der Ausrichtung ihrer Kommunikationsstrategien zu berücksichtigen.

Kein einheitliches Verständnis digitaler Begriffe

Im Frühjahr 2016 fragte das Meinungsforschungsinstitut Emnidbusse in einer repräsentativen Umfrage mit etwa 1 000 Teilnehmern nach der Bekanntheit von 14 digitalen Begriffen in Deutschland. Dabei zeigte sich, dass es keinen bei nahezu allen Bundesbürgern auch nur bekannten Begriff gab. Bei Kenntnis der Digitalisierungsschlagworte fehlte zudem meist eine genauere Vorstellung, um einzelne Begriffe tatsächlich zu beschreiben. Am häufigsten glaubten die Befragten dies bei den Begriffen Social Media (38 Prozent), Smart Home (25 Prozent) und Mobile Payment (24 Prozent) tun zu können, während für die Hälfte der Begriffe die Werte unter 10 Prozent lagen. Bei der Gruppe der unter 30-Jährigen fiel die Vertrautheit erwartungsgemäß deutlich höher aus, aber auch hier waren einige Begriffe bei über 70 Prozent unbekannt.

Als Interpretation ihrer Ergebnisse verweisen die Verfasser der Studie darauf, dass bei der Erhebung selbst vermeintlich verbreitete und verstandene Begriffe wie Internet der Dinge, Connected Consumer, Connected Cars oder Big Data in ihren Bedeutungen und Inhalten noch weitgehend unbekannt waren und Nutzer nicht von einem allgemein einheitlichen Verständnis der Begriffe ausgehen können.

Vor diesem Hintergrund stellt sich gerade auch für die Digitalproduktverantwortlichen in Banken und Sparkassen, aber auch für neu in den Markt drängende Fintechs eine ganze Reihe von Fragen für die Kommunikation mit (potenziellen) Kunden, von denen drei nachfolgend näher adressiert werden.

1. Gelten die Verständnisprobleme in der Nutzung digitaler Begriffe auch für enger definierte Gruppen mit überdurchschnittlich hoher Bildung?

2. Wie ist das Begriffsverständnis zu bankspezifischeren Begriffen im Vergleich zu allgemeineren Digitalschlagworten einzuordnen?

3. Ist das Verständnis für digitale Themen in den letzten Jahren gestiegen?

Um diese drei Fragen zu adressieren, wurde die Emnidbusse-Studie um fünf Worte erweitert und im Abstand von knapp drei Jahren zwei Mal mit jeweils etwa 100 Teilnehmern adjustiert repliziert. Die Ergebnisse werden nachfolgend zunächst für die Fragen 1 und 2 und danach für die Fragen 2 und 3 erläutert.

Digitalverständnis von höher Gebildeten nicht generell besser

Um die Eigenwahrnehmung junger Bankkunden mit höherer Bildung hinsichtlich ihrer Kenntnis der Digitalschlagworte aus der Emnidbusse-Studie zu ermitteln, wurden im zweiten Quartal 2016 die dort abgefragten Begriffe Studierenden verschiedenster Fachrichtungen an der Technischen Universität Darmstadt vorgelegt. Dabei wurde allerdings die Liste erweitert und neben den 14 ursprünglichen Begriffen zusätzlich auch nach Bitcoin, Consumerization, Fintech, Paydirekt und RFID gefragt.

Die Ergänzungen sollten einerseits aus sehr unterschiedlichen Bereichen des täglichen Lebens sowie aus der technologischen und innovations-wissenschaftlichen Themenwelt kommen, andererseits aber sehr kompakt bleiben, um zügig erhoben werden zu können. Zudem wurden Kontrollfragen zu Alter, Geschlecht und zum Besitz des ersten PC und Smartphones gestellt. Die Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse in Abbildung 1 konzentriert sich auf das Gesamtbild und verzichtet auf die Erläuterung der nur leichten Nuancen bei Berücksichtigung der Kontrollfragen.

Offensichtlich ist auch bei der hier betrachteten Gruppe junger Bankkunden mit höherer Bildung das Verständnis bedeutender Digitalschlagworte sehr gemischt und in weiten Bereichen eher rudimentärer Natur. Weniger als die Hälfte der Begriffe kann von der jeweiligen Mehrheit der Befragten nach eigener Einschätzung erklärt werden.

Der Vergleich zu den Ergebnissen der Emnidbusse-Studie zeigt allerdings auch einige markante Unterschiede gegenüber den Befunden für den repräsentativen Bundesdurchschnitt. Bei den fünf Begriffen mit der höchsten wahrgenommenen Erklärungskompetenz zeigt die Gruppe junger Bankkunden mit höherer Bildung besonders große Wissensvorsprünge. Durchschnittlich 55 Prozentpunkte größer ist hier die Gruppe, die angibt "könnte es erklären". Beim Begriff "Social Media" etwa ordneten sich im Bundesdurchschnitt hier 38 Prozent ein, in Darmstadt waren es 95 Prozent, ein Unterschied von 57 Prozentpunkten. Bei den übrigen neun Digitalschlagworten beträgt die Differenz im Schnitt gerade einmal 21 Prozentpunkte.

Wenig überraschend zeigt die Gruppe der jungen Bankkunden mit höherer Bildung insgesamt ein sehr viel höheres Begriffsverständnis in der digitalen Konsumwelt als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Diese überlegene Kenntnis ist besonders stark ausgeprägt bei Begriffen der täglichen Nutzung digitaler Endgeräte, fällt aber sehr viel geringer aus, wenn es stärker in Bereiche des digitalen Arbeitslebens oder der wissenschaftlichen Betrachtungen geht.

Bei den Begriffen Connected Consumer (plus 4 Pro zentpunkte) und M-Commerce (plus 3 Prozentpunkte) sind nahezu keine Unterschiede zu finden, was zu einer sehr differenzierten Antwort auf Frage 1 führt.

Apple Pay: Kundenmobilisierung erfordert Begriffserklärung

Der allgemeine Befund lässt sich auf die ergänzten, eher bankspezifischen Begriffe recht gut übertragen.

- Die medienträchtige Digitalwährung Bitcoin ist bereits 2016 gut bekannt, 75 Prozent haben zumindest davon gehört, und die Mehrheit mit 52 Prozent traut sich auch eine Beschreibung zu.

- Der digitale Bezahlservice der deutschen Banken und Sparkassen Paydirekt war damals schon ähnlich bekannt, und immerhin 43 Prozent sahen sich auch zur Erläuterung befähigt.

- RFID und damit die Near Field Communication-Technologie (NFC) ist der ganz überwiegenden Mehrheit dagegen völlig unbekannt.

Dieser Befund ist angesichts der vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) von Apple beziehungsweise Apple Pay in Deutschland geforderten Öffnung der NFC-Schnittstelle bei Apple Smartphones für andere Anbieter nicht ganz unwichtig. So legen die Befunde nahe, dass ein Großteil der I-Phone-Besitzer und damit der potenziellen Apple-Pay-Anwender Schwierigkeiten haben könnte, den konkreten Inhalt der DSGV-Forderung zu bewerten. Für eine Kundenmobilisierung zur Unterstützung seiner Forderung nach Schnittstellenöffnung ist für den DSGV also eine angemessene Kommunikation unter Berücksichtigung von (oft fehlenden) Kenntnissen der digitalen Begriffswelt angebracht.

Wissensstand zum Begriff "Fintech" quasi inexistent

Für finanzmarktorientierte Wissenschaftler, aber auch für Journalisten, Bankmitarbeiter, Wirtschaftsförderer und Politiker ist zudem der quasi inexistente Wissensstand mit Blick auf den Begriff Fintech überaus bemerkenswert. Wer sich in seiner Arbeit regelmäßig mit dieser Gruppe von Finanzinnovatoren befasst, merkt wohl häufig gar nicht mehr, wie weit sich seine selbstverständlichen Begrifflichkeiten von der breiten Bevölkerungsmehrheit entfernen.

Da die Diskussion um die digitale Zukunft verschiedenster Lebens- und Arbeitsbereiche in den letzten Jahren sehr stark an Dynamik gewonnen hat, erschien es angebracht, zum Ende des vierten Quartals 2018 die Erhebung unter Studierenden verschiedenster Fachrichtungen an der Technischen Universität Darmstadt zu wiederholen. Die Befunde zeigen insgesamt einen zu erwartenden Anstieg in der wahrgenommenen Digitalbegriffskompetenz, der aber differenziert zu betrachten ist. Bei den fünf Alltagsbegriffen ist ein durchschnittlicher Anstieg in der Kategorie "kann es beschreiben" von etwa 5,5 Prozentpunkten zu beobachten, der besonders stark beim Terminus Smart Home (plus 17 Prozentpunkte) ausfällt. Alle Befragten fühlen sich befähigt, Social Media zu beschreiben. Bei den übrigen neun Begriffen der Emnidbusse-Studie zeigen sich größere Abweichungen gegenüber 2016, aber mit unterschiedlichen Vorzeichen. Stärkeren Anstiegen bei Internet der Dinge und Wearables stehen sogar deutliche Rückgänge bei Phablet und Connected Cars gegenüber, was zeigt, dass hier Moden Begriffe in ihrer Popularität schwanken lassen. Das erschwert die Kommunikation mit Blick auf den zu erwartenden Kenntnisstand der Adressaten. Insgesamt stieg die selbst zuerkannte Erklärungskompetenz hier um etwa 3 Prozentpunkte.

Werbung für Paydirekt zeigt Wirkung

Bei den finanzspezifischeren Begriffen ist die Entwicklung ähnlich, aber sie fällt viel extremer aus. Während Bitcoin und Paydirekt in ihrer Bekanntheit sehr stark zugenommen haben (Durchschnittlich plus 20 Prozentpunkte), fällt ein Anstieg in der Erklärungskompetenz bei den übrigen Begriffen im Schnitt aus. Was ein Fintech ist, weiß auch 2018 kaum jemand.

Somit belegen die Ergebnisse insbesondere mit Blick auf die Entwicklungen digitaler Bezahldienste, dass Banken und Sparkassen zumindest für die Kundengruppe der Jüngeren mit höherer Bildung davon ausgehen können, dass ein hohes Grundverständnis für mobiles Bezahlen inzwischen besteht. Beim Bezahlsystem Paydirekt haben die umfangreichen Werbekampagnen offensichtlich Wirkung gezeigt, über 90 Prozent haben zumindest davon gehört. Sobald es aber in technischere Details geht, hört das Verständnis der Befragten aber häufig schnell auf, sodass beispielsweise in der Diskussion um die NFC-Schnittstelle der I-Phones eine Kundenkommunikation nicht viel Vorwissen voraussetzen sollte.

Nicht nur die digitale Entwicklung unserer Lebens- und Arbeitswelten bewegt sich dynamisch, auch im Begriffsverständnis wichtiger Digitalschlagwörter zeigen sich bereits im einem Zeitfenster von weniger als drei Jahren größere Veränderungen. Die Digitalproduktverantwortlichen in den Banken und Sparkassen haben diese Variationen in der Ausrichtung ihrer Kommunikationsstrategien zu berücksichtigen.

Prof. Dr. Dirk Schiereck, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, TU Darmstadt
Etienne Klink, Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, TU Darmstadt
 
Prof. Dr. Dirk Schiereck , Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinan­zierung , Technische Universität Darmstadt

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