RECHTSFRAGEN

Eigentumsvorbehalt - eine Herausforderung im Risikomanagement

Norman Häring, Foto: Zendesk

Der Eigentumsvorbehalt kann im Risikomanagement von Banken leicht zum Stolperstein werden, warnt Norman Häring. Das gilt nicht nur deshalb, weil die Bank im Fall der Insolvenz nicht die gleichen Rechte hat wie ein Lieferant, sondern der Eigentumsvorbehalt kann sich auch bei der Sicherungsübereignung als Malus erweisen, sofern das Eigentum noch nicht komplett an den Käufer der Sache übergegangen ist. Hier kann sich die Bank zumindest eine Anwartschaft sichern. Red.

Mit einem Eigentumsvorbehalt können sich Lieferanten gegen Zahlungsausfälle ihrer Abnehmer absichern. Gerade im Zusammenhang mit einer Insolvenz bringt er oft Vorteile. Doch die Materie birgt einige Besonderheiten - zudem gibt es verschiedene Spezialformen. Für Finanzierer können sich dadurch auch Komplikationen ergeben.

Der Eigentumsvorbehalt ist ein vertragliches Instrument, das einen Lieferanten vor Verlusten schützen soll, wenn ein Abnehmer für eine erhaltene Ware nicht bezahlt. Zugleich ermöglicht es dem Käufer, eine Sache - beispielsweise eine Maschine - bereits zu benutzen, auch wenn er der entsprechenden Verbindlichkeit noch nicht nachgekommen ist. Damit erlaubt dieses weitverbreitete Mittel der Kredit sicherung beispielsweise Ratenzahlungen oder lange Zahlungsziele: Eine Maschine wurde vom Verkäufer bereits ausgeliefert und wird vom Käufer in der Produktion eingesetzt - der Kaufpreis allerdings ist noch nicht gänzlich beglichen. Bis dies geschehen ist, behält sich der Lieferant das Eigentum vor. Das verbietet es dem Käufer in der Regel auch, die erworbene Sache weiterzuverkaufen. Ist die letzte Rate allerdings gezahlt, geht das Eigentum an dem Objekt von selbst auf den Abnehmer über. Wird ein solcher Kauf unter Vorbehalt von einer Bank finanziert, überträgt der Verkäufer meist auch das Eigentum am jeweiligen Objekt als Sicherheit an das kreditgebende Institut.

Der Eigentumsvorbehalt muss vor einem Handel von allen Seiten vertraglich vereinbart worden sein. Prinzipiell reicht hierbei eine informelle Absprache zwischen Käufer und Verkäufer. Kommt es aber später zu einem Gerichtsverfahren, liefert die Schriftform einen eindeutigen Nachweis. Ist ein Kredithaus als Finanzierer involviert, sollte ebenfalls stets diese Form gewählt werden. Der einfache Eigentumsvorbehalt kann auch in den allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Verkäufers fixiert sein. Eine solche Klausel hingegen lediglich später auf die Rechnung zu schreiben, besitzt in aller Regel keine Rechtsgültigkeit, da ein Eigentumsvorbehalt nicht einseitig festgelegt werden kann.

Begleicht ein Käufer die ausstehende Forderung nicht innerhalb der vereinbarten Frist, kann der Lieferant die betreffende Ware zurückfordern. Dadurch erhält er die Option, seine Maschine zum Beispiel an einen anderen Abnehmer weiterzuverkaufen. Hat das liefernde Unternehmen bereits einen Teil des Verkaufspreises erhalten, muss es diesen allerdings an seinen Käufer zurückzahlen. Da das Objekt in der Regel bereits im Tagesgeschäft verwendet wurde, können hier vom Verkäufer oft Entschädigungen für Verschleiß gefordert werden. Wurde die Maschine zudem beschädigt oder gar zerstört, wird Wertersatz fällig.

Nur bei beweglichen Sachen

Der Verkauf unter Vorbehalt und seine einzelnen Spielarten sind nur bei beweglichen Sachen möglich. In diesem Rahmen werden der Eigentumsvorbehalt oder die Sicherungsübereignung an die kaufpreisfinanzierende Bank aber breit angewendet, etwa beim Kauf von Fahrzeugen oder Maschinen, bei der Lieferung von Ware an Zwischenhändler, von Zulieferern im Automobil- und Maschinenbau, bei Rohstoff-, Materialoder Vorproduktlieferungen an Verarbeiter, Produzenten oder Handwerker.

Nur eingeschränktes Recht der Bank

Im Fall der Insolvenz eines Kaufenden kann der Eigentumsvorbehalt eine bessere Absicherung bieten. Zunächst hat der Insolvenzverwalter oder der eigenverwaltende Unternehmer allerdings ein Wahlrecht: Er entscheidet, ob der Kaufvertrag weiter gilt oder gekündigt wird. Ist Letzteres der Fall, hat der Verkäufer ein sogenanntes Aussonderungsrecht. Das heißt: Er kann die verkaufte Maschine zurückfordern und unterliegt dabei nicht den Einschränkungen regulärer Insolvenzgläubiger. Außerdem kann er Schadenersatz für den nicht erfüllten Vertrag verlangen und diesen zur Insolvenztabelle hinzufügen lassen. Dabei wird er allerdings, wie andere Forderungen, nur im Rahmen der jeweiligen Insolvenzquote befriedigt.

Entscheiden sich Insolvenzverwalter oder die Eigenverwaltung hingegen für die Fortsetzung des Kaufvertrags, hat der Lieferant weiterhin das Recht auf die vollständige Zahlung des Kaufpreises. Dieser gilt dabei als Masseverbindlichkeit und muss vor den Forderungen anderer Gläubiger erfüllt werden. Wird statt des Abnehmers der Lieferant insolvent, kann die jeweilige Verwaltung den Vertrag nicht einfach aufkündigen. Der Käufer kann durch eine vollständige Zahlung weiterhin das Eigentum am Verkaufsgegenstand erwerben.

Hat ein Geldinstitut einen Kauf finanziert und bekam vom Verkäufer das Eigentum an der Sache übertragen, genießt sie dennoch nicht das gleiche Recht wie ein "tatsächlicher" Eigentümer, ein Lieferant. Die Bank besitzt kein Aussonderungsrecht, das ihr erlauben würde, den Verkaufsgegenstand bei Nichterfüllung des Vertrages aus dem Insolvenzverfahren herauszunehmen. Stattdessen genießt ein Bankgläubiger ein Absonderungsrecht. Das heißt: Die Sache muss verwertet und die Forderung des Kreditinstituts aus dem resultierenden Erlös befriedigt werden.

Einfacher und verlängerter Eigentumsvorbehalt

Neben dem bisher geschilderten einfachen Eigentumsvorbehalt gibt es weitere Formen dieser Absicherungsmöglichkeit. Die am weitesten verbreiteten sind der verlängerte und der erweiterte Eigentumsvorbehalt. Beim verlängerten Eigentumsvorbehalt räumt der Verkäufer dem Käufer das Recht ein, den Gegenstand weiterzu verkaufen. Beim Weiterverkauf erlischt allerdings das Eigentum an der Ware, daher hat der Abnehmer dann stattdessen den Kaufpreis abzutreten. Gerät der Käufer in die Insolvenz, gibt es zwei Möglichkeiten: Wurde die Sache zuvor weiterverkauft, hat der Lieferant keine Möglichkeit mehr, die Maschine zurückzufordern. Er hat jedoch ein Absonderungsrecht auf den Verkaufserlös, das vom insolventen Unternehmen bevorzugt befriedigt werden muss. Reicht der vorhandene Erlös nicht für eine vollständige Begleichung der Lieferantenforderung, kann der Rest zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Wurde ein Objekt dagegen noch nicht weiterverkauft, besteht, wie beim einfachen Eigentumsvorbehalt, ein Aussonderungsrecht.

Beim erweiterten Eigentumsvorbehalt geht das Eigentum an einem Verkaufsgegenstand erst auf den Abnehmer über, wenn er sämtliche Forderungen seines Lieferanten beglichen hat. Im Insolvenzfall des Käufers ergeben sich dabei ebenfalls zwei Szenarien: Der Kaufpreis für die Sache wurde noch nicht komplett entrichtet? Dann kann der Verkäufer ihre Rückgabe fordern. Wurde der Verkaufsgegenstand bereits bezahlt und lediglich andere Forderungen des Lieferanten sind noch offen? Dann genießt der Verkaufende "nur" ein Absonderungsrecht.

Stolperstein für das Banken-Risikomanagement

Gerade der verlängerte Eigentumsvorbehalt kann in manchen Branchen mit dem Risikomanagement von Banken kollidieren. Möchte sich eine Bank als Bedingung einer Kreditvergabe die Rechte an den Forderungen eines Schuldners sichern, sollten zunächst die Gepflogenheiten in diesem Sektor betrachtet werden. Ist es üblich, Warenverkäufe, Rohstoff- oder Teilelieferungen über einen verlängerten Eigentumsvorbehalt abzusichern, kann eine Globalzession durch die Bank ausgeschlossen sein. Denn besteht bereits ein Eigentumsvorbehalt, dann zählt diese erste Forderungsabtretung - das Kreditinstitut hat kein Anrecht mehr darauf. In bestimmten Wirtschaftsbereichen, wo diese Praxis Usus ist, kann eine Globalzession sogar als sittenwidrig gelten. Hier ist genau zu prüfen: Welche Forderungen werden vom Kunden regelmäßig abgetreten? Diese dürfen nicht an die Bank übertragen werden.

Anwartschaft als mögliche Lösung

Auch bei der Sicherungsübereignung, etwa von mobilem Anlagevermögen wie Maschinen oder Fahrzeugen, können Risiken bestehen. Denn hier muss der Schuldner zunächst eindeutiger Besitzer des jeweiligen Assets sein, damit die Übereignung greift. Steht das Objekt noch unter Eigentumsvorbehalt, darf es nicht übereignet werden. Deshalb müssen sich die Kredithäuser die Eigentumsverhältnisse eindeutig belegen lassen.

Manche Objekte befinden sich zwar noch unter Eigentumsvorbehalt, dessen Ende ist aber bereits absehbar. Das kann etwa bei Umlaufvermögen wie Materialien oder Waren der Fall sein, die bis zur vollständigen Bezahlung unter Eigentumsvorbehalt des Lieferanten stehen. Möchte der kreditsuchende Händler oder Produzent sein Lager als Sicherheit an die Bank übereignen, geht das in solch einem Fall nicht direkt. Das Kreditinstitut kann jedoch ein sogenanntes Anwartschaftsrecht mit seinem Kunden vereinbaren. Dann geht das Eigentum an den Assets zwar nicht sofort, aber dann über, wenn bezahlt wurde, und der Eigentumsvorbehalt erlischt.

Kommt es zur Insolvenz eines Kunden und ist das Eigentum an einer Sache durch die Anwartschaft bereits vom Lieferanten auf die Bank übergegangen, dann steht dem Kreditinstitut in der Regel ein Absonderungsrecht zu. Dazu wird die bewegliche Sache - meist vom Insolvenzverwalter oder eigenverwaltenden Unternehmer - verwertet. Anschließend wird die Forderung der Bank aus dem Erlös befriedigt, abzüglich Verwertungsgebühren und eventueller Steuern.

Dr. Norman Häring , Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter , Tiefenbacher Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft, Heidelberg
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