WETTBEWERB

Europäische Bankenregulierung - Gewinner gesucht

Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis, Foto: DSGV

Auf dem Weg zu einer verhältnismäßigen Regulierung für alle Marktteilnehmer hat die EU noch einiges zu tun, sagt Matthias Bergner. Positiv hält er fest, dass die EU bei Beteiligungen stärker differenziert als der Basler Ausschuss und bei CRR III die europäische Finanzkultur widerspiegelt. Generell fordert der DSGV: Die Regulierung darf nicht die wichtige Rolle der Banken als Mittler zwischen Anlegern und Emittenten sowie als Kreditgeber schwächen. Das gilt nicht zuletzt beim Thema Sustainable Finance. Hier sieht der Autor vor allem die Gefahr, dass die Zeit, die der Gesetzgeber für die Ausarbeitung der Taxonomie-Regeln braucht, letztlich zulasten der Banken und damit auch der Realwirtschaft geht. Red.

Zum 1. Januar 2025 müssen Banken und Sparkassen in Europa aller Voraussicht nach die Vorgaben und Eigenkapitalanforderungen erfüllen, die der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht bereits vor Jahren formuliert hat und für deren Umsetzung die EU-Kommission im Herbst 2021 ihr lange erwartetes sogenanntes "Bankenpaket" vorgelegt hat. Die neuen Regeln sollen die Stabilität des Finanzsystems weiter erhöhen - und bedeuten dennoch für die gesamte Branche erhebliche Belastungen.

Termin für neue Vorgaben nur vermeintlich großzügig

Zwar gibt die EU-Kommission sich mit dem Termin für die erstmalige Anwendung scheinbar großzügig: Das Datum liegt zwei Jahre später, als es ursprünglich vom Baseler Ausschuss vorgesehen war. Damit wird allerdings im Grunde genommen vor allem dem erwartbar zeitaufwendigen legislativen Verfahren Rechnung getragen. Denn die Diskussionen können sich leicht in die Länge ziehen.

Es steht deshalb zu befürchten, dass sich die optisch verbleibende Umsetzungsfrist von einem Jahr im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zulasten der Kreditinstitute zusehends verkürzt. Dem gilt es durch eine gleitende Frist von beispielsweise zwei Jahren nach Verabschiedung der Regelungen entgegenzuwirken.

Doch nicht nur, dass es zeitlich für die Institute anspruchsvoll werden könnte, die neuen Regeln und Vorgaben fristgerecht umzusetzen. Es ist im Gesetzgebungsverfahren auf der europäischen Ebene zudem auf dem Weg hin zu einer verhältnismäßigeren Regulierung noch einiges zu tun.

Kleine Erleichterungen sind nur ein erster Schritt

Kleine Erleichterungen für kleine, nicht komplexe Institute im Bereich Offenlegung können lediglich ein erster Schritt sein. Die hohen administrativen Regulierungslasten müssen noch weiter reduziert werden. Auch bei der Berücksichtigung von ESG-Risiken in Regulierung und Aufsicht muss die Proportionalität im Blick behalten werden - hier sind deutlich höhere prozessuale Aufwände für alle Institute zu erwarten.

Die neuen Vorschriften beziehen sich auf sämtliche Risikoarten und betreffen alle Institute - unabhängig davon, ob diese aktuell Standardansätze oder interne Modelle zur Ermittlung ihrer risikogewichteten Aktiva (RWA) anwenden. Inhaltlich orientiert sich die EU-Kommission eng an den Baseler Vorschlägen. So hält sie an einer 1:1-Umsetzung der Berechnung des Output-Floors fest, die Auswirkungen für IRB-Institute werden allerdings durch temporäre Erleichterungen und ein Phase-in über fünf Jahre (2025 bis 2029) im Durchschnitt der Institute abgemildert.

Trotzdem ist zu erwarten, dass mit dem Bankenpaket 2021 die Kapitalanforderungen steigen werden. Für Banken und Sparkassen, die ausschließlich Standardverfahren verwenden, resultiert dies vor allem aus den Neuberechnungen für das Kreditrisiko und den finalisierten Regeln für das Marktrisiko.

Insbesondere in den Geschäftsfeldern Beteiligungen (unter anderem Aktienpositionen, geschlossene Immobilienfonds, Investmentfonds im Bereich alternative Investments), Wohn- und Gewerbeimmobilienkredite sowie Forderungen gegenüber Banken werden die Kapitalanforderungen für diese Institute ansteigen.

Regulierungs-Arbitrage vermeiden

In zwei Richtungen sollten die Verantwortlichen in Europa daher bei der Umsetzung der Vorgaben besonders aufmerksam blicken - nach außen auf außereuropäische Finanzkonzerne und nach innen auf unregulierte Geldgeber jenseits von Banken und Sparkassen. Denn wenn die Kapitalanforderungen in der streng regulierten und intensiv beaufsichtigten Kreditwirtschaft steigen, wächst die Gefahr von Ausweich reaktionen: Kunden kehren mit ihren Finanzierungswünschen den etablierten Instituten den Rücken und suchen benötigtes Kapital bei weniger oder gar nicht regulierten Newcomern - mit Geschäftsmodellen, die für die Finanzstabilität unter Umständen erheblich mehr Risiken mit sich bringen als die von Banken und Sparkassen.

Ebenfalls ein Bärendienst erwiesen wäre der Kreditwirtschaft und damit auch der Finanzstabilität in Europa, wenn Europas Regulierer bei der Umsetzung der Baseler Regeln in der Europäischen Union wesentlich hinausgingen über die Regelungen in anderen Finanzmärkten. Eine Regulierungs-Arbitrage zwischen europäischen und außereuropäischen Anbietern wäre fatal - insbesondere für regional verankerte Kreditinstitute, die sich in der Corona-Pandemie als wesentlicher Stabilitätsanker gerade für die mittelständisch geprägte deutsche Wirtschaft erwiesen haben.

Finanzkultur in Europa widergespiegelt

Positiv ist, dass die EU-Kommission bei Beteiligungen stärker als der Baseler Standard differenziert, ob diese aus strategischen, langfristigen Erwägungen hinaus getätigt werden oder mit dem Ziel, kurzfristige Gewinne aus Wertsteigerungen der Beteiligungsunternehmen zu erzielen.

Zu begrüßen ist auch, dass mit dem CRR-III-Vorschlag die bewährten europäischen Regelungen für die Kapitalunterlegung von Krediten an kleine und mittlere Unternehmen beibehalten werden. Dies spiegelt die Finanzkultur in Europa angemessen wider.

Weitere wichtige Punkte hat die EU-Kommission in ihren Vorschlägen zur Fortschreibung des einheitlichen europäischen Kapitalmarkts adressiert: Unter anderem soll die EU-Wertpapierregulierung MiFID II/MiFIR überarbeitet werden. Die Schaffung eines konsolidierten Marktdatenstroms, des "Consolidated Tape" kann dabei ein wichtiger Beitrag sein. Dafür müssen allerdings die Weichen richtig gestellt werden: Insbesondere müssen alle Datenlieferanten denselben strengen Qualitätsanforderungen unterliegen, seien es Börsen oder Banken.

European Single Access Point braucht Pragmatismus

Daten- und Informationssammlung sind auch die Schlüsselworte bei den Vorschlägen der EU-Kommission zur Einführung eines European Single Access Point (ESAP). Vorhandene Daten, einschließlich Daten aus den Feldern Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG), die gemäß bereits bestehender Regulierungsvorgaben ohnehin veröffentlicht werden, sollen hier gesammelt werden. Dabei wird es auf Pragmatismus ankommen: Effizienzgewinne aus der Sammlung von Informationen an einer zentralen Stelle dürfen nicht durch komplexere Prozesse sowie Doppelt- und Dreifachmeldungen konterkariert werden.

Die von der EU-Kommission angestrebte Stärkung des Kapitalmarkts darf zudem nicht die wichtige Rolle der Banken als Mittler zwischen Anlegern und Emittenten sowie als Kreditgeber schwächen: Es sollten auch im Rahmen der Kapitalmarktunion verschiedene Finanzierungsformen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Nur so kann die Finanzierung der digitalen und nachhaltigen Transformation gelingen und die EU global wettbewerbsfähig bleiben.

Tragfähiger Rechtsrahmen für Sustainable Finance

"Sustainable Finance" ist der zentrale Begriff zur Verantwortung von Banken und Sparkassen beim Umbau zu mehr Nachhaltigkeit. Kreditinstitute benötigen dafür neben flankierenden wirtschafts- und umweltpolitischen Maßnahmen vor allem einen auch ökonomisch tragfähigen Regelungsrahmen. Die Rolle von Kreditinstituten muss dabei wettbewerbsneutral ausgestaltet werden und einzelne kreditwirtschaftliche Gruppen oder Marktteilnehmer dürfen nicht mit Sonderaufgaben belastet werden. Durch Taxonomie, Berichts- und Zertifizierungspflichten dürfen zudem weder Unternehmen und Mittelstand noch Kreditinstitute überlastet werden. Eine zu hohe Komplexität der anzuwendenden Regeln müssen wir vermeiden, Datenfriedhöfe sind für niemanden von Nutzen.

Diese Sicht teilt allem Anschein nach auch die EU-Kommission. Ihre um die Jahresmitte 2021 vorgestellte Sustainable-Finance-Strategie lässt erkennen, dass sie für den Übergang zu nachhaltigerem Wirtschaften ein schrittweises Vorgehen und eine stärkere Differenzierung zwischen den Ausgangspunkten der Unternehmen im Übergangsprozess als notwendig anerkennt. Schließlich gilt es, alle Unternehmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit mitzunehmen. Es ist daher nur konsequent, wenn in der Taxonomie künftig auch Übergangsaktivitäten anerkannt werden.

Längere Umsetzungsfristen zwingend erforderlich

Gut handhabbar wird die Taxonomie allerdings nur mit technischen Screening-Kriterien, die klar, schlank und einfach in der Praxis anwendbar sind. Wie komplex das Thema ist, zeigt die Verschiebung der ausstehenden Regelungen für die technischen Kriterien für die Umweltziele Wasser, Kreislaufwirtschaft, Umweltverschmutzung und Biodiversität. Diese sollen nun voraussichtlich im zweiten Quartal 2022 finalisiert werden und damit später als in der Taxonomie-Verordnung angelegt, die eigentlich einen Abschluss für Ende 2021 vorgesehen hatte .

Es ist richtig, die Vorgaben zur Taxonomie sorgfältig auszuarbeiten. Die Zeit, die sich der Gesetzgeber gibt, sollte aber nicht zulasten der Unternehmen und Institute gehen. Aufgrund der Komplexität der neuen Regelungen im Bereich Sustainable Finance sind längere Umsetzungsfristen für den Finanzsektor und die Realwirtschaft zwingend notwendig.

Denn die Berichtspflichten von Nichtfinanz- und Finanzunternehmen zu Art und Umfang der mit ökologisch nachhaltigem Wirtschaften verbundenen Aktivitäten, die die EU-Kommission vorschlägt, sind komplex: Der Detaillierungsgrad der geforderten Informationen stellt die Institute vor große Herausforderungen bei Personal, Methodik und Datentechnik. Daher sollen sie, um nachvollziehbare und geprüfte Daten ihrer Kunden im Reporting berücksichtigen zu können, Key-Performance-Indikatoren (KPI) um ein Jahr zeitversetzt offenlegen.

Sparkassen und Landesbanken unterstützen deutschlandweit beim Umbau zu mehr Nachhaltigkeit und der Erreichung von Klima- und anderen Zielen aus dem ESG-Bereich. Zum einen im eigenen Geschäftsbetrieb, zum Beispiel durch Maßnahmen, in ihrem Geschäftsbetrieb klimaneutral zu werden. Zum anderen sind die Institute bereit, die Transformation hin zu einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem zu finanzieren.

Die Sparkassen-Finanzgruppe ist sich ihrer Verantwortung bewusst und nimmt sie an. Schließlich birgt die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit auch Chancen, und sie bietet neue Geschäftsansätze. Gleichzeitig gilt aber auch, dass Banken und Sparkassen nicht die einzigen Adressaten der notwendigen Bemühungen sein dürfen.

Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis , Geschäftsführendes Vorstandsmitglied , Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V., DSGV, Berlin
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