DIGITALER VERTRIEB

Die Filiale wird künftig eine Nebenrolle spielen

Frank Thole, Foto: Wepex

Diverse Studien belegen, dass in allen Altersgruppen die Nutzung digitaler Bankdienstleistungen auf dem Vormarsch ist. Bei der Digitalisierung nur auf die Prozesse zu schauen, ist dabei zu kurz gesprungen, warnt Frank Thole. Sondern es geht darum, möglichst viele Kontaktpunkte zu schaffen und positiv zu besetzen. Kreditinstitute können hier viel von Google, Amazon, Facebook und Apple lernen, so der Autor. Das schließt auch Big Data ein. Sich im Wettbewerb mit den Fintechs auf die Banklizenz zu verlassen, ist jedenfalls keine Option. Das Filialnetz wird in diesem Umfeld nach Einschätzung des Autors bald nur noch eine Nebenrolle für eine kleine Kundengruppe spielen. Im Firmenkundengeschäft sieht das allerdings anders aus. Red.

Im Zuge der Digitalisierung entwickelt insbesondere die jüngere Generation ein anderes Verhältnis zu Konten, Zahlungen, Geldanlage sowie Banken und virtuellen Finanzdienstleistern wie ihre Eltern und Großeltern. Diese "Digital Natives" werden mit Internet, Smartphone und Digitalisierung groß und haben hier einen ungezwungenen Zugang. Es drängt sich die Frage auf: Wird es die klassische Bankfiliale in Zukunft überhaupt noch geben beziehungsweise wird sie noch benötigt? Eine kritische Analyse bestehender Vertriebsmodelle ist für Banken und Sparkassen vonnöten, um den sich verändernden Kundenanforderungen gerecht zu werden.

Statistiken belegen, dass immer mehr Bankkunden ihren Finanzdienstleistungsanbieter explizit nach dem digitalen Angebot auswählen. Bei den unter Dreißigjährigen gilt das für die Mehrheit. Über die Hälfte aller Kunden mag es, mit ihrer Bank über verschiedene Kanäle hinweg kommunizieren zu können. 90 Prozent aller Transaktionen des einfachen Zahlungsverkehrs wickeln Kunden bereits online oder mobil ab. Nicht nur die Erfolgsstories von N26, Revolut und vergleichbaren Anbietern zeigen, dass Kunden Bankprodukte auch mobil per Smartphone abschließen wollen.

Klassische Banken machen Fortschritte

Das haben auch die Banken erkannt und arbeiten daran, ihr Angebot stetig zu erweitern, es sowohl unter Vertriebsaspekten als auch unter Kostengesichtspunkten wettbewerbsfähig zu gestalten. Und dies bezieht sich nicht nur auf die Privatkunden, sondern durchaus auch auf die Geschäfts- und Firmenkunden.

Es gibt diverse Studien zum digitalen Vertrieb und wie die traditionellen deutschen Banken und Sparkassen diesbezüglich aufgestellt sind. Natürlich können die Smartphone-Bank N26 und einige Direktbanken Punkte sammeln, da ihre Stärken im digitalen Vertrieb bestehen und Kunden Adressänderungen oder Kartensperrungen/-neubestellungen flexibel, eigenständig und vollständig digital vornehmen können. Tendenziell wird jedoch auch den traditionellen deutschen Kreditinstituten beim digitalen Marketing, der Suchmaschinenpräsenz, der Positionierung in Preisvergleichsportalen, dem Einsatz von Apps für mobile Endgeräte und der Benutzerfreundlichkeit durchaus ein erster Fortschritt bescheinigt.

Dagegen besteht darüber hinaus beim digitalen Vertrieb und bei digitalen Innovationen (Payments, Plattformen, Robo Advisory, über das Bankgeschäft hinausgehende Cross-Selling-Geschäfte und Zusatzservices) Nachholbedarf. Aber Vorsicht: Sowohl im traditionellen Bankvertrieb als auch in der digitalen Transformation stellen erfolgreiche Anbieter von Bank- und Finanzdienstleistungen den Kunden selbst in den Mittelpunkt. Den Kunden gut zu kennen und seine Bedürfnisse zu verstehen, ist und bleibt der Schlüssel zum Erfolg. Dabei ist es zielführend, die Kunden früh miteinzubeziehen und eine Kundenfeedback-Kultur so zu entwickeln, dass nur diejenigen Lösungen, die die Kunden wünschen, auch entwickelt werden. Amazon ist ein Beispiel gelungenen digitalen Vertriebs mit interaktivem Kundenfeedback.

Von den GAFAs lernen

Es ist zu kurz gesprungen, dass man in der digitalen Transformation zwar die Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette optimiert (Robotic Process Automation). Es gilt vielmehr, Distanz zum Kunden abzubauen und bestimmte Berührungspunkte positiv zu besetzen sowie die Interaktion zu pflegen, den standardisierten, automatisierten und letztendlich digitalisierten Prozessen eine persönliche Note beizufügen.

So sollten Banken durch die entsprechenden Angebote eine höhere Anzahl an Kundenberührungspunkten und Kundeninteraktionspunkten generieren, die vom Kunden als echter Mehrwert wahrgenommen werden. Dazu müssen die Anbieter von Bank- und Finanzdienstleistungen aber noch intelligentere Mechanismen schaffen, um sich zu einem echten digitalen Finanzbegleiter und -optimierer zu entwickeln. Sie können dabei viel von den sogenannten GAFAs (Google, Amazon, Facebook, Apple & Co.) lernen.

Dazu könnte eine intelligente Unterstützung der Hausplanung für Privatkunden beitragen, zum Beispiel mit dem Ausgleich eines Dispokredits durch Nutzung von Termingeldgut haben oder eine intelligentere Ausgabensteuerung über das Setzen von Limits in Verknüpfung mit dem Haushaltsbuch. Für mittelständische Kunden wären ein flexibles Liquiditätsmanagement, E-Invoicing, flexibles Nutzen von Factoring sowie Finanzierungs- sowie Geldanlageangebote denkbar bis hin zu Umsatzsteuervorveranlagung und -abführung.

Cross-Selling-Geschäfte und Zusatzservices ("Beyond Banking") sind für Banken und Sparkassen wichtig, um neue Ertragsquellen zu erschließen. Anbieter von Finanzdienstleistungsplattformen wie Revolut, Finbc oder Liqease stoßen in diese Kerbe und bieten auch Banken an, als sich als Teilnehmer auf ihre Plattform zu begeben. Der Aufbau von derartigen Plattformen und digitalen Ecosystems bietet viele Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle und zusätzliche Ertragsquellen. Das schließt zentrales und kundenfreundliches Onboarden, Branchen- und Bonitätsinformationen, Marktanalysen, Peer-Group- Vergleiche und Benchmarking mit ein.

Digitale Daten in nutzbare Profile umwandeln

Auch Big Data Analytics und Künstlicher Intelligenz könnte eine entscheidende Rolle zukommen: Datenbasierte Kundenanalyse, Vorhersagen von Kundenverhalten und -präferenzen, intelligente proaktive Empfehlung von klassischen Bankservices wie auch Zusatzservices. Unter anderem Google hat es vorgemacht. Grundsätzlich geht es hierbei darum, digitale Daten in nutzbare Besucher- und Kundenprofile umzuwandeln und so personalisierte Komponenten als Standards im Beratungsprozess einbauen zu können.

Letztendlich sollten Banken auch Fintech-Startups nicht außer Acht lassen, sei es durch Kooperationen, Joint Ventures, Beteiligungen oder Übernahmen, die Symbiose und Kooperation suchen. Vielfach bringen Fintechs mehr innovative PS auf die Straße als die Old-School-Finanzinstitute. Einerseits werden Fintechs den Banken in einigen Bereichen einen Schritt voraus sein. Andererseits kündigt sich auch eine Änderung des Berufsbilds des klassischen Bankberaters an: So werden physische Kundenberater durch digitale Anwendungen unterstützt beziehungsweise teilweise sogar ersetzt.

Nicht auf der Banklizenz ausruhen

Aktuelle Veränderungen im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung machen zudem deutlich, dass Kunden prinzipiell weniger daran interessiert sind, wer eine definierte Leistung erbringt, als dass sie sich vielmehr im Prozess, kanalunabhängig, durch gehend abgeholt und verstanden wissen. Die Kunden haben eine größere Transparenz im sich verschärfenden Wettbewerb von Finanzdienstleistungen.

Banken und Sparkassen dürfen sich nicht länger ihrer Sache mit ihrer KWG-Banklizenz zu sicher sein: Die ersten Internetbanken haben auch Banklizenzen von der Aufsicht bekommen, eine Reihe von Fintechs überbrückt dies mit Kooperationen mit Banken wie der Solaris-Bank oder der Fidor-Bank.

Die deutschen Banken müssen ihr digitales Produkt- und Serviceangebot komplettieren, um nicht von ausländischen Banken, Fintechs und den sogenannte "GAFAs" (Google, Amazon, Facebook, Apple & Co.) abgehängt zu werden.

Nachfolgende Generationen werden noch offener für digitale Lösungen sein und modernste Benutzer-Endgeräte nutzen, die viel mehr können als die heutigen Smartphones. Sie werden die Bank-, EC- und Kreditkarten und immer mehr Funktionen und Services übernehmen (M-Commerce). Das chinesische Wechat mag wegweisend sein, um noch weiter und leistungsfähiger als Google, Amazon, Facebook und Apple zu agieren und Kunden an sich zu binden sowie ihnen im Alltag als allgegenwärtiger Assistent zur Verfügung zu stehen.

Die Filiale wird zur Nebensache

Der Bankkunde profitiert von Ortsunabhängigkeit, Verfügbarkeit der Dienste rund um die Uhr, Interaktivität und Individualität. Anliegen können zeitnah und jederzeit bearbeitet und ausgeführt werden, was den Komfort für den Kunden hebt.

Zudem geht die Entwicklung auf Bankseite weiter in Richtung immer benutzerfreundlicherer Services. Das filialgestützte Bankgeschäft wird daher allenfalls eine Nebenrolle einnehmen, da zunehmend weniger Kunden eine lokale Filiale aufsuchen, und Kunden fokussieren, die - entgegen dem Trend - digitalem Banking abgeneigt sind oder aber aufgrund der Komplexität ihrer Finanzgeschäfte eine persönliche Individualbetreuung benötigen oder wünschen.

Im Firmenkundengeschäft weiter relevant

Dies bedeutet zwangsläufig, dass immer mehr Filialen schließen werden - ein Trend, den Bundeskanzlerin Merkel auf dem 26. Deutschen Sparkassentag am 15. Mai in Hamburg kritisiert hat, schließlich verlieren Regionen dadurch an Struktur und Bezug. Insbesondere in ländlichen Gegenden trägt so auch das "Bankensterben" dazu bei, dass sich die ansässige Bevölkerung zurückgelassen fühlt. Attraktivität und positive Standortfaktoren in der Fläche - für Anwohner wie für Unternehmen - nehmen dadurch ab. Das Versprechen der Bundesregierung von "Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland" wirkt vor diesem Hintergrund wie Makulatur.

Gerade für das Firmenkundengeschäft sind Filialen allerdings nicht zu unterschätzen. Denn Finanzdienstleistungen für Unternehmen und Selbstständige, insbesondere des Mittelstands, werden in großer Masse durch lokal ansässige Bankenfilialen erbracht. So sind allein im Jahr 2017 41,5 Prozent aller Unternehmenskredite von Sparkassen und Landesbanken - also klassisch filialbasierten Kreditinstituten - vergeben worden (Bankenverband). Anders als Privatkunden schätzen Firmenkunden die lokale und regionale Erreichbarkeit ihres Kreditgebers. Der Ruf des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, weitere Filialschließungen zu vermeiden, ist da nur allzu verständlich.

Für die Preisgestaltung nicht folgenlos

Dem Trend zum Filialsterben sollten Banken daher mit neuen Ideen entgegentreten, um gleichfalls ihr Firmengeschäft zu bewahren und zu pflegen und um Instant-Banking-gewöhnte Privatkunden zu binden. Die Filialpräsenz sollte daher modernisiert und auf die Bedürfnisse der Privatkunden zugeschnitten werden. Banken müssen vor diesem Hintergrund vor allem ihr digitales Angebot verbessern und die Attraktivität ihrer Filialen für jüngere Generationen in der Fläche heben. Da auch Umfragen zeigen, dass sich knapp zwei Drittel der Kunden sowohl Digital- als auch Filialpräsenzangebote der Banken wünschen, liegt hierin das Potenzial sowohl junge als auch ältere und Seniorengenerationen an Kunden weiterhin zu bedienen und zu binden.

Für die Preisgestaltung einer Filialbank kann dies allerdings nicht folgenlos bleiben; da das Filialgeschäft durch die Präsenz der Bank vor Ort hohe Kosten verursacht, müsste sie diese folglich auf der Einnahmenseite - zu der auch Kontoführungsgebühren gehören - ausgleichen. Angesichts des aktuellen Niedrigzinsumfelds liegt genau hierin eine Kostenherausforderung, wenn der ROI durch das Filialgeschäft nur marginal ausfällt und für jeden in Filialen erwirtschaftete Euro 80 oder sogar 90 Cent aufgebracht werden müssen.

Frank Thole, Partner, WEPEX Unternehmensberatung, Frankfurt am Main
Frank Thole , Partner , WEPEX Unternehmensberatung, Frankfurt am Main

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