FIRMENKUNDENGESCHÄFT

Das Firmenkundengeschäft im Kontext der Plattformökonomie

Uwe Baust, Foto: Stadtsparkasse Düsseldorf

Eine Wachablösung durch Fintechs und Plattformen im Firmenkundengeschäft ist nicht in Reichweite, sagt Uwe Baust. Schließlich ist "Convenience" mehr als nur der schnelle Kreditabschluss, und der Lackmustest für Fintechs und Bigtechs steht ohnehin noch aus. Deshalb sieht der Autor es auch kritisch, die gute Ausgangsbasis der Sparkassen durch eine völlig offene Angebotsarchitektur herzuschenken und dadurch die Kundenschnittstelle wie auch die Margen zu gefährden. Vielmehr gelte es, durch Investitionen in technische Infrastruktur und Mehrwerte für die Kunden die klassischen Hausbanktugenden aufzuwerten. Red.

Mit dem Aufkommen von Direktbanken, Big- und Fintechs wird seit einigen Jahren die Frage diskutiert, ob Kreditinstitute nach herkömmlichem Muster überhaupt noch gebraucht werden. Werden nicht in Zukunft digitale Plattformen die Funktion als Intermediäre übernehmen und somit das Ende der traditionellen Kreditwirtschaft einläuten?

Einer der bekanntesten Vordenker des digitalen Wandels in Deutschland, Christoph Keese, hat - wie viele andere auch - diese Ansicht in seinen Büchern und Vorträgen immer wieder bekräftigt. In vielen Zeitschriften und in den Tagesmedien findet diese These ebenso zahlreiche Unterstützer. Bigtechs und Fintechs selbst und die Beraterzunft wirken dabei geschickt meinungsbildend und treffen auf tradierte Banker, die sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, den disruptiven Charakter des digitalen Zeitalters nicht verstanden und in harte Strategieschwenks umgesetzt zu haben.

Mausklick-Banking gibt es nicht nur auf Plattformen

In einer Beilage des Handelsblatts zum Thema Mittelstandsfinanzierung war ein Beitrag eines Fintechs wie folgt überschrieben: "Mit einem Mausklick - Kein Mittelständler, der Geld braucht, muss heutzutage noch zur Bank gehen. Eine Vielzahl von Online-Plattformen bietet ein breites Spektrum an Finanzinstrumenten an."

Das stimmt zwar, aber der hier erweckte Anschein, dass "Mausklick-Banking" nur über Plattformen funktioniert, ist durch das individuelle Interesse des besagten Fintechs gesteuert und so nicht korrekt (auch wenn Sparkassen und Banken hier noch viele Hausaufgaben zu erledigen haben). Im Privatkundengeschäft ist digitales Banking schon heute gang und gäbe (auch bei traditionellen Sparkassen und Filialbanken). Aber ebenso Unternehmen jeglicher Größe können hierauf schrittweise zurückgreifen.

Firmenkundengeschäft ist mehr als bequemer Kreditabschluss

Es ist aber nicht hinreichend, als Basis für maßgebliche strategische Entscheidungen die Beziehung von Unternehmenskunde und Kreditinstitut auf den Aspekt bequemer Finanzierungsbeschaffung zu reduzieren. Tatsächlich umfasst das Angebot einer Sparkasse oder Bank neben einer Vielzahl einfacher, standardisierter Angebote, wie zum Beispiel einer Instant-Payment-Überweisung oder eines Standard-Förderkredites, zusätzlich auch ein ganzes Bündel von Produkten und Dienstleistungen, die oft erst in der Gesamtheit oder in ihrer spezifischen Ausformung beziehungsweise im Zusammenhang mit expliziter Beratung einen Mehrwert für die Unternehmenskunden bieten.

Hier bieten Fintechs, Direktbanken und andere Protagonisten als Plattformoder Marktplatzbetreiber in aller Regel nichts Vergleichbares an, schon gar nicht für KMUs, die eben ohne umfangreiche eigene Finanzabteilungen ihre finanzwirtschaftliche Gegenwart und Zukunft gestalten müssen.

Digitalisierung ersetzt keine Beratungsleistung

Prognosen von vermeintlichen Experten, wonach digitale Marktführer wie Amazon oder Google und Fintechs das Geschäft der Banken übernehmen und die altehrwürdige Branche sich in Luft auflösen wird, sind populär, negieren aber auch die Fortschritte tradierter Bankanbieter. Das Zeitalter der Digitalisierung bedeutet im Kern keine bloße Technik-Revolution oder eine Herrschaft der Algorithmen, sondern in letzter Konsequenz - wenn alle (überlebenden) Anbieter, egal ob Fintech oder klassische Sparkasse, alle technischen Möglichkeiten adaptiert und sich auf ein digitales Level Playing Field eingependelt haben - folgt die Konzentration auf das Wesentliche, auf das, was nur Menschen leisten können.

Richtig ist aber auch: Die Digitalisierung wird die Kreditwirtschaft natürlich weiterhin und mit extrem zunehmender Geschwindigkeit signifikant verändern. Technische Innovationen haben, auch früher schon äußerst disruptiv, immer wieder zu Anpassungen und Weiterentwicklungen von Geschäftsmodellen und strategischen Ausrichtungen geführt: Beispiele sind die Einführung der EDV, das Onlinebanking oder die Etablierung des Internets - inzwischen für uns alle selbstverständlich, früher Utopie. Diese Neuerungen haben den Bankbetrieb in den vergangenen Jahrzehnten ebenso verändert wie das Verhalten der Kunden, die diesen neuen "Möglichkeiten-Raum" nutzen wollen.

Die exponentielle Entwicklung digitaler Lösungen und Künstlicher Intelligenz schaffen die Grundlage für weitere massive Innovationsschübe, bei denen nun erstmals seit wenigen Jahren neue Spieler im Markt versuchen, sich zwischen Bank und Kunde zu schieben. Damit wird die in jedem Bankbetriebslehrbuch beschriebene Intermediär-Funktion der Banken attackiert.

Auch ich gehe davon aus, dass die digitalen Techniken Standardprozesse - dazu gehören große Teile der Servicedienstleistungen und sogenannte Transaktionsgeschäfte, die heute noch von Mitarbeiter verrichtet werden - innerhalb von fünf Jahren weitgehend übernehmen werden. Und natürlich wird auch die Künstliche Intelligenz anspruchsvollere Beratungen und Analysen mehr und mehr unterstützen. Zudem wird eine Beratungsleistung ohne eine "State-of-the-Art-Data-Analytics"-Basis und dahinterliegende medienbruchfreie End-to-End-Prozesse nicht wettbewerbsfähig sein. In diesem Kontext ist also die Digitalisierung wiederum ein unverzichtbares Werkzeug und (positiv wirkender) Kostenfaktor für die Zukunft der auch persönlichen Beratung im Mittelstandsgeschäft.

Predictive Analytics fahrlässig wenig genutzt

Hinzu kommt das enorme, bisher bei klassischen Banken gerade im Vergleich zu Bigtechs fahrlässig wenig genutzte Potenzial, mithilfe von Data Analytics auf ein konkretes Kunden-Momentum (zum Beispiel eine Suchanfrage im Internet oder eine spezifische Kontobewegung) mit in Echtzeit digital platzierten Angeboten zu reagieren oder dieses Momentum sogar zu antizipieren. Hier sprechen wir dann von Predictive Analytics, um den Zielkunden sogar proaktiv anzusprechen.

Derart aufgerüstet, wird der klassische stationäre, sprich persönliche Betreuungskanal sukzessive eine Spezialistenfunktion für Kunden in komplexeren Beratungssituationen einnehmen, die aber auch entsprechend höhere und notwendige Ertragspotenziale für die Banken, neudeutsch Wallets genannt, bieten.

Gerade die Online-Angebote der Sparkassenorganisation bieten dafür einen herausragenden Aufsatzpunkt, den andere Banken, Big- und Fintechs gerne hätten. Genau deshalb drängen sie auch mit allen Mitteln - inklusive Dauerbeschallung der zitierten "Souffleure" - in Kooperationen mit den angeblich doch so überholten Banken.

Diese hervorragende Ausgangsposition tradierter Sparkassen und mancher Filialbanken untermauern auch die steigenden Nutzungszahlen bankeigener digitaler Angebote. Laut Finanz Informatik nutzten beispielsweise Ende 2020 elf Millionen Kunden die Sparkassen-App, ein Zuwachs um 16 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor. Auch die Zahl der Onlinebanking-Nutzer stieg um acht Prozent auf 23 Millionen.

Gestaltungsspielraum im Beratungsgeschäft

Im Umkehrschluss bedeutet dies alles aber auch, dass die wertvollen, hierdurch freigesetzten, gleichzeitig aber aufgrund demografischer Entwicklungen knapper werdenden Mitarbeiter-Ressourcen qualitativ auf echten und somit vom Kunden auch empfundenen und honorierten Mehrwert bei Beratungsdienstleistungen ausgerichtet werden können und müssen.

Dass dies wiederum aus Sicht der Personalarbeit impliziert, dass derart hochqualifizierte Mitarbeiter im Bankberatungsgeschäft ihr Grundbedürfnis nach Gestaltungsspielraum in der Arbeitswelt verstärkt reklamieren werden, so der Hirnforscher Gerald Hüther, ist für die Stadtsparkasse Düsseldorf eine wichtige Konsequenz und Voraussetzung für wettbewerbsfähige Beratungsleistungen.

Analoges Potenzial nicht verschenken

Auch das viel zitierte geänderte Nachfrageverhalten determiniert keineswegs eindeutig das Auflösen klassischer Bankanbieter, auch wenn Teilaspekte wie beispielsweise die Bedeutung von Schnelligkeit ("Time to Market") und Bequemlichkeit ("Convenience") als Ausdrucksformen technischer Möglichkeiten, gepaart mit zunehmenden Hedonismus, unstrittig im Marketing auch klassischer Bankanbieter erfolgskritisch sind.

So gibt es laut einer Umfrage (Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse) zur Einstellung zu Direktbanken im Jahr 2021 mehr als 36 Millionen Personen in der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren, die Direktbanken ablehnen.

Auch wenn Big- und Fintechs keine Direktbanken sind, so ist dies doch eine klare Indikation, wie sehr Nutzer auch weiterhin den Faktor Mensch bankseits regelrecht suchen, insbesondere in wichtigen Phasen des Kunden-Lebenszyklus, egal ob Unternehmen oder Privatperson. Und folgerichtig kommen Neukundenakquisitionen bei Banken immer noch überwiegend durch persönliche Kontakte zustande und legen damit - anders als beispielsweise Mitnahmeeffekte durch von Banken bezahlte "Begrüßungsgelder" - eine nachhaltige Basis für eine partnerschaftliche und profitable Kundenbeziehung.

Anders formuliert: Eine Bank, die alles, auch die Beratung, undifferenziert digitalisiert, verschenkt massiv "analoges Potenzial". Denn: Vielfach ist der mit flotten "Marketingsprechs" transportierte digitale Nutzen gar nicht erfolgskritisch.

Convenience ist mehr als der schnelle Abschluss

Der Mehrwert einer Fünf-Sekunden-Kreditzusage relativiert sich spätestens dann, wenn die individuelle Bedürfnissituation nicht zur standardisierten Angebotsstruktur passt oder die Marge für "Genuss-Sofortkredite" die jeweiligen Einkommensströme überfordert. Zum Nutzeranspruch "Convenience" gehört nicht nur der schnelle Abschluss - spätestens bei ergänzendem Gesprächsbedarf oder Zusatzservices werden Unterschiede zur klassischen Hausbankbeziehung überdeutlich.

Oder manch "digitaler Gimmick": Der Kühlschrank, der dann selbst die halbleere Milchflasche nachbestellt, im Bankkontext beispielsweise eine automatische Neuanlage vor Fälligkeit, ist vielfach gar nicht auf dem Kundenradar oder der Kunde möchte da erst einmal ein Gespräch führen.

Plattformökonomie als strategische Handlungsoption

Plattformen stellen eine technische Möglichkeit für Kunden dar, einen bestimmten Bedarf (zum Beispiel eine Finanzierung oder Einlage) digital an eine Vielzahl unterschiedlichster Anbieter zu adressieren und dabei gemäß Leistungsversprechen des Plattformbetreibers das tatsächlich oder vermeintlich beste Angebot zu erhalten und End-to-End digital abzuschließen (was de facto häufig an Grenzen stößt). Am bekanntesten sind hierbei sogenannte Vergleichsplattformen, aber es gibt auch im Firmenkundengeschäft sonstige Marktplatzbetreiber oder Kreditplattformanbieter.

Im Gegensatz dazu sind sogenannte Ökosysteme zu sehen, die die originären "Kerngeschäfts"-Angebote sowohl tradierter Anbieter als auch von Plattformbetreibern im Sinne eines komplementären Produkt- oder Informationsangebotes ergänzen. Ein Beispiel wäre hier das Angebot einer Vermittlung von Handwerkerservices beim Abschluss einer Baufinanzierung. Häufig firmieren diese Ökosysteme im Bankkontext unter dem Rubrum "Beyond-Banking"- Dienstleistungen.

Bei den heute im Fokus stehenden Plattformen wiederum sind grob drei Arten zu differenzieren, die teilweise auch kombiniert auftreten können:

- Erstens, eine eigene (tatsächlich oder als White Label betriebene) Bank-Plattform als geschlossenes System, sprich ausschließlich mit den eigenen, tradierten Angeboten bestückt. De facto ist ein solches Angebot meines Erachtens nicht Teil der Plattformökonomie.

- Zweitens, eine eigene (tatsächlich oder als White Label betriebene) Bankplattform als offenes System. Derart agiert die Bank oder Sparkasse somit als "Kunden-Bank". Hier wiederum sind zwei in ihrer Ausprägung und strategischen Bedeutung äußerst unterschiedliche Varianten zu betrachten: Zum einen ein offenes System mit punktueller Verbindung zu Drittanbietern - eine Spielart, die aktuell durchaus häufig zu beobachten ist. Ein Beispiel wäre eine Bank, die online ausschließlich ihre eigenen Produkte anbietet, Einlagenwünsche ihrer Kunden aber für sogenannte Zinsplattformen öffnet. Zum anderen ein offenes System mit umfassender Verbindung zu Drittanbietern. Der "reinen Lehre" nach ist ausschließlich diese Variante als Plattformökonomie zu verstehen; nur sie würde eine 100-prozentige Kundenorientierung mit technischen Möglichkeiten adäquat verbinden. Die Bank tritt somit letztlich als Zubringer auf der Plattform auf.

- Und schließlich gibt es noch die Spielart, nicht als Betreiber, sondern als Anbieter im Sinne einer "Produkt-Bank" auf einer externen Plattform eines Drittanbieters zu agieren.

Öffnung für Plattformen gefährdet die Margen

Banken müssen sich selbst zu (Vergleichs-)Plattformanbietern entwickeln oder sich - noch besser - vollkommen für bestehende Plattformen öffnen - so oder ähnlich liest und hört man es seit Jahren immer wieder. Dies ist die aktuell am heißesten diskutierte Thematik in der Bankenszene. Die strategischen Implikationen für jede Sparkasse oder Bank hängen massiv davon ab, welche Rolle sie auf einer Plattform einnimmt (oder nicht).

Im Mainstream der Meinungen gibt es kaum noch Zweifler: Klassische Anbieter von Bankdienstleistungen müssen über ihr gesamtes Produktspektrum uneingeschränkt in einer offenen Architektur jede Nachfrage analog etablierter Vergleichsplattformen für Wettbewerbsangebote zugänglich machen. Nur so ließen sich die (Bestands-)Kundenschnittstelle sichern, neue Kundenkreise erschließen und wenigstens Vermittlungsprovisionen verdienen.

Mich erinnert diese Sichtweise - zumindest für manche, eventuell nicht alle Anbieter - eher an Selbstmord aus Angst vor dem Tod. An eine Abschaffung tradierter Banksäulen durch die Hintertür. Oder mit den Worten von Prof. Buschmeier der Universität Fulda: "Die Bank als Plattform? Diese Idee zeugt von Naivität und Unkenntnis."

Wer glaubt, er sei noch Hausbank ("Sicherung der Kundenschnittstelle"), wenn ein Big- oder Fintech oder eine dritte Bank den Zuschlag über eine derartige Plattform erhält, wird in Echtzeit erleben, wie seine Kunden - oft ohne ursächlichen Bedarf und vor allem Mehrwert - von nun an mit Angeboten derselben Anbieter überhäuft werden und die Kundenschnittstelle rasch perdu ist.

De facto gilt bereits heute die "The winner takes it all"-Hypothese: Etablierte Vergleichsplattformen dominieren aus Oligopolstrukturen heraus den Markt. Plattformen einzelner Banken, selbst einzelner Gruppen der drei klassischen Säulen der deutschen Bankwirtschaft, widersprechen geradezu dem klassischen Plattformgedanken aus Nutzersicht. Hier fehlt dann die kundenseitig vermutete Neutralität.

Und: Natürlich werden oligopolistische Plattformbetreiber den Banken, die wahlweise ihre Kunden auf diese Plattformen weiterleiten oder als Bieter auf diesen Plattformen agieren, schrittweise den "Margenhahn" zudrehen. Wie sollen Banken da realistische auskömmliche Renditeperspektiven entwickeln?

Kundenmehrwerte als Alternative

Die Alternative lautet: nachhaltig vertrauensbildende, streng auf KMU ausgerichtete Kundenmehrwerte bieten. Das sind beispielsweise eine hohe Beratungsqualität, bequeme Abwicklung, Kontinuität der geschäftspolitischen Ausrichtung, Zuverlässigkeit in der Kreditpolitik über unterschiedliche Konjunkturzyklen und Lebensphasen der Mittelstandskunden hinweg, günstige, aber nicht billige Konditionen - und das alles unter den strengen Nebenbedingungen einer akzeptablen Time-to-Market. Kurzum: klassische Hausbank-Tugenden.

Aber es stimmt auch: Ein rein stationärer Hausbankbetrieb reicht nicht. Ohne gleichwertig organisierte Omnikanalangebote über alle verfügbaren Ein- und Ausgangskanäle hinweg, die der Kunde wahlweise nutzen kann, kann keine Hausbank der Zukunft für den Mittelstand existieren.

Bewährungsprobe für Big- und Fintechs steht noch aus

All die Big- und Fintechs und Plattformanbieter im Bankgeschäft sind in eine zehnjährige Schönwetter-Konjunkturdekade hineingeboren worden. Der Lackmustest aus Kunden- (und Aufsichts-) Sicht kommt dann im volkswirtschaftlichen Abschwung oder bei etwaigen Rechtsverstößen.

Die genannten Anbieter leben, neben geänderten Nutzerverhalten und extrem hohen Marketingetats, von aggressiven Preisen basierend auf maximal kostengünstiger Produktion, sprich bedingungsloser Standardisierung (auch wenn Künstliche Intelligenz diese sukzessive zum Teil flexibilisieren wird).

Was das für die Kunden in rezessiven Phasen bedeutet, liegt ex ante auf der Hand: Standardisierte Geschäftsmodelle, wie die von Kreditplattformen, werden im Fall von Leistungsstörungen auch standardisiert-anonymisiert Kundenbeziehungen undifferenziert und zügig abwickeln (müssen) - zumal es ja gar kein Personal und Know-how für eine auch gar nicht mit entsprechenden Risikokosten und erwarteten Verlusten eingepreiste Restrukturierungsbetreuung gibt.

Und was heißt das eigentlich im Umkehrschluss, wenn ein Kredit eines solchen Anbieters leistungsgestört wird - etwa wegen Corona, einer Wirtschaftsflaute oder anderen Gründen - und beispielsweise eines neuen Rückzahlungsplanes bedarf? Wird das dann auch in fünf Sekunden an dritte Inkasso-Unternehmen digital durchgeroutet und exekutiert? Die Antwort lautet in der Regel: ja!

Und was ist mit den Preisen? Mittelständler mit Bonitäten im Bereich Schulnote drei bis vier reiben sich oft die Augen und fahren im Gesamtkontext einer Hausbankbeziehung oft günstiger.

Zudem gilt: Viele Vorteile gegenüber den klassischen Bankanbietern werden sich durch eine zunehmende Aufmerksamkeit der Regulierungsbehörden, die Big- und Fintechs dauerhaft nicht besserstellen können, einer harten Belastungsprobe unterziehen müssen. Kostenintensive und haftungsrelevante Stichwörter sind hier beispielsweise Verbraucherschutzbestimmungen, DSGVO, Eigenkapitalanforderungen, Geldwäschebestimmungen oder das Prüfungs- und Berichtswesen.

Und bis heute dürfte es trotz Welpenschutz durch eine in Teilen asymmetrische Regulierung und eine Strategie des Rosinenpickens kaum ein Big- oder Fintech geben, das mit Bankgeschäft positive Erträge erwirtschaftet. Vielmehr sterben täglich Fintechs, während die deutschen Sparkassen selbst im Corona-Krisenjahr 2020 immerhin noch im Schnitt eine Eigenkapitalrendite von 5,4 Prozent erwirtschafteten.

Zur Vollständigkeit: Dagegen gibt es sehr wohl Kundenbedarfe und überzeugende Chancen, die originäre Wertschöpfungskette einer Hausbank über hauseigene Portale (nicht: Plattformen), wie zum Beispiel das Firmenkundenportal der Sparkassen, mit komplementären Angeboten von Nichtbankanbietern zu erweitern.

Gelebte Beispiele der Stadtsparkasse Düsseldorf eines solchen zu klassifizierenden Angebotes sind: mit der Bank- oder auch Datev-Schnittstelle ohne Medienbruch verbundenen Anbieter von Buchhaltungs- oder Reiseabrechnungssoftware und Kontierungshilfen, das Öffnen des Netzwerkes aus bankeigenen Venture-Capital-Beteiligungen für Mittelstandskunden und viele andere mehr.

Etwas anderes ist es auch, als Bank die Entscheidung zu treffen, sich als Anbieter auf externe Plattformen aufzuschalten, um beispielsweise dauerhaft standardisierte Baufinanzierungen zu akquirieren und eventuell sogar darüber eine dauerhafte Verbindung zum - allerdings offensichtlich ja eher bindungslos suchenden - Nachfrager aufzubauen. Meiner Meinung nach wird diese Variante im Firmenkundengeschäft von Großsparkassen mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen (anders als eventuell im Privatkundengeschäft) aus den dargestellten Argumenten heraus aber eher keine erfolgsversprechende Option darstellen.

Kreditgeschäft mit KMU: kein Trend zu Plattformanbietern

Aktuelle Zahlen zur geschäftlichen Entwicklung von Fintechs lassen bei der Unternehmensfinanzierung Zweifel am Erfolg von Fintechs in diesem Segment aufkommen:

- Beispiel 1: Der Crowdinvest Marktreport 2020 belegt ein Gesamtfinanzierungs(bestands)volumen für KMU seit 2011 in Höhe von gerade einmal 407,24 Millionen Euro (Crowd finanzierte Kreditprojekte von Plattformen). 2020 betrug das (Crowdfunding-)Neugeschäft 54,4 Millionen Euro. Diese Zahlen spiegeln also keine signifikante Marktanteilsgewinnung von Fintechs im Bereich der derartigen Unternehmensfinanzierung wider.

- Beispiel 2: Auch das Kreditvermittlungsgeschäft für KMU verläuft eher verhalten. Der selbst ernannte führende "digitale Mittelstandsfinanzierer" Creditshelf hat 2020 Kredite in Höhe von 98,25 Millionen Euro vermittelt. Das ist zwar eine Steigerung um 11,84 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, bleibt aber absolut überschaubar.

- Beispiel 3: Der Markt für "digital abgeschlossene" Kredite für KMU (hier Kredite unter eine Million Euro und für Unternehmen bis 50 Millionen Euro Umsatz) hat laut einer Studie von Barkow Consulting dagegen im Jahr 2019 immerhin ein Neugeschäftsvolumen von rund einer Milliarde Euro generiert; seit 2016 verdoppeln sich Barkow zufolge die Neugeschäftsbeträge im Schnitt jährlich und man prognostiziert für 2024 ein Neugeschäftsvolumen von rund 4 Milliarden Euro und damit einen Marktanteil von etwa 7 Prozent. Die Anbieter dieser "digitalen Kredite" sind aktuell in der Tat noch weitestgehend (16 von 21) Anbieter aus dem Kreise von Fintechs und Plattformen. Hier haben die tradierten Banken noch signifikanten Nachholbedarf. Aber: Sie legen langsam los.

Zum Vergleich: Alleine die deutschen Sparkassen und Landesbanken, mit großem Abstand größte Kreditgeber für deutsche KMUs beziehungsweise den Mittelstand, haben 2020 rund 646 Milliarden Euro Kreditbestände ausgewiesen. Diese Zahlen belegen, dass die Unternehmen in Deutschland weiterhin auf traditionelle Hausbankbeziehungen setzen und eine Wachablösung durch Fintechs und Plattformen im Firmenkundengeschäft nicht in Reichweite ist. Dies aber nur, solange die tradierten Hausbanken ihre hier skizzierten Hausaufgaben erledigen und ohne Wenn und Aber erkennen, dass auch digital abgeschlossene Kredite signifikant stärker von ihnen anzubieten sind.

Trotz aller Veränderungen in der Kreditwirtschaft und digitalen Entwicklungssprüngen in den letzten 20 Jahren hat sich die Struktur der Kundenverbindung zwischen Unternehmen und dem einzelnen Kreditinstitut bis dato also nur wenig gewandelt. Es gibt aktuell keine Evidenz, dass die Digitalisierung diese festen Geschäftsbeziehungen auflösen wird! Dass sie sie ergänzen muss, steht demgegenüber außer Frage.

Mutig investieren

Mit maximal digitalisierten internen Prozessen, maximal digitalisierten Transaktionsgeschäften, aber auch maxi maler Betonung vorgenannter Alleinstellungsmerkmale in der Beratungsqualität und sonstiger klassischer Hausbankpositionen (ergänzt durch signifikante Investitionen in eine zeitgemäße Omnikanalstrategie inklusive entsprechender Mitarbeiterprofile) gibt es für eine Hausbank der Zukunft im Mittelstandsgeschäft gute Perspektiven.

Drei Viertel aller Unternehmen haben Geschäftsbeziehungen zu einem Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe in Deutschland. Angesichts der guten Ausgangsbasis der Sparkassen wäre es doch geradezu ein Paradoxon, diese Position Wettbewerbern der Plattformökonomie auch noch freiwillig über eine völlig offene Angebotsarchitektur herzuschenken. Mutige Investitionen in die technische Infrastruktur, gepaart mit einem realistischen Chancen- und Risikobewusstsein bezüglich geänderten Nutzerverhalten und digitaler (R)evolution sind als Reaktion auf die Souffleure und Lemminge einer bedingungslosen Auflösung von Hausbanken in die Plattformökonomie gefragt.

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder.

Uwe Baust , Mitglied des Vorstands , Stadtsparkasse Düsseldorf

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