BANK UND TECHNIK

Für Open Banking ist die Cloud unverzichtbar

Achim Thienel, Foto: Finastra

Open Banking birgt Chancen für Banken. Es braucht allerdings auch das technologische Fundament. Letzteres sieht Achim Thienel in der Cloud. So werden IT-Infrastrukturen schlanker die Rechenkapazitäten skalierbarer und die Einbindung von Drittanbieterlösungen einfacher. Auch länder- oder regionalspezifische Regularien sind heute kein Hindernis mehr. Wachsende Datenmengen fördern den Weg in die Cloud zusätzlich. Insofern ist auch die Corona-Pandemie ein weiterer Treiber. Red.

Durch Ansätze wie der Open-Banking-Philosophie und der wachsenden Akzeptanz von API-basierten Architekturen sind junge Fintechs in der Lage, spannende neue Funktionen und Services bereitzustellen. Die Anwendungsfelder reichen vom Payment bis hin zum Investment Banking. Für Kunden klassischer Bankdienstleistungen bringen viele dieser neuen Features vor allem deutlich angenehmere Nutzererfahrungen mit sich.

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Nach einer Studie, für die wir weltweit 774 Finanzinstitutionen befragt haben, planen 86 Prozent der Teilnehmer innerhalb der kommenden zwölf Monate den Einsatz von APIs, um Open-Banking-Strukturen zu etablieren. In der Tat haben diese Ansätze eine gewisse Demokratisierung in die Finanzdienstleistungsbranche gebracht. Dennoch stellt sich die Frage, ob aus dem Zusammentreffen von Bigtechs, traditionellen Finanzunternehmen und Fintechs ein Ökosystem entstehen kann, von dem alle Beteiligten profitieren. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, wie Daten geschützt, geteilt und verwaltet werden.

Cloud schafft technische Basis für neue Wege

Open Banking basiert auf einem grundlegenden Prinzip: Sämtliche Kundendaten, die in irgendeiner Weise in Verbindung mit Finanzdienstleistungen entstehen, müssen sicher vorgehalten und genutzt werden und zu jeder Zeit in der Kontrolle ihrer Besitzer, der Bankkunden, liegen. Zunächst einmal entsteht aus dieser grundlegenden Herangehensweise die Voraussetzung für Finanzdienstleistungen, die einen deutlich holistischeren Umgang mit Payment-Prozessen und der Aggregation von Konten und sonstigen Finanzprodukten ermöglichen.

Noch bedeutender ist allerdings der Umstand, dass Fintechs und Banken durch die Digitalisierung von Daten in der Lage sind, problemlos miteinander zu kooperieren und damit die gesamte Finanzbranche mit all ihren Strömungen, Playern und Einflussfaktoren näher zusammenzubringen. Open Banking birgt vor allem für kleinere und mittelständische Organisationen das Potenzial, die Integration von Payment- und Accounting-Plattformen voranzutreiben. Eine weitere Option, die sich mit Open Banking erschließt, ist die Nutzung von Daten für das Risikomanagement und die Kreditvergabe. Es braucht allerdings ein solides, technologisches Fundament, um eine niedrige Zugangsschwelle für skalierbare und zuverlässige Innovationen zu schaffen. Die Lösung liegt in der Cloud.

Mehr Möglichkeiten, weniger Aufwand

Finanzunternehmen können auf vielfältige Weise von der Cloud profitieren.

  • Zuvorderst entfällt die Notwendigkeit, Infrastrukturen auf internen Systemen vor Ort mit viel Aufwand verwalten zu müssen.
  • Auch die Einbindung von Drittanbieterlösungen kann zum Zeit- und Nervenfresser werden, wenn über APIs mit viel Mühe und Kreativität eine Anbindung an die on-premise liegenden Kernsysteme hergestellt werden muss. Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen weisen Cloud-Services generell eine deutlich ausgeprägtere Interoperabilität auf.
  • Darüber hinaus sind viele Cloud-Infrastrukturen auf dem neuesten Stand, wenn es um Automation und Resilienz geht, was in der Regel eine höhere Bereitstellungseffizienz mit sich bringt.

All diese Vorteile wirken sich nachhaltig auf das Geschäft von Banken aus: Während ein nennenswerter Anteil der Institute durchaus noch eine komplett eigene IT-Landschaft on-premise vorhält, steigt zugleich die Zahl derjenigen, die auf hybride Infrastrukturen umsatteln. Sie nutzen zum Beispiel CRM- oder HR-Anwendungen nach dem Software-as-a-Service-(SaaS-) Prinzip und betten damit Lösungen aus der Cloud in ihre Kernbanksysteme ein. Etablierte Banken nutzen zusehends Angebote aus der privaten Cloud, was ihnen klare Vorteile bringt: Sie nutzen die verteilten, skalierbaren Rechenkapazitäten von Cloud-Anbietern, während sie durch die Auslagerung von Prozessen und Anwendungen ihre eigene Infrastruktur um einiges schlanker gestalten können.

Angepasst an länder- oder regionalspezifische Regularien

Bis vor kurzem waren die Möglichkeiten größerer Banken vor allem durch Fragen nach der Datenhoheit und dem Speicherort eingeschränkt. Heutzutage haben Cloud-Anbieter größere Handlungsspielräume, wenn es darum geht, wo sich ihre Datenzentren befinden - die Standorte können den länder- oder regionalspezifischen Regularien angepasst werden. Aus dieser Entwicklung ergeben sich auch neue Optionen für Banken, die in Bereichen aktiv sind, die bisher nicht als Kandidaten für einen Cloud-basierten Ansatz in Betracht kamen.

In einem exemplarischen Beispiel geht ein Institut davon aus, dass die hauseigene IT bis zu 30 Prozent der Kosten einsparen wird. Im Gegenzug könne die Chance, Innovationen schneller und effizienter umzusetzen und sich dadurch eine bessere Marktposition zu sichern, Umsatzsteigerungen von bis zu 50 Prozent mit sich bringen.

Wachsende Datenmengen fördern den Trend in die Cloud

Es wundert also wenig, dass europäische Banken zurzeit Milliarden von Euro in die Modernisierung ihrer IT investieren - und sich damit den Weg freimachen, um größere Teile ihres Geschäfts in die Cloud zu verlagern. Diese Entwicklung hat laut einer Studie von Bloomberg außerdem dazu beigetragen, dass sich Bigtech-Giganten wie Google, Microsoft und Amazon wachsender Beliebtheit erfreuen. Es liegt nur wenige Wochen zurück, da einigten sich Google und die Deutsche Bank AG auf eine langfristige Partnerschaft, in deren Verlauf das Alphabet-Tochterunternehmen Deutschlands größtes Kreditinstitut mit allen Cloud Computing-Kapazitäten versorgen soll. Dieses Bündnis ist ein eindeutiges Zeichen dafür, was die Zukunft bringen wird. Gartner zufolge werden bis zum Jahr 2022 gut 28 Prozent der Unternehmen die Cloud nutzen, um große Teile ihrer transaktionsrelevanten Datenbestände sowie die dazugehörigen Systeme dezentral abzuwickeln. In einer weiteren Studie sagt Gartner zudem voraus, dass der weltweite Cloud-Computing-Markt in diesem Jahr um 17 Prozent wachsen und damit einen beachtlichen Gesamtwert von 266,4 Milliarden US-Dollar erzielen wird. Mit zunehmender Einbindung von Künstlicher Intelligenz in die Bankensysteme wird auch die Nutzung der Cloud immer wichtiger werden, da die Datenmengen im digitalisierten Banking unaufhörlich wachsen. Die Ereignisse der vergangenen Monate haben diese Entwicklung zusätzlich vorangetrieben.

Sars-Cov-2 als Treiber

Die Corona-Pandemie hat einen spürbaren Anstieg der Nutzungszahlen sowohl im Online-Banking als auch beim kontaktlosen Bezahlen mit sich gebracht. Als Reaktion schließt beispielsweise die Deutsche Bank schon im kommenden Jahr 100 ihrer 500 Filialen. Im Mai dieses Jahres stellte Paypal eine neue QR-Code-Funktion für berührungsfreie Transaktionen zur Verfügung - zugleich verlautbarten Capgemini und Efma im Juni in ihrem World

Retail Banking Report 2020, dass 57 Prozent der Verbraucher Internet Banking vorziehen. Im Jahr zuvor waren es mit 49 Prozent merklich weniger - ein Zusammenhang mit der Entwicklung rund um das Sars-Cov-2-Virus wird also immer deutlicher. Zu einem frühen Zeitpunkt der Krise hat das Fintech-Start-up Stripe in einer erweiterten Finanzierungsrunde 600 Millionen US-Dollar eingesammelt. Der Clou: Das junge Unternehmen entwickelt Finanztechnologien, mit denen Unternehmen Zahlungstransfers über diverse digitale Kanäle durchführen können.

Ein weiterer, klar erkennbarer Trend: Das Homeoffice erfährt landesweit und durch nahezu alle Branchen eine deutlich höhere Akzeptanz als noch vor einem Jahr. Diese Veränderungen unterstreichen die Notwendigkeit, dass Banken und Unternehmen die digitale Transformation weiter vorantreiben. Mit Cloud-unterstützten Ansätzen wie SaaS bietet sich ein zuverlässiger Weg, aktuellen und kommenden Anforderungen gerecht zu werden. Prozesse und Anwendungen können den Gegebenheiten entsprechend hoch- oder heruntergefahren werden - eine Fähigkeit, die in volatilen Marktumfeldern unverzichtbar geworden ist. Letzten Endes hat die Corona-Pandemie eine bemerkenswerte Nebenwirkung: Sie hat die Weiterentwicklung von Zukunftstechnologien vorangetrieben und der digitalen Transformationen spürbar neue Impulse gegeben.

Open Banking braucht offene Plattformen

Open Banking, Cloud-Modelle und APIs schaffen die nötigen Voraussetzungen, um ein dezentrales Finanzsystem zu etablieren und damit flexible Geschäftsmodelle auf den Weg zu bringen. Diese zeichnen sich im Wesentlichen durch eine innovative, kosteneffiziente Kooperation zwischen Fintechs und Banken aus. Eine konsolidierte Plattform ersetzt das klassische Konzept von Eins-zu-Eins-Beziehungen, wie es in traditionellen Umgebungen gepflegt wird. Stattdessen schafft sie den Raum für zahlreiche unterschiedliche Verknüpfungen und Verbindungen, wodurch Fintechs mit einer großen Anzahl an Banken gleichzeitig zusammenarbeiten können.

In einigen Fällen haben Banken ihre proprietären Plattformen zugänglich gemacht, ihre Schnittstellen offengelegt und junge Entwickler von Finanzsoftware dazu eingeladen, die Integration innovativer Ansätze voranzutreiben. Ein alternativer Ansatz besteht darin, dass Anbieter offene Technologien und eine kritische Masse an Finanzkunden mitbringen: Sie agieren als Intermediär zwischen Financial-Service-Anbietern und Anwendungsentwicklern. Ein Beispiel für eine Technologie, die dieser Philosophie folgt, ist Fusion Fabric.Cloud. Die offene, Cloud-basierende Plattform ermöglicht die Zusammenarbeit zwischen Banken und Fintechs, indem sie den traditionellen Finanzhäusern den Zugang zur Entwicklergemeinde öffnet.

Transparenz und klare Verantwortlichkeiten

Damit Open Banking erfolgreich sein kann, muss nicht nur Konsistenz im Umgang mit den Daten herrschen. Verbraucher müssen nachvollziehen können, wo und mit wem ihre Daten geteilt werden - und sie müssen sichergehen können, dass ihre persönlichen Informationen in jeder Anwendung, die sie nutzen, absolut sicher sind. Drittanbieter müssen ein konkretes Framework zur Entwicklung neuer Software-Innovationen nutzen, damit sie die Gewähr haben, dass ihr Produkt sämtlichen Datenschutzanforderungen und -standards gerecht wird.

Open Banking benötigt zudem ein klar definiertes Verantwortlichkeitsmodell. Jeder einzelne Beteiligte, der in das IT-Ökosystem eingebunden ist, muss genau darüber Bescheid wissen, wer an welchem Punkt für Daten verantwortlich ist - und wo diese Verantwortung endet. Wenn diese wichtigen Grundanforderungen erfüllt sind, ermöglicht Open Banking einen erweiterten Zugriff auf ein ebenso vergrößertes Spektrum an Informationen und Daten - und schafft die Grundlage für hochpersonalisierte Pricing-Modelle. Zudem müssen alle Verbraucher von den Vorteilen offener Banking-Strukturen profitieren können, unabhängig davon, ob sie technologieaffin sind oder nicht.

Ökosysteme, die auf das Prinzip der offenen Plattform setzen, werden die Zusammenarbeit zwischen Entwicklern und Fintechs beflügeln, die Research & Development-(R&D-)Kosten senken sowie den Mut zu Innovationen steigern.

In einer Zeit, die geprägt ist von sozialer Distanz, müssen wir dafür sorgen, dass Technologieunternehmen, Geschäftspartner und Kunden wieder etwas näher zusammenrücken. Dazu gehört es auch, Modelle zu etablieren, die es ermöglichen, die Interessen einer Vielzahl von Stakeholdern und die unterschiedlichsten Anwendungsszenarien auf einer Plattform zu bündeln. So bleibt der Finanzmarkt global in Bewegung und innovationsfähig.

Achim Thienel, Geschäftsführer, Finastra Financial Technology Germany GmbH, Frankfurt am Main
Achim Thienel , Geschäftsführer, Finastra Financial Technology Germany GmbH, Frankfurt am Main

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