PLATTFORMEN

Der Hinweis auf die Einlagensicherung ist kein Missbrauch

Dr. Tamaz Georgadze, Foto: Lukas Schramm_Raisin GmbH

Im Zusammenhang mit der Insolvenz der Greensill Bank ist die Diskussion um Zinsplattformen in Gang gekommen, über die die Bank Einlagen angeboten hat. Solche Plattformen werden jedoch zu Unrecht als Trittbrettfahrer oder als Einladung zum Missbrauch der Einlagensicherung verstanden, sagt Dr. Tamaz Georgadze. Zum einen sieht er in ihnen den ersten realen Anwendungsfall von Open Banking. Zum anderen könnten und dürften Plattformen nicht die Rolle der Aufsicht übernehmen. Stattdessen verweist er auf Europa: Mit der einheitlichen europäischen Einlagensicherung EDIS könnte eine theoretisch denkbare Sicherungs-Arbitrage vermieden werden. Red.

Der Fall der Greensill Bank unterstreicht die Bedeutung einer starken Aufsicht und von effizienten Kontrollorganen für die gesamte Finanzindustrie. Immerhin führt die Insolvenz der Bremer Greensill Bank AG zu vielen Diskussionen, wie es dazu kommen konnte. Es bestehen große Fragezeichen und die Causa wird die Branche, Verbände und auch die Politik noch lange beschäftigen. Zinsplattformen haben einen Bruchteil der Einlagen im vollumfänglich regulierten und damit gesicherten Rahmen an die Greensill Bank AG vermittelt. Anders als die Einlagen von kommunalen Körperschaften sind diese Privatkundeneinlagen geschützt, die Auszahlung seitens der Einlagensicherung sollte innerhalb weniger Tage erfolgen.

Trotz des vergleichsweise geringen Gewichts der Plattformen im Funding-Mix der Greensill Bank und der hohen Sicherheit der angelegten Gelder aus Kundensicht, wird die Rolle der Zinsplattformen in diesem Zusammenhang stark diskutiert, ebenso wie die Funktion der Einlagensicherung von Spareinlagen. Dabei ist in Zeiten von Negativzinsen jede Hilfestellung in puncto Markttransparenz, Effizienz und Zugang zu einem breiteren Angebot für die Verbraucher sinnvoll - und auch für die Hausbanken selbst.

Zinsplattformen schaffen Zugang zu Geldanlagemöglichkeiten

Seit Jahren sind Verbraucher mit Niedrig- und zunehmend auch mit Negativzinsen konfrontiert. Sie suchen für ihre finanzielle Absicherung und Altersvorsorge nach einer verlässlichen und verzinsten Anlagemöglichkeit, die der Geldentwertung entgegenwirkt.

Hier setzen Zinsplattformen an. Sie ermöglichen Verbrauchern einen transparenten Überblick und Zugang zu Sparprodukten von Banken in Deutschland und Europa. Alle Einlagemöglichkeiten stammen von voll lizenzierten Banken, die der Einlagensicherung und der Bankenaufsicht unterstehen. Alle Angebote und alle nötigen Fakten für individuelle Anlageentscheidungen bereiten die Zinsplattformen transparent und leicht verständlich auf.

Weltsparen verbreitert dadurch das Angebot an einem intransparenten Markt und bringt es gebündelt zum Kunden, der so mehr Entscheidungsmacht erhält. Dadurch bekommen Verbraucher Zugang zu Anlageprodukten, den sie sonst nur mit großem Aufwand hätten. Gleichzeitig erhalten Finanzinstitute leichteren Zugang zu stabilen Kundeneinlagen in ganz Europa. Zinsplattformen bringen die Interessen von Verbrauchern und Banken zusammen. Als Vermittler zwischen Bank und Sparer fördern Zinsplattformen die Souveränität und Mündigkeit von Verbrauchern.

Raisin ist mit den Herausforderungen und unterschiedlichen Geschäftsmodellen am Finanzmarkt bestens vertraut. Das Fintech hat 2019 die lizenzierte Frankfurter Raisin Bank AG (zuvor MHB Bank AG) übernommen. Sie führt für alle Weltsparen-Einlagen persönliche und kostenlose Verrechnungskonten und erbringt als Servicing-Bank Finanzdienstleistungen für Geschäftspartner. Raisin ist somit fester Bestandteil des Finanzökosystems und engagiert sich als Fintech aktiv für Verbesserungen und mehr Klarheit im Markt, was letztlich dem Verbraucher zugute kommt.

Erster realer Anwendungsfall von Open Banking

Privatkundeneinlagen sind für viele Banken eine essenzielle Refinanzierungsquelle. Über Zinsplattformen lassen sich Privatkundeneinlagen kosteneffizient, flexibel und mit wenig Aufwand aussteuern. Banken bestimmen dabei die Konditionen und Fristigkeiten anhand ihres Liquiditätsbedarfs. Damit bieten Zinsplattformen für Treasurer im voll reguliertem Rahmen starke Liquiditätsinstrumente und senken gleichzeitig Transaktionskosten. Sie übernehmen die komplette Abschlussstrecke inklusive KYC-Prozess per Online-Plattform und den deutschsprachigen Kundenservice. Es findet auch keine Zins-Arbitrage statt, denn Zinsplattformen geben Verbrauchern Zugang zu besseren und lokalen Zinsen europäischer Länder, die teilweise sogar höher sind als im Ursprungsland.

Zudem kooperieren viele Girokonto-führende Finanzinstitute mit Zinsplattformen und bieten ihren Kunden eigene Zinsportale, darunter viele Sparkassen, Genossenschaftsbanken oder auch die größten Banken des Landes. Über Zinsplattformen ermöglichen sie ihren eigenen Kunden ein attraktives Zinsangebot von Partnerbanken, reduzieren den kostenverursachenden Einlagenüberhang und stärken die Kundenbindung. Zudem erhalten Kooperationspartner einen Provisionsanteil für abgeschlossene Einlagen, sodass neben der Kostenreduktion sogar Erlöse erzielt werden. Das ist der erste reale und breite Anwendungsfall des so oft beschworenen Open Banking in Europa, an dem viele Finanzinstitute bereits heute partizipieren.

Oft stellt sich die Frage, wie Finanzinstitute überhaupt noch einen positiven Sparzins anbieten können. Zinsplattformen arbeiten ausschließlich mit voll lizenzierten Finanzinstituten zusammen. Ausländische Banken müssen zusätzlich ein Notifikationsverfahren in Deutschland durchlaufen und sind dann im Unternehmensregister der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) aufgeführt.

Refinanzierung für Spezialbanken

Es gibt viele erfolgreiche Spezialbanken, die das Rückgrat der Wirtschaft bilden. Diese Banken bieten Verbrauchern oft nicht direkt ein Girokonto und Sparprodukte wie eine Hausbank an. Sondern diese Finanzinstitute sind beispielsweise spezialisiert auf Immobilien- und Mittelstandsfinanzierung, Konsumentenkredite oder auf Geschäftskunden. Für ihr Geschäft benötigen sie Privatkundeneinlagen als stabile, risikolose und langfristig planbare Refinanzierung, beispielsweise, um Kredite zu vergeben. Sie erzielen gute Margen, die es ihnen ermöglichen, Verbrauchern über Zinsplattformen positive Zinsen zu bieten.

Verschiedene Refinanzierungsinstrumente sind unterschiedlich teuer aus der Bankensicht. Anders als institutionelles, nicht abgesichertes Funding, ist die Refinanzierung von den Privat- und Geschäftskunden granularer, langfristiger und krisenfester.

Sichere Sparprodukte sind essenziell für Verbraucher

Tages- und Festgelder sind eine der sichersten Anlageklassen. Die gesetzliche Einlagensicherung gibt für alle Marktteilnehmer die Rollen und Regeln vor und schützt Spareinlagen wie Festgeld-, Tagesgeld und Girokonten. Sie gilt unabhängig von der anbietenden Bank in ganz Europa zum Schutz der Verbraucher. Die Einlagensicherung ist gesetzlich verankert mit dem Ziel des besonderen Verbraucherschutzes und der Finanzmarktstabilität.

Als zuverlässiges Sicherheitsmerkmal von Sparprodukten jeder Bank profitieren Banken wie das gesamte Finanzsystem von der Einlagensicherung. Woher kommt also die Unterstellung des Missbrauchs der Einlagensicherung, der nicht existiert?

Zinsplattformen machen Anleger bewusst auf den Schutz ihrer Spareinlagen aufmerksam, genauso wie das andere Marktteilnehmer tun. Der transparente Hinweis stärkt das Vertrauen von Verbrauchern in das Finanzsystem. Es ist kein Zocken, kein Missbrauch und kein Trittbrettfahren - es ist der rechtliche und regulierte Rahmen, in dem sich die Sparer, die Finanzindustrie und Vermittler wie Zinsplattformen legitim bewegen. Hinter der Einlagensicherung steht sowohl ein politischer als auch ein systemischer Wille der Finanzindustrie.

Zinsplattformen können nicht die Rolle der Aufsicht übernehmen

Verbraucher müssen sich auf die Einlagensicherung ihrer Ersparnisse verlassen können. Denn es ist gerade nicht Aufgabe von Verbrauchern, Banken zu prüfen und schwer absehbare Ereignisse vorherzusagen, dazu fehlen ihnen die Mittel und Kompetenzen.

Vermittler wie Zinsplattformen dürfen und können in einem voll regulierten Markt nicht eingreifen und die Rolle der Aufsicht übernehmen. Das würde das bestehende System ad absurdum führen. Schließlich könnten dann die privaten Marktteilnehmer den Zugang zur Liquidität lenken und Marktsignale senden, die weder vom Gesetzgeber noch von der Aufsicht gewünscht sind und das wäre für die Stabilität des Finanzmarktes sicherlich kontraproduktiv.

Die gesetzlich geregelte Einlagensicherung sorgt für das sehr seltene Ereignis eines Einlagensicherungsfalls vor. Es liegt hier keine Regelungslücke vor, die man als Verbraucher oder Vermittler ausnutzen könnte, sondern im Gegenteil: Die Regelung ist sehr klar, seit Jahren erprobt und genau für solche Fälle gedacht.

Europäische Einlagensicherung stärkt Binnenmarkt für Finanzen

Ein wichtiger Aspekt in der Diskussion um grenzüberschreitende Finanzgeschäfte wird oft vernachlässigt. Politisch fordert die Europäische Union seit Jahren den Aufbau einer Bankenunion, um einen Binnenmarkt für Finanzen über Ländergrenzen hinweg zu ermöglichen. Das erklärt auch, weshalb die Einlagensicherung für alle Verbraucher und Sparprodukte von Finanzinstituten in Europa gleichermaßen gilt.

Die harmonisierte europäische Einlagensicherung fördert den innereuropäischen Finanzmarkt zugunsten von Verbrauchern und deutschen Hausbanken, denen die Vermögen ihrer Kunden nur Geld kosten. Die Beiträge zur nationalen Einlagensicherungsfonds in Europa zahlen die Finanzinstitute selbst und nicht die Bürger. Die Einlagensicherung vermeidet verunsicherte Sparer, Bank-Runs, volatile Finanzmärkte und stärkt den gesamten Bankenmarkt.

Seit Einführung der Einlagensicherung innerhalb Europas hat sie immer erfolgreich für Verbraucher funktioniert. Die Einlagensicherung gilt für alle Verbraucher und Sparprodukte in Europa gleichermaßen - unabhängig von der Bank und dem Land. Die aktuell geltende harmonisierte Umsetzung einer EU-Richtlinie wird zunehmend weiterentwickelt. So übernahm die EZB im Zuge der Bankenunion die europäische Bankenaufsicht, um staatliche Interventionen zur Rettung des Bankensystems künftig zu vermeiden. Außerdem müssen die verfügbaren Finanzmittel der jeweiligen Einlagensicherungsfonds spätestens im Jahr 2024 min destens 0,8 Prozent Einlagen decken können. In Schweden beispielsweise betrug Ende 2019 die Quote der verfügbaren Finanzmittel 2,55 Prozent der gedeckten Einlagen und in Deutschland demgegenüber 0,52 Prozent.

EDIS könnte Sicherungs-Arbitrage vermeiden

Im Rahmen der europäischen Bankenunion wird das "European Deposit Insurance Scheme" (EDIS) als letzter Baustein gefordert, um eine einheitliche europäische Einlagensicherung für Verbraucher zu schaffen. Es ist sogar eine risikobasierte Einstufung von Finanzinstituten angedacht mit entsprechend angepassten Beitragshöhen. So wird die Sicherungs-Arbitrage, sollte es eine solche theoretisch geben können, effektiv vermieden und ein stärkerer und gleichwertiger Schutz für Verbraucher in der EU geschaffen. Als Zinsplattform befürwortet Weltsparen eine einheitliche europäische Einlagensicherung, die den Sparerschutz stärkt und zugleich die Beiträge der Banken risikobasiert berechnet.

Was können wir heute schon aus dem Fall der Greensill Bank lernen? Es gibt über 1 700 Finanzinstitute in Deutschland. Eine Bankinsolvenz ist nach wie vor die Ausnahme. Daher ist es fatal, die funktionierende Einlagensicherung aufgrund eines Einzelfalls infrage zu stellen. Der Fall der Greensill Bank zeigt, wie wichtig funktionierende Kontrollmechanismen sind. In Deutschland gibt es ausreichend Instrumente, die Banken prüfen oder ihre Einlagen steuern können, bis hin zu einem kompletten Einlagenverbot. Zugleich stärkt die funktionierende Einlagensicherung das Vertrauen von Verbrauchern in die Finanzindustrie. Die Einführung des EDIS stärkt einen sinnvollen und verbraucherfreundlichen Ansatz.

Dr. Tamaz Georgadze , Mitbegründer und CEO, Raisin GmbH, Berlin
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