Vertriebspolitik

Was komplexe Beratungsgespräche erfolgreich macht

Prof. Dr. Martina Steul-Fischer, Inhaberin des Lehrstuhls für Versicherungsmarketing
Quelle: privat

In der Analyse von Kunde-Berater-Interaktionen haben sich die Autorinnen auf die Erfolgsfaktoren komplexer Beratungsgespräche gemacht. Ihr Ergebnis: Das Zauberwort heißt "mentale Entlastung" des Kunden, die das Beratungsgespräch für ihn angenehm werden lässt. Erreicht werden kann dies zum Beispiel durch nicht zu viele offene Fragen, die der Kunde vielleicht gar nicht beantworten kann, durch eine klare Gesprächsstruktur und eindeutige Empfehlungen des Beraters. Bei den Informationen ist weniger die Menge als deren gute Kommunikation entscheidend. All das gilt es in der Beraterschulung zu berücksichtigen. Red.

Banken und Versicherungen beschäftigen sich schon seit langer Zeit mit den typischen Erfolgsfaktoren in der persönlichen Beratung. Dahinter steht die Überlegung, mit den "richtigen" Verkaufsansätzen eine hohe Abschlussbereitschaft und zugleich eine hohe Kundenzufriedenheit zu erzielen, die den langfristigen Erfolg stärken. Obwohl es bereits zahlreiche Ansätze gibt, scheint es dennoch kein Patentrezept zu geben. Eine zentrale Ursache liegt in der Komplexität von Beratungsgesprächen.

Komplexe Finanzdienstleistungen scheinen für viele Kunden "ein Buch mit sieben Siegeln" zu sein. Der Versuch, komplexe Sachverhalte zu verstehen, ist häufig zum Scheitern verurteilt. Gerade bei erklärungsbedürftigen, komplexen Bank- und Versicherungsleistungen drängen sich Fragen der angemessenen Beratung auf. Nicht greifbare Produkte, fehlende Fachkenntnisse und Bewertungsprobleme des Kunden prägen die Bankberatung in besonderer Weise. Unsicherheiten, abneigende Haltungen oder sogar Angst können die Folge sein. Die Bedenken sind dabei nicht nur von rationaler Natur, sondern werden stark von affektiven Komponenten getrieben. Hier rückt die eigentliche Kundeninteraktion stärker in den Mittelpunkt des Erfolgsverständnisses.

Trotz der hohen Erfolgsrelevanz sind die Erkenntnisse im Bereich des Verkaufs komplexer Finanzdienstleistungen begrenzt. Was sind die zentralen Erfolgsfaktoren im Verkauf komplexer Finanzlösungen? Und lassen sich Erfolgsfaktoren aus dem herkömmlichen Produktgeschäft in diesen besonderen Kontext übertragen? Auf diese Fragen scheint es derzeit weder in der Praxis noch in der Wissenschaft eine überzeugende Antwort zu geben. Bisherige Ansätze fokussieren sich sehr stark auf das Beraterverhalten, ohne explizit die Reaktionen und Handlungen des Kunden zu berücksichtigen.

Auf Basis der Überlegung, dass herkömmliche Erfolgsfaktoren im Verkauf nicht ohne weiteres in den komplexen Finanzkontext übertragen werden können, war Fokus der durchgeführten Studie, Erfolgsfaktoren in komplexen Beratungsgesprächen zu identifizieren. Die Studie wurde im Privatkundengeschäft einer Bank durchgeführt und basiert auf insgesamt 26 observierten Kunden-Berater-Interaktionen. Erst durch ein Gesamtverständnis des ablaufenden Interaktionsmechanismus, das das Verhalten von Berater und Kunde gleichermaßen berücksichtigt, konnten sechs zentrale Stellhebel identifiziert werden (siehe Abbildung).

Den Kunden mit Fragen nicht überfordern

In der Praxis wird immer wieder der Einsatz offener Fragen in Beratungsgesprächen postuliert. Die Ergebnisse dieser Studie grenzen diesen Ansatz ein. Primär müssen Fragen von Kunden einfach, sicher und präzise beantwortet werden können, und zwar unabhängig von der Fragenformulierung. Offene Meinungsfragen zu aktuellen Marktentwicklungen können Kunden beispielsweise schnell in eine unangenehme Situation bringen. Verständnisschwierigkeiten, Unsicherheiten und Schamgefühl durch Unwissenheit sind die Folge. Kunden möchten sich ungern mit unverständlichen Thematiken auseinandersetzen und brechen Gesprächsabschnitte vorzeitig ab.

Diese "hausgemachte" Abschlussgefährdung kann durch eine durchdachte und präzise Fragenformulierung vermieden werden. Den Kunden aktiv einbinden, ohne zu überfordern, lautet die oberste Devise. Die Finanzbildung sowie das Interesse an finanzwirtschaftlichen Themen des Kunden müssen dabei zwingend Berücksichtigung finden. Hierfür ist ein hohes verkäuferisches Fein- und Anpassungsgefühl erforderlich.

Informationen effektiv kommunizieren

Kunden sollen hinreichend aufgeklärt, gleichzeitig jedoch nicht überfordert werden. Vor dem Hintergrund immer strenger werdender gesetzlicher Regularien sowie eines hohen Verbraucherschutzes wird dies zu einer hochrelevanten Problematik. Jeder Versuch, Erklärungen komplexer Sachverhalte zu reduzieren, ist jedoch mit der Gefahr einer Informationsverwässerung verbunden. Ein Dilemma für Finanzdienstleister.

Die Informationsvermittlung tritt dabei in den Fokus erfolgsversprechender Beratungsansätze. "Den Kunden nicht mit Informationen zuschütten" heißt es in Verkaufsschulungen der Banken und Versicherungen. Der Ansatz ist intuitiv nachvollziehbar. Kunden können zu umfangreiche Informationen offenbar nicht mehr verarbeiten. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen jedoch, dass nicht in erster Linie der Umfang an Informationen, sondern die Art und Weise der Informationsvermittlung als erfolgstreibend deklariert werden kann.

Informationsüberladungen, die alleine auf Basis umfangreicher Informationsdarbietungen ausgelöst werden, können nicht festgestellt werden. Darüber hinaus reicht eine breite Informationsbasis auch nicht aus, um Kunden eine gute Entscheidungsgrundlage zu liefern. Es kommt vielmehr auf das effektive Kommunizieren von Informationen an. Visualisierungen nicht greifbarer Finanzprodukte können dabei als ganz zentraler Erfolgsfaktor deklariert werden.

Adaptives Verkaufen

Rein verbale Informationen werden im Gesprächsverlauf häufig wieder vergessen und lösen Rückfragen an späterer Stelle aus. Eine durch Visualisierung oder bildhafte Sprache unterstützte Informationsdarbietung macht komplexe Sachverhalte für den Kunden greifbarer und fördert die Nachvollziehbarkeit. Der Kunde wird aktiv entlastet und in seinem Entscheidungsprozess unterstützt.

Die subjektiv wahrgenommene Komplexität ist vor dem Hintergrund individueller Kundenmerkmale zu werten. Fachwissende Kunden können komplexe und umfangreiche Informationen besser verarbeiten und bewerten. Adaptives Verkaufen wird dabei zum zentralen Erfolgsansatz. Produktpräsentationen und jegliche Informationsdarbietungen können so an individuelle kognitive Ressourcen angepasst werden. Überforderungen und Verständnisschwierigkeiten werden hierdurch von vornherein entgegengewirkt. Die Erfolgswirkung des adaptiven Verkaufens zeigt sich in der Komplexitätsreduzierung und Entlastung des Kunden.

Individuellen Kundennutzen verdeutlichen

Der Kunde muss vom Wert der komplexen Finanzlösung überzeugt sein. Die Argumentationsansätze sind dabei genau zu durchdenken und erfordern ein hohes verkäuferisches Feingefühl. Letztendlich zählt das, was der Berater an individuellem Kundenmehrwert auf die reine Produktpräsentation "draufpackt".

Eine alleinige Fokussierung auf standardisierte Produktvorteile ist hierbei noch lange nicht ausreichend. Es muss eine individuelle Wertwahrnehmung erzeugt werden, die ein gewisses Kunden-Knowhow voraussetzt.

Nutzenbasierte Argumentationsansätze liefern dabei ein hohes Potenzial, um Produktabschlüsse sicher und zielorientiert voranzutreiben. Im Vergleich zu reinen Informationsdarlegungen muss der Kunde seinen Nutzen nicht selbst aus den teilweise komplexen Informationsdarbietungen ableiten. Der Kunde wird aktiv entlastet und in seiner Wertwahrnehmung gefördert.

Kunden möchten klare Empfehlungen

Viele Finanzdienstleistungen sind komplex, nicht greifbar und schwer verständlich. Für den Kunden eine ganz besondere Herausforderung. Hinzu kommt, dass viele Kunden in ihren Finanzangelegenheiten nicht bewandert sind. Welcher Fonds befindet sich eigentlich im Depot und wann laufen einzelne Anlagen aus? Fragestellungen, mit denen sich ein Großteil der Bankkunden nicht beschäftigt.

Immer wieder steht in der praktischen Diskussion, in welchem Ausmaß (laienhafte) Kunden in den Beratungsprozess einbezogen werden sollen. Die Untersuchung lässt zwei gegenläufige Effekte erkennen:

- Zum einen ist eine aktive Einbindung des Kunden notwendig, um eine hohe Wertschaffung zu erzielen.

- Zum anderen können Kunden jedoch schnell überfordert werden.

Durch den breiten Informationsaustausch wird es erst ermöglicht, kundenindividuelle Finanzangebote zu unterbreiten und Bedürfnisse optimal zu befriedigen. Die Möglichkeiten der Koproduktion, also der gemeinsamen Erarbeitung von Finanzlösungen, hängen jedoch stark von der Kompetenz und Motivation des jeweiligen Kunden ab.

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass eine aktive Kundeneinbindung nur in Grenzen möglich ist und ein richtungsweisendes Verhalten des Beraters erforderlich wird.

- Explizite Empfehlungen, die klar formuliert und begründet werden, fördern den Gesprächsfortlauf und eine einfachere Abschlussentscheidung.

- Das Angebot zu vieler Produktalternativen führt hingegen schnell zu Überforderungen. Kunden fühlen sich häufig nicht in der Lage, alleinige Entscheidungen zu treffen.

Der Entscheidungsprozess des Kunden wird durch ein richtungsweisendes Verhalten des Beraters gezielt entlastet und die zukünftige Beratungsintention erhöht. Ein Ansatz, der sich sowohl in kurzfristiger als auch langfristiger Perspektive auszahlt.

Kundenkenntnisse sinnvoll einsetzen

Kundenkenntnisse und Erfahrungen aus der bisherigen Kundenbeziehung können aktiv eingesetzt werden, um den Kunden mental zu entlasten und bei ihm ein hohes Sicherheitsgefühl hervorzurufen. Dies erfordert jedoch eine kontinuierliche Nutzung von jeglichen Kundendaten. Grundlegende Themenbereiche wie Risikoneigungen müssen dann nicht immer wieder erneut aufgearbeitet werden. Individuelle Bedürfnisse werden bedacht, ohne vom Kunden selbst aktiv ein gebracht werden zu müssen.

Die Erfolgswirkung der Nutzung von Kundenkenntnissen zeigt sich in der gezielten Entlastung des Kunden, die im Kontext komplexer Beratungsgespräche zum erfolgskritischen Faktor wird.

Eine klare Gesprächsstruktur erleichtert das Verständnis des Kunden

Neben den Beratungsinhalten ist der Gesprächsstruktur eine hohe Aufmerksamkeit zu widmen. Gesprächsinhalt und -struktur sind dabei nicht autonom, sondern als ein ineinandergreifendes Geflecht zu verstehen. So können beispielsweise abgrenzbare Themenblöcke inhaltlich optimal abgehandelt werden, ohne jedoch ein übergreifendes Strukturverständnis zu gewähren. Beim Verkauf komplexer Finanzdienstleistungen besteht die große Herausforderung gerade darin, laienhaften Kunden ein komplexes inhaltliches Gesamtbild zu vermitteln. Eine erkennbare Logik und Nachvollziehbarkeit des Gesprächsaufbaus wird zwingend notwendig. Die Gesprächsstruktur und -leitung wird hierbei zum erfolgskritischen Faktor.

Die Erfolgsrelevanz ist insbesondere vor dem Hintergrund des Kundenverhaltens zu werten. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass ein Bruch in der Gesprächsstruktur weitreichende negative Folgen nach sich zieht: Die Nachvollziehbarkeit des Kunden wird gestört, Unsicherheiten und Ablehnungen gefördert sowie Rückfragen hervorgerufen, die zu immer wiederkehrenden Rückschleifen führen. Inhaltliche Thematiken müssen dann an späterer Gesprächsstelle immer wieder erneut aufgegriffen werden. Hierbei wird schnell ein Kreislauf in Gang gesetzt, der nur sehr schwer unterbrochen werden kann.

Seitens des Beraters wird eine vorausschauende und systematische Gesprächsführung benötigt, die Rückschleifen vermeidet und den Denkprozess des Kunden fördert. Eine klare Struktur, die bis zum Ende hin aufrechterhalten wird, fördert im Gesamteffekt einen schnellen Abschluss und eine unkomplizierte Entscheidungsfindung.

Die Untersuchung zeigt, dass von einer erfolgreichen Verkaufsinteraktion gesprochen werden kann, wenn es durch das Beraterverhalten geschafft wird, eine subjektive Überzeugung beim Kunden hervorzubringen, die eine sichere Entscheidungsfindung gewährleistet. Dieses Erfolgsverständnis geht über die Betrachtungsweise des reinen Produktabschlusses hinaus.

Erfolg ist weit mehr als der reine Produktabschluss

Nach dem Verständnis dieser Studie sind Misserfolge nicht mit einem fehlenden Produktabschluss und Erfolge mit einem Produktabschluss gleichzusetzen. So kann ein Verkaufsgespräch als weniger erfolgreich angesehen werden, das zwar auch zum Abschluss gebracht wird, sich jedoch vielfach durch unsichere und abneigende Reaktionen des Kunden auszeichnet.

Diese in der Interaktion feststellbaren Verhaltensweisen indizieren eine fehlende subjektive Überzeugung, die mit einem langwierigen und schwierigen Entscheidungsprozess einhergeht.

Interaktionsbezogene Erfolgsfaktoren benötigt

Die gewonnenen Erkenntnisse indizieren, dass sich eine adäquate Erfolgsgröße nur zum Teil in harten Performancemaßen ausdrücken lässt. Es werden darüber hinaus weichere, interaktionsbezogene Faktoren benötigt. Diese umfassen jegliche bewusste und unbewusste Eindrücke, die der Kunde innerhalb des Interaktionsprozesses gewinnt.

Zukünftige Verkaufsinteraktionen und damit potenzielle Abschlüsse kommen nur zustande, wenn der Kunde die Interaktion als angenehm und wertvoll empfindet.

Drei Maßnahmenbündel für mehr Erfolg

Was kann man tun, um den Erfolg von Beratungsgesprächen zu steigern? Die Studie legt Aktivitäten in drei Bereichen nahe:

- Erstens sind Investitionen inhaltlicher Verkaufsschulungen sinnvoll. Sie sind als Grundwerkzeug eines erfolgreichen Beratungsgesprächs zu sehen. Diese wurden bisher primär unter dem Aspekt des Verkaufsabschlusses gesehen. Wie die Ergebnisse zeigen, legen Schulungen in Fragetechniken, Argumentationsansätzen, Informationsdarbietungen und Lösungspräsentationen aber auch eine Basis, um die Interaktion für den Kunden angenehm werden zu lassen. Die künftige Beratungsintention wird hierdurch gefördert. Eine gezielte mentale Entlastung des Kunden, Komplexitätsreduzierung und Vermeidung von Überforderungen können als übergeordnete inhaltliche Erfolgsziele deklariert werden.

- Zweitens fördert eine hohe Gesprächsstruktur die Nachvollziehbarkeit des Gesprächsaufbaus. Der Einsatz und Ausbau von Beratungskonzepten bieten eine optimale Grundlage, um Beratungsinhalte mit einer klaren Strukturierung zu verbinden. Durch die systematische Verknüpfung inhaltlicher Gesprächsbausteine werden Überforderungen des Kunden vermieden und ein komplexes Gesamtbild auf einfache Weise vermittelt.

- Drittens bieten längerfristige Kundenbeziehungen weitreichende Möglichkeiten, um Erfahrungen aus vergangenen Interaktionen und Kundenkenntnisse aktiv im Beratungsgespräch einzusetzen. Die gezielte Entlastung des Kunden sowie die Vermittlung eines hohen Sicherheitsgefühls können in diesem Bereich als erfolgstreibend deklariert werden. Kundendaten müssen gepflegt und Beratungsgespräche auf Basis vergangener Kundeninteraktionen vorbereitet werden, um ein hohes Kunden Know-how in der persönlichen Beratung vorweisen zu können.

Zu den Autorinnen
Prof. Dr. Martina Steul-Fischer, Inhaberin des Lehrstuhls für Versicherungsmarketing
Antje Möller, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

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