Vertriebspolitik

"Kundenfokus" in der Praxis - der Vertrieb im Wandel

Thomas Schlösser, Bereichsleiter Vertriebsmanagement, Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank eG, Wittlich
Quelle: Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank eG

Änderungen im Kundenverhalten erfordern auch Anpassungen in der Vertriebssteuerung. Die Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank eG ist stolz auf ihre bisherigen Erfolge im Vertriebsmanagement, wo sie in den letzten Jahren einige Meilensteine gesetzt hat. Dazu zählen eine neue Betreuungsstrategie, die Einführung einer IT-Lösung zur Steigerung der Vertriebsdatenqualität, eine Neuausrichtung der Zieldefinition sowie Anpassungen im Vertriebscontrolling. Gleichzeitig wird der "digitale Vertrieb" zum Bindeglied zwischen analoger und digitaler Welt und sorgt für die Umsetzung der Vertriebsstrategie in den digitalen Kanälen. Red.

Lange schon kämpfen nahezu alle Institute - ob Volksbank oder Sparkasse, ob Privatbank oder Direktbank - mit den gleichen Rahmenparametern: Der Wettbewerbsdruck steigt und der Kunde hat mehr denn je die Wahl, welches Angebot er von welchem Institut annimmt. Kurzum: Sein gesamtes Verhalten hat sich verändert.

Kundenfokus - analog und digital

Auch die Verbände, wie beispielsweise der BVR, haben darauf frühzeitig reagiert und im Jahr 2013 etwa mit dem Projekt "Kundenfokus" einen wichtigen Meilenstein geschaffen. Die wesentlichen Projektinhalte waren im ersten Schritt die beiden Kernthemen Web-Erfolg und Beratungsqualität.

Nun hat das Thema "Kundenfokus" im Zuge der zunehmenden Digitalisierung deutlich an Dynamik und Vielschichtigkeit gewonnen. In vielen vertrieblichen Teilprozessen ist folglich ein Umdenken erforderlich. Die Weiterentwicklung der Vertriebskanäle ist eine Daueraufgabe, sowohl im Privatkunden- als auch im Firmenkundengeschäft. In Anlehnung daran wurde das damalige BVR-Projekt in einem ersten Schritt vom "Kundenfokus 2015" auf "Kundenfokus 2020" angepasst sowie im letzten Schritt in Kundenfokus Privatkunden und Kundenfokus Firmenkunden aufgeteilt.

Anpassungen in der Betreuungsstrategie

Zweifelsohne erfordern Änderungen im Kundenverhalten auch Anpassungen in der Betreuungsstrategie. Die Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank eG setzt hier auf eine ganzheitliche Betrachtung ihrer Mitglieder und Kunden. Dabei behalten die Berater des Instituts alle Kundengruppen, ob Firmen- oder Privatkunden, im Blick. Die Betreuung an sich erfolgt nicht nur auf Einzelkundenebene, sondern primär auf Einheitenebene, wie etwa Haushaltseinheiten in Form von Familien.

Von einer rein analogen Betreuung entwickelt die Genossenschaftsbank ihre Berater zudem seit geraumer Zeit hin zu einer passgenauen Kundenansprache, die sämtliche digitale Möglichkeiten einschließt.

Nicht nur in der Art der Ansprache fand ein rechtzeitiges Umdenken statt, auch der Anlass für die Kontaktaufnahme zum Kunden ist ein anderer geworden. Wo einst noch der Produktverkauf und Anlässe durch Fälligkeiten im Fokus standen, sind nun die genossenschaftliche Betreuungsphilosophie sowie die Ziele und Wünsche der Mitglieder und Kunden die entscheidenden Vertriebsimpulse.

Festschreibung des Beratungsprozesses bewährt sich

So stehen Themen wie "Wann hatte der Berater das letzte Mal Kontakt zum Kunden?" oder "Hat der Kunde freie Liquidität, die ihm durch eine individuelle Vermögensoptimierung Erträge bringen kann?" oder "Welche Wünsche könnten bei dem Kunden in der entsprechenden Lebensphase auftreten?" im Mittelpunkt. Den Beratern werden dabei alle Mittel und Informationen an die Hand gegeben, damit sie ihre Vertriebsaktivitäten selbst steuern können.

Die Unterstützung der Mitarbeiter steht ohnehin ganz oben auf der Agenda: So bewährt sich beispielsweise die auf Praxiserfahrungen basierende Festschreibung des "optimalen Beratungsprozesses" als Strukturkompass für alle Beteiligten. Mit seiner Hilfe haben die Berater jederzeit einen Überblick über Sachverhalte wie: Was ist mein nächster Schritt im Beratungsprozess? Wie kann ich die Ziele und Wünsche meiner Kunden priorisieren?

Kundensegmentierung und Datenqualität

Der Plan, die Mitglieder und Kunden bedarfsorientiert zu betreuen, kann nur aufgehen, wenn entsprechende Informationen qualitativ einwandfrei vorliegen. Als wesentliche Hilfestellung entpuppt sich hier die von Foconis stammende Lösung "Kundensegmentierung Plus", ein Funktionspaket für Foconis-ZAK, die nicht nur vertrieblich, sondern auch mit Blick auf die Vertriebskapazitätsplanung Mehrwerte schafft. So legte die Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank eG beispielsweise in Anlehnung an die Anregungen der BVR-Segmentierungskriterien, wie etwa das Einkommen, die Vermögenswerte und die ausschöpfbaren Potenziale fest. Konform mit den geltenden Datenschutzbestimmungen konsolidieren diese Daten in einem System und führen somit eine aussagekräftige, transparente Informationsvielfalt zusammen, die den Beratern hilft, Anlässe für eine zielgerichtete Ansprache zu finden.

Die Datenabfrage auf Einheitenebene schafft einen raschen Überblick, welche Anlässe für eine erfolgversprechende Kontaktaufnahme bestehen. Auf diese Weise wird es für die Berater leichter, ihre Vertriebsaufgaben zu erledigen. Gleichzeitig bleiben sie regelmäßig mit all ihren zugeordneten Kunden in Kontakt. Da die Mitglieder und Kunden in jedem Gespräch das Beraterselbstverständnis sowie die genossenschaftliche Betreuungsphilosophie präsentiert bekommen, fällt es in der Regel sehr leicht, die Kunden zur regelmäßigen Betreuung einzuladen. Denn der Kunde weiß, dass er im Mittelpunkt steht und nicht der Produktverkauf. Somit entsteht eine enge Kunde-Berater-Beziehung, welche dem Kunden einen echten Mehrwert durch die Betreuung vermittelt und somit ein essentieller Erfolgsfaktor für alle beteiligten Parteien darstellt.

Zielvorgaben im Wandel

Ein verändertes Kundenverhalten und eine darauf aufbauende Anpassung in der Betreuungsstrategie erfordern naturgemäß auch eine Neuausrichtung der Zielvorgaben für die Vertriebsmitarbeiter. Schon allein die Entscheidung, dass die Kundenansprache nicht mehr produktbezogen, sondern bedarfsorientiert erfolgen soll, bringt eine signifikante Neuausrichtung der Zieldefinition mit sich. Was zählt, sind Qualität und Aktivität.

Das bedeutet: Die Erfassung beispielsweise von Versicherungschecks hat Vorrang vor dem Verkauf eines Versicherungsprodukts. Die Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank in Wittlich ist sicher, dass die Nachfrage nach geeigneten Leistungen und Produkten den gezielten Checks ohnehin folgt und setzt darum nur auf übergeordneter Ebene Ertragsziele.

Qualität geht vor Quantität

Oberste Prämisse ist es dabei, möglichst alle Mitarbeiter hin zu unternehmerischem Denken zu bewegen. Um die Ertragsziele zu erfüllen, reicht es also nicht, den Kunden dreimal am Tag anzurufen. Es erfordert vielmehr Fingerspitzengefühl, den Kunden dort abzuholen, wo er steht, und ihm Lösungen und Dienstleistungen anzubieten, wenn er sie wirklich braucht und davon auch profitiert.

Gleichzeitig gilt es in den Köpfen der Berater weiterhin zu verankern: Qualität geht vor Quantität. Dass dies ein spannender Umgestaltungsprozess ist, der in Summe Jahre in Anspruch nimmt, liegt auf der Hand.

Neben der zielgerichteten Ansprache steht auch die Durchdringung der Kundenbasis im Fokus. Sichergestellt werden soll hier, dass die Berater heute und künftig alle Mitglieder und Kunden im Blick behalten und nicht aus menschlicher Bequemlichkeit heraus immer wieder mit denselben Kunden kommunizieren.

Auch im Vertriebscontrolling musste es logischerweise Nachjustierungen geben. Zunächst bedurfte es hier inhaltlicher Korrekturen. Sowohl die Vertriebssteuerung als auch die Marktführungskräfte mussten dafür umdenken. Zudem galt es, die neuen aktivitätsbezogenen Kennzahlen zu definieren und zu priorisieren. In Anlehnung daran wurden die Führungskräfte frühzeitig eingebunden - nicht zuletzt damit als Resultat verständliche und realistische Instrumente entstehen, welche gleichzeitig zu den Unternehmenszielen passen.

Nachjustierungen im Vertriebscontrolling

Im Hinblick auf die Erkenntnis, dass dies ein fortlaufender Prozess ist, wurde bisher kein harter Schnitt durchgeführt. Die Ertragsziele des Unternehmens bleiben neben den Aktivitäten also weiterhin im Blick. Denn realistisch betrachtet wird es einige Jahre dauern, bis alle Berater und auch die Führungskräfte soweit umgedacht haben, dass nur durch die Aktivitäten, auf Basis der Ziele und Wünsche der Kunden automatisch die benötigten Erträge erwirtschaftet werden.

Auch von der organisatorischen Seite her sind Änderungen im Vertriebscontrolling erforderlich. So stehen den Marktbereichsleitern etwa wöchentliche Reports über die Aktivitäten ihrer Kundenberater zur Verfügung. Werden im Vergleich zur Zielvereinbarung Abweichungen festgestellt, tauschen sich Berater und Führungskräfte in persönlichen Gesprächen über die Entwicklung der vorhandenen Potenziale aus. Halten die Abweichungen von der Erwartungshaltung weiterhin an, unterstützt das Kunden-Service-Center (KSC) den betreffenden Mitarbeiter dabei, Termine mit seinen Kunden zu vereinbaren.

Dass aus solchen Terminen dann auch ein für den Kunden sinnvolles Geschäft erwächst, ist unter anderem das Ergebnis regelmäßiger Trainings. In speziell konzipierten Schulungen geht es nicht nur um die erfolgreiche Kundenansprache, sondern auch um die Verinnerlichung des Beratungsansatzes: Gemeinsam und ganzheitlich für den Kunden.

Kunden-Service-Center als wesentlicher Erfolgsfaktor

Als wesentlicher Baustein im Vertriebsgefüge erweist sich dabei immer wieder das Kunden-Service-Center (KSC). Es unterstützt als Omnikanalcenter im wahrsten Sinne des Wortes kanalübergreifend den Vertriebserfolg der Bank. Die KSC-Mitarbeiter decken zum Beispiel viele Standards rund um das digitale Leistungsspektrum ab. Damit kann sich der Berater in der Filiale auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren: die Beratung.

Ein wesentlicher Aufgabenschwerpunkt der KSC-Mitarbeiter liegt zudem darin, für die Berater die Terminkalender mit Kundengesprächen zu füllen ("Outbound").

Die Besonderheit: Der Kunde wird grundsätzlich nur zu einem regelmäßigen Betreuungsgespräch eingeladen. Es wird kein Anlass genannt, da es immer um die Ziele und Wünsche der Kunden geht und der Kunde dies auch spüren soll. Das Ergebnis ist eine hohe Akzeptanz im Haus und aufseiten der Mitglieder und Kunden.

Auch hinsichtlich der Digitalisierung der Vertriebsprozesse nimmt das Kunden-Service-Center eine führende Rolle ein. So gewinnt etwa die derzeit pilotierte Videoberatung an Bedeutung, welche die dafür affine Kundschaft abholen soll. Diese und weitere Projekte sind wichtige Meilensteine auf dem Weg hin zum "Kunden-Service-Center der Zukunft".

Digitaler Vertrieb als Bindeglied

Nicht nur mit der Pilotierung der Videoberatung, auch mit vielen weiteren Projekten startet die Bank in Richtung digitale Vertriebsstrategie. Ergebnisse sind unter anderem der digitale Kommunikationskanal Whatsapp, zahlreiche online abschließbare Produktlösungen, das VR-Immo-Projekt im Bereich der Baufinanzierung sowie VR-Business-Online im gewerblichen Bereich.

Um die Umsetzung der digitalen Vertriebsstrategie einerseits im Blick zu behalten und andererseits stetig weiterentwickeln zu können, hat die Bank eine neue Rolle geschaffen: digitaler Vertrieb. Als Bindeglied zur analogen Vertriebssteuerung ist der Mitarbeiter im digitalen Vertrieb zuständig für alle Vertriebsthemen rund um das zukunftsweisende Thema der Digitalisierung.

Die einzelnen Aufgabengebiete und Themenkomplexe sind dabei eng zwischen den Bereichen Marketing und Kommunikation, dem Vertriebsmanagement sowie den vertrieblichen Fachbereichen verzahnt. Zu den Kernaufgaben gehören

- die Übertragung der Aktivitäten im Vertriebsmarketing,

- Kampagnenmanagement auf die digitalen Vertriebskanäle sowie

- die Umsetzung der Internetstrategie im Vertrieb.

"Der Mensch im Mittelpunkt" als neue Markenstrategie

Nicht nur nach innen, auch nach außen reagierte die Bank auf das veränderte Nachfrageverhalten ihrer Kunden sowie die einzigartigen Merkmale der Genossenschaft. Eine neue Markenstrategie verkörpert, was die Mitarbeiter in den Filialen umsetzen. Sie setzt dabei auf Kundennähe durch ihre regionale Verankerung, auf die Genossenschaftsphilosophie und soziale Aspekte.

Dass diese Strategie bei den Kunden gut ankommt, zeigt sich in den Vertriebserfolgen. Aufgehen wird diese Rechnung nur dann, wenn die Markenbotschaft auch dem Erlebten entspricht. Damit dies gelingt, binden die Berater entsprechende Broschüren, in denen die Kommunikation der Werte im Fokus steht, in ihre Kundengespräche ein. Auf diese Weise bleibt der Slogan "Mensch im Mittelpunkt." nicht nur eine Phrase, sondern gelebte Unternehmenskultur.

Zum Autor Thomas Schlösser, Bereichsleiter Vertriebsmanagement, Vereinigte Volksbank Raiffeisenbank eG, Wittlich
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