ALTERSVORSORGE

Mitarbeiterkapitalbeteiligung - ein Stiefkind der Politik

Michael Krekels, Foto: DFK

Eigentlich ist die Mitarbeiterkapitalbeteiligung am Unternehmen - überwiegend in Form von Belegschaftsaktien - eine gute Form der Altersvorsorge. In Deutschland ist sie aber ein Stiefkind der Politik, sagt Michael Krekels. Die steuerliche Förderung - und damit auch die Verbreitung - liegt deshalb weit unter dem internationalen Durchschnitt. Das Jahressteuergesetz 2019 böte eine Gelegenheit, dies zu ändern: Mit einer Anhebung der Freibeträge auf internationales Niveau, mit dem Abbau bürokratischer Hindernisse für die Unternehmen und mit einer steuerlichen Gleichbehandlung mit der betrieblichen Altersversorgung. Red.

Der Regierungsentwurf für das Jahressteuergesetz 2019 liegt vor und erneut hat die Bundesregierung die Chance verpasst, die Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Deutschland zu stärken. Im internationalen Vergleich wird damit die finanzielle Beteiligung von Mitarbeitern an den Unternehmen, in denen sie beschäftigt sind, steuerlich nach wie vor stiefmütterlich behandelt. Damit wurde die Mitarbeiterkapitalbeteiligung als wichtiges Instrument der Altersversorgung erneut nicht angemessen berücksichtigt.

So vielfältig wie die Rechtsformen der deutschen Unternehmen - von der GmbH bis zur Aktiengesellschaft, von der Kommanditgesellschaft bis zum Einzelunternehmen - waren auch bisher schon die Möglichkeiten der Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Deshalb gibt es kein Standardmodell, das unabhängig von Rechtsform und Größe für alle Unternehmen gleich gut geeignet wäre. Beteiligungsmodelle müssen auf die individuellen Verhältnisse und die Interessen der jeweiligen Unternehmen zugeschnitten werden, damit sie gut passen. In der Praxis dominieren einige bewährte Grundmodelle, die in vielen Unternehmen angewendet werden.

Belegschaftsaktien überwiegen

Grundsätzlich kann man zwischen der Form der Eigenkapital- und Fremdkapitalbeteiligung unterscheiden. Bei der Eigenkapitalbeteiligung erwerben Mitarbeiter eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung am Unternehmen. Je nach Rechtsform des Unternehmens erhalten sie Belegschaftsaktien, GmbH-Anteile, Genossenschaftsanteile oder Kommanditanteile. Dadurch werden sie gesellschaftsrechtlich am Unternehmen beteiligt und haben als Mitgesellschafter beziehungsweise Mitglieder die gleichen Informations-, Kontroll- und Mitentscheidungsrechte wie die übrigen Gesellschafter beziehungsweise Mitglieder des Unternehmens. Lediglich bei der Form des stillen Gesellschafters bestehen zwar die Informationsrechte, aber keine Mitentscheidungsrechte. Gleichzeitig tragen sie aber auch die gleichen Risiken wie die übrigen Anteilseigner.

Die typische Form der Fremdkapitalbeteiligung gegenüber der Eigenkapitalbeteiligung ist das Mitarbeiterdarlehen. Aber auch die aufgeschobene Vergütung oder sogenannte deferred compensation fallen hierunter. Mitarbeiter stellen dem Unternehmen für einen vereinbarten Zeitraum eine festgelegte Geldsumme zur Verfügung, die nach Ablauf des Zeitraums mit einem vorab vereinbarten Zinssatz zurückgezahlt wird. Außer im Fall der Insolvenz des Unternehmens, wo das Darlehen dann das Schicksal aller anderen Insolvenzforderungen trägt, erfolgt die Rückzahlung unabhängig von der wirtschaftlichen Lage des

Unternehmens. Die bei weitem dominierende Form von Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Deutschland sind dabei die Belegschaftsaktien. Rund 1,5 Millionen Mitarbeiter, beziehungsweise zwei Drittel aller Beschäftigten mit einer Form von Beteiligung, nehmen diese Variante in Anspruch. Eine Vorreiterrolle kommt dabei zweifellos den großen börsennotierten Unternehmen zu.

Inzwischen bei 70 Prozent der Großunternehmen

Die Pioniere der Einführung von Belegschaftsaktien waren Bayer (1953) und RWE (1958). In den sechziger Jahren folgten VW, die Commerzbank, Siemens und Südzucker. In den siebziger und achtziger Jahren war die Dynamik mit fünf Unternehmen beziehungsweise zwei Unternehmen, die neu Belegschaftsaktien auflegten, eher gering. Dies änderte sich in den neunziger Jahren mit elf neuen Unternehmen, vor allem aber nach der Jahrtausendwende mit 37 beziehungsweise seit 2010 mit bereits 34 Unternehmen, die erstmals ein entsprechendes Programm einführten.

Von den 160 untersuchten Großunternehmen praktizieren aktuell 112 (70 Prozent) irgendeine Form von Belegschaftsaktien. Ein Blick auf die vier Indizes zeigt eine weitgehende Gleichverteilung (Dax 73 Prozent/MDax 66 Prozent/TecDax 77 Prozent/SDax 68 Prozent). Elf Unternehmen (6 Prozent) mit Belegschaftsaktien-Programmen in der Vergangenheit haben derzeit keine mehr (Dax 6, zum Beispiel VW und Thyssen-Krupp/MDax 3/TecDax 1/ SDax 1). Drei Unternehmen (2 Prozent) praktizieren zwar im Moment noch kein Belegschaftsaktien-Programm, haben es aber für die Zukunft fest geplant.

Vorteile für Unternehmen und Mitarbeiter

Es ist allgemein anerkannt, dass solche Mitarbeiterbeteiligungsmodelle Vorteile für die Unternehmen und die Mitarbeiter gleichermaßen bringen.

Für die Unternehmen erhöht die Mitarbeiterbeteiligung die finanzielle Stabilität, stärkt die Eigenkapitalquote, verbessert das Rating, macht unabhängiger von Banken, steigert die Liquidität und senkt die Steuer- und Sozialversicherungslast. Kapitalengpässe können besser überbrückt werden, das Unternehmen wird weniger krisenanfällig.

Aber auch personalpolitische Vorteile liegen auf der Hand: Unternehmen, die schon die Mitarbeiterbeteiligungsmodelle praktizieren, berichten davon, dass Mitarbeiter motivierter sind und sich dem Unternehmen stärker verbunden fühlen. Die Firma ist plötzlich nicht mehr "nur" der Arbeitgeber, sondern für die Mitarbeiter ist es "ihr" Unternehmen. Dadurch wird zugleich die Fluktuation reduziert. Die Verweildauer im Unternehmen erhöht sich, der Arbeitgeber ist weniger darauf angewiesen, auf enger werdenden Arbeitsmärkten zu rekrutieren. Rekrutierungskosten sinken, während die Innovationsfähigkeit des Unternehmens steigt.

Vorteile für die Mitarbeiter werden darin gesehen, dass sie zum einen mehr Informationen und mehr Mitspracherechte erhalten. Wichtiger noch ist aber, dass sie eine in der Regel attraktive Möglichkeit haben, ihr privates Vermögen zu vermehren, um damit auch ihre Altersvorsorge zu verbessern. Über ihre Arbeitsleistung haben sie direkten Einfluss auf die Rentabilität der Anlage.

Vermögensaufbau für die Altersvorsorge

Dabei ist die Belegschaftsaktie ein ideales Instrument, um die Mitarbeiter am Erfolg ihres Unternehmens zu beteiligen. Dividendenzahlungen und bei börsennotierten Unternehmen eine positive Kursentwicklung bieten den Mitarbeitern die Möglichkeit, an den Gewinnen teilzuhaben. Belegschaftsaktien sind vor allem deswegen eine hervor ragende Form der Mitarbeiterbeteiligung, weil Aktien nicht nur eine Eigentümerstellung verbriefen, sondern langfristig im Vergleich zu festverzinslichen Papieren eine höhere Rendite erzielen können.

Im derzeitigen Niedrigzinsumfeld bieten sie dem Mitarbeiter die Chance auf eine Rendite oberhalb der Inflationsrate, was mit Sparbuch, Tagesgeld oder festverzinslichen Wertpapieren kaum zu erreichen ist. Die Belegschaftsaktien stellen damit in der heutigen Zeit eine sehr gute Vorsorge für das Alter und entsprechenden Vermögensaufbau dar.

Staatliche Förderung noch zu niedrig

Die staatliche Förderung ist dabei aber in Deutschland bislang immer noch zu niedrig. Wird Beschäftigten eine Beteiligung am "Unternehmen des Arbeitgebers" unentgeltlich oder verbilligt überlassen, liegt darin grundsätzlich ein geldwerter Vorteil, der als Arbeitslohn sozialabgaben- und einkommensteuerpflichtig ist. Hier setzt die Förderung an. Die Regelung in § 3 Nr. 39 EStG sieht vor, dass der geldwerte Vorteil bis zu einem Betrag von 360 Euro pro Kalenderjahr steuerfrei ist und damit gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) auch nicht zum Arbeitsentgelt in der Sozialversicherung gehört. Dieser Freibetrag wurde zuletzt 2009 von 135 Euro pro Jahr auf 360 Euro angehoben und seither nicht mehr verbessert.

Diese mangelhafte staatliche Förderung verhindert heute, dass wir die Vorteile in Deutschland ausschöpfen. Mitarbeiterkapitalbeteiligung hat in Deutschland schon eine gewisse Tradition, wird aber gleichwohl bei der staatlichen Förderung im Vergleich zu anderen Ländern wie ein ungeliebtes Kind behandelt, während unsere Nachbarn oft ein Vielfaches des deutschen Freibetrages zur Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung einsetzen.

Angesichts einer so erfolgreichen und boomenden Wirtschaft ist diese Ungleichbehandlung deutscher Arbeitnehmer völlig unverständlich. Über Jahre hinweg hat man den Arbeitnehmern eine exzellente Möglichkeit zur eigenen Altersvorsorge beizutragen vorenthalten. Deshalb legt der DFK auch Wert darauf, dass Modelle zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung immer für alle Arbeitnehmer im Unternehmen geöffnet werden müssen. Nur zwei Prozent der Unternehmen haben entsprechende Programme eingerichtet, an denen sich etwa zwei Millionen Arbeitnehmer als Belegschaftsaktionäre oder stille Gesellschafter beteiligen.

Wie wenig dies im internationalen Vergleich ist, verdeutlichen Zahlen zur Belegschaftsaktie. So geht die in Brüssel ansässige European Federation of Employee Share Ownership (EFES) in ihrem Annual Economic Survey of Employee Share Ownership in European Countries 2017, in dem Daten zu Belegschaftsaktien aus 2 560 Unternehmen in 32 Ländern erhoben wurden (Deutschland 231 Unternehmen), davon aus, dass in Deutschland etwa 780 000 Mitarbeiter (ohne Führungskräfte) Aktien ihres arbeitgebenden Unternehmens halten; in Frankreich sind es rund drei Millionen und in Großbritannien rund zwei Millionen Mitarbeiteraktionäre.

Deutschland im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich

Im Hinblick auf den Anteil des Mitarbeiterkapitals am Stammkapital der Unternehmen liegt Deutschland mit 0,9 Prozent auf Rang 18 von 32 Ländern. Der Anteil der Mitarbeiteraktionäre an der gesamten Belegschaft hat sich in den vergangenen drei Jahren zwar leicht auf 18,4 Prozent erhöht, im europäischen Durchschnitt sind es aber 29,6 Prozent.

Insgesamt liegt Deutschland bei allen untersuchten Ausprägungen der Mitarbeiterkapitalbeteiligung unter dem europäischen Durchschnitt.

Die Ursache für die geringe Verbreitung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Deutschland liegt in dem mit 360 Euro zu niedrigen Freibetrag für Investitionen in das eigene Unternehmen. In den Niederlanden liegt dieser Betrag bei 1 200 Euro, in Österreich sind es sogar 4 500 Euro, in Italien 2 100 Euro, in Ungarn 3 200 Euro und in Großbritannien 3 500 Euro.

Mitarbeiterkapitalbeteiligung besser fördern

Der DFK - Verband für Fach- und Führungskräfte und andere Verbände fordern von der Politik schon seit langem eine bessere steuerliche Behandlung beziehungsweise Förderung der Kapitalbeteiligung.

1. Novellierung der steuer- und sozialrechtlichen Regelungen: Die Erhöhung des steuer- und sozialabgabenfreien Freibetrags nach § 3 Nr. 39 EStG von 360 Euro pro Jahr auf europäisches Niveau von mindestens 3 000 Euro wäre eine angemessene Form der steuerlichen Förderung. Sie dürfte außerdem nicht auf AG's beschränkt werden, sondern müsste auch für andere Gesellschaftsformen wie zum Beispiel GmbHs gelten.

2. Rechtliche Unsicherheiten und bürokratische Hemmnisse beseitigen: Die Einführung von Mitarbeiteraktienprogrammen ist in vielen Fällen mit bürokratischem Aufwand verbunden, der auf Unternehmen abschreckend wirkt. Die Entbürokratisierung der Belegschaftsaktie und die Erhöhung der Rechtssicherheit für Mitarbeiterbeteiligungen sowie marktgerechte Maßgaben für die Bewertung von mittelständischen und nicht-börsennotierten Unternehmen sind Beispiele dafür.

3. Nachgelagerte Besteuerung von langfristigen Mitarbeiterbeteiligungen: Mitarbeiterbeteiligungen und andere Formen der Vermögensbildung, die verstärkt auf kapitalmarktbasierte Anlageprodukte setzen, können dazu beitragen, dass wesentlich mehr Altersvorsorgevermögen gebildet wird. Von daher wäre es ausgesprochen sachgerecht, wenn für langfristige vorsorgeorientierte Mitarbeiterkapitalbeteiligungen die gleichen steuerlichen Bedingungen gelten würden, wie bei der Förderung der betrieblichen Altersversorgung.

Noch ist es auch für das Jahressteuergesetz 2019 nicht zu spät, um die Steuersituation für 2020 zu optimieren, Bundestag und Bundesrat haben noch die Möglichkeit, den Regierungsentwurf in diesem Punkt nachzubessern. Aber die Zeit drängt jetzt. Es wäre ein deutlicher Beitrag für die Altersversorgung.

Michael Krekels, Vorsitzender des Vorstands, DFK - Verband für Fach- und Führungskräfte e.V., Essen
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Michael Krekels , Vorsitzender des Vorstands, DFK - Verband für Fach- und Führungskräfte e.V., Essen

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