Baufinanzierung

Nachfrageelastizität an der Grenze - ein Warnruf

Prof. Dr. Markus Knüfermann, EBZ Business School - University of Applied Sciences, Bochum

Quelle: privat

Durch die Zinspolitik der EZB hat die Preispolitik im Baufinanzierungsgeschäft an Differenzierungspotenzial verloren. Die Auswirkungen von Preisänderungen auf die Nachfrage sind gering. Durch diese unelastische Nachfragefunktion müssten die Umsätze überproportional gesteigert werden, um den Margenverfall auszugleichen, so der Autor. Weil dies seine Grenzen hat, versteht er die Erkenntnisse als Warnruf an das Eurosystem, die Finanzmarktstabilität nicht zu gefährden. Red.

Das deutsche Wohnungsbaukreditgeschäft mit Privatkunden (= private Baufinanzierungen) weist eine schwache Preiselastizität der Nachfrage (= Nachfrageelastizität) auf. Der starke Verfall des entsprechenden Marktzinsniveaus seit dem Jahr 2008 führte zu Margenreduktionen in diesem Zinsgeschäft, weil der Aufwandszinssatz zwischenzeitlich bei 0,0 Prozent angekommen war. Der Aufwandszinssatz konnte bei weiteren Ertragszinssatzreduktionen schließlich nicht mehr angepasst werden.

Den Ertragsverlust im Einzelgeschäft gegenüber früheren Marktsituationen kompensierten deutsche Kreditinstitute teilweise durch einen Mehrabsatz an Baufinanzierungen beziehungsweise volumenseitige Geschäftsausweitungen. Der vorliegende Beitrag analysiert diesen Kompensationsprozess über die Nachfragereaktionen auf Zinsveränderungen. Die Veränderungen der Nachfrage lassen sich durch die Kennzahl der Nachfrageelastizität quantifizieren. Das Ergebnis zeigt auf, dass die Nachfrageelastizität zeitlich parallel zur Marktzinsreduktion sank. Geschäftsausweitungen erfordern daher zunehmend massive Vertriebsanstrengungen. Diese Strategie ist jedoch endlich.

Marktseitige Grenzen der Geldpolitik

Eine weiterhin derart massiv expansive Geldpolitik des Eurosystems mit dem Ergebnis der historischen Niedrigzinsphase werden Retail-Banken mit Schwerpunkten im Baufinanzierungsgeschäft nicht auf Dauer verkraften können. Die Analyse der Nachfrageelastizität verdeutlicht die marktseitigen Grenzen dieser Geldpolitik.

Klassische Baufinanzierungen sind homogene Güter. Entsprechend intensiv war schon immer der Wettbewerb der Kreditinstitute um die baufinanzierenden Privatkunden. Kreditinstitute, die ihr Geschäftsmodell primär auf den Baufinanzierungsvertrieb abstellen, wie zum Beispiel Sparda-Banken und PSD-Banken, hatten sich im Markt über viele Jahre hinweg mit einer Preisführerschaft positioniert. Das kostenlose Girokonto und die zinsgünstige Baufinanzierung sind auch heute noch Kernprodukte dieser Banken.

Preispolitik hat an Differenzierungspotenzial verloren

Der Markt hat sich seit dem Jahr 2008 jedoch massiv verändert. So liegen die Marktzinssätze auf einem nie zuvor dagewesenen niedrigen Niveau. Die Hintergründe dieser Zinssätze sind in der Politik des Eurosystems seit 2008 zu finden. Durch das niedrige Zinsniveau können diejenigen Kreditinstitute, die sich zuvor über eine Preisführerschaft im Markt differenziert hatten, ihr Geschäftsmodell kaum aufrechterhalten. Einige dieser Kreditinstitute haben nach über 100 Geschäftsjahren sogar Gebühren für das zuvor kostenlose Girokonto eingeführt.

In ihrem Bank-Marketing hat die Preispolitik damit an Differenzierungspotenzial verloren. Standardisierter, möglichst online-basierter und intensivierter Vertrieb zur Absenkung der Betriebskosten einerseits und zum Ausbau des Kreditvolumens andererseits sind die Konsequenzen.

Der Baufinanzierungsmarkt nähert sich auf diese Weise einem Charakteristikum des effizienten Markts, dass nämlich kein einzelnes Wirtschaftssubjekt Einfluss auf die Marktpreissetzung ausüben kann. Dennoch spielt die Reaktionsintensität der Mengenänderung auf eine Preisänderung für alle Marktformen eine wichtige Rolle. Denn sie lässt mögliche Umsatzanpassungen aufgrund von Preisänderungen antizipieren. Bestünde zum Beispiel im Bankenmarkt nur eine sehr geringe Reaktionsintensität der Mengenanpassung auf Preis- beziehungsweise Margenreduktionen, müssten Kreditinstitute überproportional den Vertrieb ausweiten, um die Umsatzverluste zu kompensieren.

Ein Maß für diese Reaktionsintensität beziehungsweise der Anpassungsempfindlichkeit ist die Steigung einer Nachfragekurve. Die Steigung einer Nachfrage berechnet sich als erste Ableitung der Kurvenfunktion beziehungsweise absolut als Quotient von Mengen- und Preisänderung. Die Steigung ist allerdings ein Empfindlichkeitsmaß mit einer Abhängigkeit von den Einheitendimensionen für Preise und Mengen. Um das Empfindlichkeitsmaß dimensionslos zu gestalten, lassen sich Veränderungen relativieren, sodass von der Preiselastizität der Nachfrage (kurz Nachfrageelastizität) gesprochen wird.

Polypolähnliche Strukturen im Markt für Baufinanzierungen

Die Nachfrageelastizität bestimmt das Ausmaß der relativen Mengenänderung auf eine relative Preisänderung: Um wie viel Prozent sinkt oder steigt das Mengenvolumen bei einer Veränderung des Preises. In der Regel besitzt die Nachfrageelastizität einen negativen Wert, weil Konsumenten bei sinkenden Preisen ihre Nachfrage erhöhen et vice versa.

Die Berechnung der Nachfrageelastizität Eta erfordert die Datenbasis einer Nachfragekurve. Die Datenbasis ist entweder über Kundenbefragungen aufzubauen oder durch mehrperiodige Marktdaten der Deutschen Bundesbank heranzuziehen. Rechnerisch ergibt sich die Nachfrageelastizität Eta aus dem Produkt von Kurvensteigung und dem Quotienten von Preis durch Menge. Wird eine lineare Nachfragefunktion unterstellt, weist ihre Funktion eine konstante negative Steigung auf. Die Nachfrageelastizität besitzt unter normalen Marktbedingungen demnach einen negativen Wert und wird deshalb zumeist mit -1 multipliziert, um einen positiven Wert auszuweisen.

Eine Nachfrageelastizität wird dann als elastisch bezeichnet, wenn gilt: Eta >= 1. Unelastisch ist sie, wenn gilt: 0 < Eta < 1. Wird die konstante negative Steigung der Nachfrageelastizität in die Elastizitätsformel eingesetzt, lässt sich berechnen, bei welchem Preis die Nachfrageelastizität 1 beträgt. In diesem Fall verändern sich Preis und Menge symmetrisch. Dazu ist die Elastizitätsformel gleich 1 zu setzen und nach dem Preis umzuformen.

Abbildung 1 informiert über die Nachfrageelastizität im Bankenmarkt für Wohnungsbaukredite im Neugeschäft. Zins- und Mengendatenbasis sind Werte der Deutschen Bundesbank für das deutsche Privatkundengeschäft. Vor dem Hintergrund des standardisierten Baufinanzierungsgeschäfts lassen sich auch für die Privatkundendaten Indikationen zur Bewertung des Kreditgeschäfts mit Wohnungsunternehmen ableiten. Das Preis/Menge-Diagramm bildet die Jahresdurchschnittswerte der Jahre 2003 bis 2016 für Kreditzinsen und das Neugeschäft in Milliarden Euro ab (blaue Datenlinie). Die (rote lineare) Trendlinie standardisiert die Nachfragekurve und lässt sich als lineare Nachfragefunktion formulieren.

Weil der Markt für Wohnungsbaukreditgeschäfte hoch standardisiert ist und die Produkte nahezu homogen sind, kann vereinfachend von polypolähnlichen Wettbewerbsstrukturen ausgegangen werden.

Der Marktpreis (Zinssatz) ist für eine einzelne Anbieterin (= Bank oder Sparkasse) nicht (nach oben hin) veränderbar.

Unelastische Nachfragefunktion im Wohnungsbaukreditgeschäft

Als unabhängige Variable im Marktmodell ist der Marktpreis auf der Ordinate abgebildet. Die Trendlinienfunktion muss deshalb nach der Menge x beziehungsweise q umgeformt werden. Aus dieser Nachfragefunktion lassen sich die Nachfrage elastizitäten für die Jahre 2003 und 2016 berechnen. Dazu sind zunächst die q-Werte jeweils beider Jahre in die Nachfragefunktion einzusetzen, um die entsprechenden Zinssätze der Trendlinie zu berechnen.

Auf Basis der p/q-Werte für 2003 und 2016 sowie der ersten Ableitung der Nachfragefunktion ergeben sich folgende Nachfrageelastizitäten:

Eta 2003 = 0,61 und Eta 2016 = 0,20

Um eine Elastizität von Eta = 1 und damit Elastik zu realisieren, müsste der Marktpreis (p) 5,94 Prozent betragen. Die unelastische Nachfragefunktion im Wohnungsbaukreditgeschäft impliziert, dass bei weiter sinkenden Zinssätzen im Markt und damit verbunden weiter sinkenden Margen der Kreditinstitute die Vertriebsintensivität überproportional gesteigert werden muss, um den Margenverfall zu kompensieren.1)

Der Vertriebsintensivierung sind Grenzen gesetzt

Die Entscheidung zum Wohnungsbau hängt noch von weiteren Einflussfaktoren ab als nur vom Zinssatz. Hier sind beispielhaft die Verfügbarkeit von Grundstücken, Bestandsimmobilien oder Aus- und Umbaugenehmigungen zu nennen. Daher sind der Vertriebsintensivierung durch Kreditinstitute Grenzen gesetzt. Das enorme Absinken der Marktzinssätze über die letzten Jahre wird Kreditinstitute damit zunehmend vor Ertragsprobleme stellen. Die Geschäftsbeziehungen zu Kunden im Wohnungsbaukreditgeschäft, zu Privatkunden, aber auch zu Firmenkunden, können sich dadurch destabilisieren.

Kreditinstitute könnten sich strategisch umpositionieren und verstärkt risikointensivere Kreditgeschäfte eingehen wollen, um die Erträge zu steigern, wenn der Baufinanzierungsvertrieb nicht mehr überproportional steigerungsfähig erscheint.

Preis-Absatz-Funktion vernachlässigt?

Aus den mikroökonomischen Überlegungen zur Elastizität leitet Wübker (2006) eine gesamte Konzeption der ertragsorientierten Preispolitik für Kreditinstitute ab.2) Hierzu fußen seine Überlegungen auf der Preiselastizität der Nachfrage beispielhaft für das Einlagenbank-, Kreditgeschäft und Provisionsgeschäft von Banken und Sparkassen. Die dazu notwendig zu kennende Nachfragefunktion wird hier als Preis-Absatz-Funktion tituliert. In einer Diagrammdarstellung werden ungleich zur mikroökonomischen Nachfragefunktion der Preis auf der Abszisse und die Menge auf der Ordinate abgetragen.3)

Der Praxis wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, sich nicht mit der empirischen Preis-Absatz-Funktion ihrer Produkte auseinanderzusetzen. So lautet ein Fazit: Um den optimalen Preis zu bestimmen, muss der Bankmanager die Preis-Absatz-Funktion kennen. Unter Berücksichtigung der Kosten und der Wettbewerbsreaktionen kann er den Preis ermitteln, der den höchsten Gewinn bringt. Doch viele Manager kennen die Preis-Absatz-Funktion nicht.4)

Doch bereits in Nagle/Holden/Larsen (1998) wird die Bedeutung der Preiselastizität der Nachfrage stark eingeschränkt, weil Markenbedeutungen und das relative Alter einer Marke sie beeinflussen. Sie kommen daher zum Schluss: "Es gibt nur wenige Faustregeln für die Vorhersage relativer Preiselastizitäten, die sich anwenden lassen, ohne dass von Fall zu Fall auch die Faktoren untersucht werden müssen, die bezogen auf die jeweilige Produktklasse die Preissensivität der Käufer bestimmen. Eine Daumenregel lässt sich jedoch auf eine Produktklasse insgesamt anwenden: Preiselastizitäten sind meist von der Größe des jeweiligen Marktanteils abhängig.

Eine Untersuchung der Differenzen zwischen relativen Preisen innerhalb einer Produktklasse hat ergeben, dass der Absatz von Marken mit einem kleineren Marktanteil viel preissensitiver ist als der Absatz von Marken mit größerem Markanteil. Dies leuchtet ein. Ein Unternehmen mit einem großen Marktanteil, wie zum Beispiel AT& T (60 Prozent des Telefonmarkts für Ferngespräche in den USA), hat nur wenig Möglichkeiten, durch Preissenkungen diesen Marktanteil zu erweitern. Auf der anderen Seite könnte ein Unternehmen mit kleinerem Marktanteil (zum Beispiel die Firma Sprint, die einen Anteil von 10 Prozent am Ferngesprächsmarkt hält) ihren Absatz um 20 Prozent mittels einer Preissenkung erhöhen, die weniger als 4 Prozent der AT& T-Kunden abwerben würde".5)

Branchenunabhängig diskutiert

Die mikroökonomischen Elastizitätsgedanken lassen eine Vielzahl weiterer betriebswirtschaftlicher Ansätze zur optimalen Preispolitik eines Unternehmens herleiten. Farris/Bendle/Pfeifer/Reibstein (2007) beispielsweise beschreiben folgende Instrumente für die betriebliche Preispolitik:6)

- optimaler (= gewinnmaximalen) Preis aus Sicht des betrachteten Unternehmens

- Restelastizität als Summe aus eigener Nachfrageelastizität plus Wettbewerbselastizität (= Nachfragereaktionen bei Wettbewerbern auf Preisänderungen des betrachteten Unternehmens) plus Querelastizität (= Nachfragereaktion der Kunden des betrachteten Unternehmens auf Preisänderungen des Wettbewerbs), um die Wettbewerbsdynamik in die Kalkulation zu integrieren.

- Spieltheoretische Preisgestaltung zur Integration möglicher Wettbewerbsreaktionen auf das eigene Agieren durch Einbezug der Restelastizität in strategische Überlegungen.

Die Preiselastizität der Nachfrage spielt demnach nicht nur an den Bankenmärkten eine große Rolle, sondern wird branchenunabhängig diskutiert.

Hinweis an das Eurosystem

Preise im Kreditgeschäft werden gewöhnlich als Zinssätze abgebildet und nicht in Währungseinheiten. Wird die oben diskutierte elastizitätsbezogene Zinssatzentwicklung im Kontext der Geldpolitik innerhalb der Eurostaaten bewertet, muss dem Eurosystem der Hinweis vermittelt werden, durch die expansive Politik die Finanzmarktstabilität in Deutschland nicht zu gefährden. Der Geldpolitik im Eurosystem setzen die Ergebnisse dieser mikroökonomischen Analyse bereits eine erste wesentliche Grenze.

Fußnoten

1) Simon/Fassnacht 2016 (S. 120) beziffern die Preiselastizität der Nachfrage für Baufinanzierungen stattdessen mit 0,8 bis 1,9. Allerdings macht die Quelle keinerlei Angaben zum Wertekontext.

2) Vgl. Wübker 2006, S. 83-93.

3) Vgl. hierzu auch im zwar älteren, aber nach wie vor etablierten Lehrbuch Simon 1995, S. 24-52.

4) Wübker 2006, S. 37.

5) Nagle/Holden/Larsen 1998, S. 123f.

6) Vgl. Farris et al. 2007, S. 271-304.

Literaturverzeichnis

Farris, P. W./Bendle, N. T./Pfeifer, P. E./Reibstein, D. J. (2007): Marketing messbar machen. München: Pearson.

Nagle, T. T./Holden, R. K./Larsen, G. M. (1998): Pricing. Berlin: Springer.

Simon, H. (1995): Preismanagement kompakt. Wiesbaden: Gabler.

Simon, H./Fassnacht, M. (2016): Preismanagement, 6. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler.

Wübker, G. (2006): Power Pricing für Banken. Frankfurt am Main: Campus.

Zum Autor Prof. Dr. Markus Knüfermann, EBZ Business School - University of Applied Sciences, Bochum
Prof. Dr. Markus Knüfermann , Fachbereich Volkswirtschaftslehre , EBZ Business School - University of Applied Sciences

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