Elektronische Kreditvergabe

Online-Kredite ohne Medienbruch

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Eine digitale Girokontoeröffnung via Video-Identifikation ist heute keine Seltenheit mehr. Die Kreditbeantragung via Smartphone inklusive rechtssicherem Vertragsabschluss innerhalb von Minuten stellt hingegen ein Novum dar. Denn für den rechtssicheren Vertragsschluss schienen eine Unterschrift auf gedrucktem Papier und der Versand un umgänglich. Neue, durchgängige e-Signing-Lösungen, versetzen Banken nun in die Lage, ihren Kunden den Vertragsabschluss am Bildschirm ohne Medienbruch anzubieten, ohne dass dafür eine spezielle Hardware erforderlich ist. Red.

Kreditverträge, Vollmachten, Lebens- und Krankenversicherungen - sie alle verbindet eine Direktive: die eigenhändige Namenszeichnung gemäß §126 BGB (Schriftformerfordernis). Dazu mussten die Dokumente von den Kunden ausgedruckt, unterschrieben und postalisch verschickt werden. Aufseiten der Firmen wurden die Verträge empfangen, auf unterschiedliche Arten digitalisiert und die Papiere archiviert. Das alles ging auf Kosten der Datenqualität, Flexibilität und Konversionsrate. Die elektronische Signatur sollte diese Prozesse vereinfachen.

Die Europäische Kommission verwen dete den Begriff der "elektronischen Sig natur" erstmalig in der EU-Richtlinie 1999/93/ EG, die bis dato den Ausgangspunkt für die gültige Signaturgesetz gebung bildete. In den einzelnen Mitgliedsländern wurde diese Richtlinie in nationales Recht umgewandelt, so beispielsweise in Deutschland in das deutsche Signaturgesetz (SigG). Es unterscheidet zwischen den folgenden Formen von elektronischen Signaturen: der ein fachen, der fortgeschrittenen und der qualifizierten elektronischen Signatur.

Einfache, fortgeschrittene und qualifizierte Signaturen

- Eine einfache elektronische Signatur wie zum Beispiel die E-Mail-Signatur muss keine besonderen Anforderungen erfüllen.

- Fortgeschrittene elektronische Signaturen (AES) hingegen erfordern einen einmaligen, geheimen Signaturschlüssel. Auch muss der Signaturersteller bei Bedarf über einen Prüfschlüssel oder seine biometrische Unterschrift identifizierbar sein. Ihr Beweiswert ist höher als der der einfachen elektronischen Signatur. An qualifizierte elektronische Signaturen (QES) werden die höchsten Anforderungen gestellt: Man benötigt entweder eine Signaturkarte, einen Kartenleser sowie eine geeignete Signatursoftware oder eine rein softwarebasierte Lösung. Das qualifizierte Zertifikat wird dabei von einem sogenannten Trust Center beziehungsweise einem akkreditierten Zertifizierungsdiensteanbieter (ZDA) ausgestellt. Diese Ausstellung setzt die Identifizierung des Antragsstellers voraus.

- Die qualifizierte elektronische Signatur ermöglicht Firmen die Beweislastumkehr, das heißt das Gericht akzeptiert die digitale Unterschrift als gültig. Möchte der Unterzeichner die Unterschrift anfechten, so trägt er die Beweislast, dass die Unterschrift ungültig ist. Sowohl Geschäfts- als auch Privatpersonen können mittels der qualifizierten elektronischen Signatur online Rechtsgeschäfte abschließen und sich damit den Gang zur Bank oder zum Amt sparen.

Elektronischer Personalausweis hat sich nicht durchgesetzt

2010 wurde mit dem neuen Personalausweis (nPA) ein neuer Ansatz für die elektronische Signatur verfolgt. Er verfügt über eine Art "Platzhalter" für ein Signaturzertifikat, das der Ausweisinhaber käuflich erwerben kann. Zusätzlich muss er sich durch einen Zertifizierungsdiensteanbieter (ZDA) mit Hilfe der eID-Funktion identifizieren lassen. In den meisten Ländern hat sich dieses System nicht durchgesetzt.

Neue Ideen entstehen oft aus unbeliebten Alltagssituationen heraus. So war beispielsweise der Wechsel des Bankpartners oder die Eröffnung eines neuen Kontos in der Vergangenheit oft mit hohem organisatorischen Aufwand verbunden. Lastschriften und Daueraufträge mussten umgestellt, der Arbeitgeber und weitere Zahlungspartner informiert werden. Und dann musste man sich auch noch nach den Öffnungszeiten der Filialen richten.

Das alles ist seit einigen Jahren online möglich. So entwickelte beispielsweise das Münchner Fintech IDnow eine Lösung zur Online-Identifizierung via Video-Chat. Das Video-Identifikations-Verfahren ist seit März 2014 in Deutschland durch eine Neuauslegung des Geldwäschegesetzes zulässig und wird je nach Anbieter zur Eröffnung neuer Konten, aber auch Depots genutzt.

Dafür benötigen Kunden neben ihrem Ausweis wahlweise einen Rechner mit Webcam, ein Tablet oder ein Smartphone sowie einen Internetzugang. Für die Legitimation per Video-Chat muss der Kunde unter anderem seinen Ausweis vor die Kamera halten und ihn mehrfach kippen und neigen, um die holografischen Merkmale prüfen zu lassen. Im Fall von IDnow wird die Identifikation mit Unterstützung computerbasierter Algorithmen von einem Ident-Center-Mitarbeiter vorgenommen. Nachdem alle gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen durchgeführt wurden, ist der Nachweis der Identität damit in wenigen Minuten erledigt.

Konversionsrate steigern

Es fehlt noch die für bestimmte Verträge erforderliche qualifizierte elektronische Signatur. Alternativ konnte sie mittels entsprechender Hardware erzeugt werden. Ein interessanterer Lösungsansatz, der für ein nahtloses digitales Ergebnis sorgt, ist die Kombination aus Video-Identifizierung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, die durch ein Trust Center ausgestellt wird. Die Vorteile einer solchen Lösung liegen auf der Hand: Sie unterliegt nahezu keinen zeitlichen oder geografischen Einschränkungen.

Das beschriebene Verfahren ist für alle Verträge interessant, für die ein Schriftformerfordernis gemäß § 126 BGB besteht. Darunter fallen beispielsweise Kreditverträge. Hierzu ein Beispiel aus der Praxis: Ein Online-Shop mit hochpreisigen Waren bietet seinen Kunden einen besonderen Service - einen Sofortkredit, der noch während des Einkaufsvorgangs beantragt und abgeschlossen werden kann.

Der Shopbetreiber hat ein Kreditinstitut an den Online-Shop angebunden. Dieser Kreditanbieter bedient sich der der Video-Identifikation, um die Kunden online zu identifizieren. Mit der anschließenden elektronischen Signatur kann der Kunde seinen Kreditvertrag abschließen und die von ihm bestellte Ware finanzieren. Statt den eigenhändig unterschriebenen Antrag zu dem Kreditinstitut zu schicken und viele Tage auf die Genehmigung zu warten, hat er in diesem Beispiel alles in kurzer Zeit erledigt - ohne den Online-Shop zu verlassen.

Finanzunternehmen haben durch den Einsatz einer e-Signing-Lösung die Möglichkeit, ihre Konversionsrate vom Kundenkontakt zum Geschäftsabschluss deutlich zu steigern, denn die Lösung lässt sich ohne großen Aufwand in Vertragsabschlüsse einbinden. Gerade in Zeiten, in denen Kunden viele Services online abschließen und die Digitalisierung der Banken voranschreitet, ist das ein zentrales Erfolgskriterium.

Zudem ermöglicht die elektronische Unterschrift eine höhere Automatisierung und Geschwindigkeit der Prozesse mit zu unterschreibenden Dokumenten, ganz zu schweigen von der erheblichen Verbesserung der Datenqualität.

Europaweit einheitlich

Sichere und Compliance-konforme elektronische Signaturen werden in Europa ab dem 1. Juli dieses Jahres noch stärker Einzug halten. Denn dann tritt in allen 28 Mitgliedsstaaten der EU die europäische Signaturverordnung (eIDAS) für elektronische Vertragsabschlüsse in Kraft. Es ist die Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt. Sie ersetzt sowohl die EU-Direktive als auch die nationalen Signaturgesetze.

Die Neuerung schreibt vor, dass künftig sämtliche, mit einer qualifizierten elektronischen Signatur unterzeichneten Verträge in allen Mitgliedsstaaten der EU gegenseitig anerkannt werden müssen. Da Deutschland in der elektronischen Signatur eine Vorreiterrolle einnimmt, wurden große Teile des deutschen Signaturgesetzes in die eIDAS-Verordnung übernommen.

- Einerseits soll das umfangreiche Verordnungspaket dafür sorgen, dass Bürger aus Ländern mit eID-Systemen diese auch in anderen Ländern benutzen können, die über eID-Systeme verfügen. Das bedeutet aus deutscher Sicht, dass der neue Personalausweis mit seinen eID-Funktionen anerkannt wird und elektronische Signaturen, Zeitstempel und Siegel deutscher Vertrauensdienste (Trust Service Provider, TSP) grenzübergreifend Gültigkeit haben.

- Andererseits werden als Pendant zur qualifizierten elektronischen Signatur mit der neuen EU-Verordnung qualifizierte elektronische Siegel eingeführt. Somit erhalten auch juristischen Personen die Möglichkeit, den Ursprung und die Unversehrtheit von elektronischen Dokumenten rechtsverbindlich zu garantieren. Sie lassen sich zudem verwenden, um digitale Besitzgegenstände einer juristischen Person wie beispielsweise einen Softwarecode zu kennzeichnen. Am Ende schließt sich damit der Kreis, und auch Unternehmen können das Verfahren für sich geltend machen.

Genau zur rechten Zeit

E-Signing-Lösungen für den komplett digitalen Vertragsabschluss ohne zusätzliche Hardware kommen genau zur rechten Zeit. Zusammen mit eIDAS erhält die Finanzbranche damit neue Möglichkeiten, digitale Geschäftsmodelle und -prozesse in Europa umzusetzen und auszuweiten. Insbesondere international agierende Finanzunternehmen können durchgängige e-Signing-Lösungen einsetzen und von einer Reduzierung des Arbeitsaufwands in elektronischen Transaktionen profitieren.

Services wie Online-Kreditverträge oder den Abschluss von Lebensversicherungen per Web anzubieten, und zwar in ganz Europa, ist künftig problemlos möglich. Durch die Übermittlung digitaler Kundendaten an die Banken erhöht sich die Datenqualität entscheidend. Dadurch wird auch das Arbeitsaufkommen für die Digitalisierung und Bereinigung der Daten verbessert.

Dieser digitale Service kommt bei den Kunden gut an und hat bereits bei vielen Firmen die Konversionsrate verbessert. Dank eIDAS müssen die Unternehmen ihre Dienstleistungen nicht mehr auf eine Nation beschränken, sondern können die Services mit der gleichen Rechtssicherheit in ganz Europa anbieten.

Endkunden profitieren davon, bequemer Verträge zeichnen zu können und die gewünschten Produkte und Dienstleistungen schneller zu erhalten. Nahezu unabhängig von Raum und Zeit lassen sich entsprechende Dokumente via Smartphone oder Tablet gegenzeichnen.

Die elektronische Signatur soll künftig nicht nur etwas für technikaffine oder professionelle Anwender sein. Vielmehr stellt eIDAS die Weichen, um die Technologie einer breiten Masse zugänglich zu machen. Die europaweit einheitlichen Standards, grenzüberschreitende Rechtssicherheit und günstige Wettbewerbsbedingungen werden ein neues Kapitel in der branchenübergreifenden Digitalisierung aufschlagen. Das Potenzial ist enorm, die Vorteile liegen auf der Hand und die Nachfrage ist groß. Jetzt gilt es, die Gelegenheit nicht zu verpassen und stattdessen die Möglichkeiten auszuschöpfen.

Zu den Autoren

Sebastian Bärhold, Managing Direktor, und Danielle Rietsch, beide IDnow GmbH, München

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