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Positive Wirkung nachhaltiger Geldanlagen - ein leeres Versprechen

Niels Nauhauser, Foto: Verbraucherzentrale Baden-Württemberg

Bei nachhaltigen Geldanlagen besteht für Anbieter der Anreiz, Verbraucher zu übervorteilen, sagt Niels Nauhauser. Denn den Anlegern wird suggeriert, damit eine positive Wirkung erzielen zu können. Dieses Versprechen können die meisten als nachhaltig beworbenen Geldanlagen jedoch nicht einlösen. Damit die Sustainable-Finance-Strategie gelingen kann, so der Verbraucherschützer, braucht es ein gesetzliches Kennzeichnungssystem für nachhaltige Geldanlagen, das die Zuverlässigkeit aller Informationen garantiert. Dafür muss die Bewertung von einer staatlichen Institution vorgenommen werden. Red.

Die Bundesregierung verfolgt mit ihrer Sustainable-Finance-Strategie das Ziel, Deutschland zu einem führenden Sustainable-Finance-Standort auszubauen. Sie macht hierbei deutlich, dass Finanzmarktakteure Informationen benötigen, um Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Entscheidungen integrieren zu können. Somit sei Transparenz ein zentraler Schlüssel für den Erfolg von Sustainable Finance. Dieses Vorhaben ist sehr zu begrüßen, trifft es doch auf die Erwartungen von interessierten Verbrauchern durch ihre Marktentscheidungen auch zur Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels beitragen zu können.

Die wirtschaftliche Selbstbestimmung von Verbrauchern, hier in der Rolle der Anleger, setzt Vollständigkeit und Verlässlichkeit aller für ihre Entscheidungsfindung erforderlichen Informationen der am Markt angebotenen Produkte und Dienstleitungen voraus. Mangelt es an vollständigen und verlässlichen Informationen, droht Marktversagen.

Informationsproblem auf drei Ebenen

Anleger stehen bei der Entscheidung, mit dem Erwerb einer Geldanlage einen wirksamen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten zu wollen, vor einem Informationsproblem auf drei Ebenen. Dieses Problem ergibt sich aus dem besonderen Charakter von Nachhaltigkeit als Vertrauenseigenschaft, der Geldanlageprodukte im Allgemeinen und der Finanzberatung. Die Geldanlageentscheidung findet auf allen drei Ebenen

unter Informationsasymmetrie statt. Im Folgenden werden die sich daraus ergebenden Herausforderungen aus Perspektive der Anleger beschrieben und die Voraussetzungen für eine Lösung skizziert, damit der Markt seine Rolle als Koordinator von Angebot und Nachfrage erfüllen und die Sustainable Finance Strategie gelingen kann.

Ihr Nachhaltigkeitsaspekt ist einer Geldanlage weder vor dem Kauf noch nach dem Kauf anzusehen. Bei ihrer Entscheidung, eine nachhaltige Geldanlage zu kaufen, sind Verbraucher auf zusätzliche Informationen über den Nachhaltigkeitsaspekt einer Geldanlage angewiesen. Diese zusätzlichen Informationen müssen verlässlich sein. Anbieter von Geldanlageprodukten, ob Fondsgesellschaften, Kreditinstitute oder Versicherungsgesellschaften, nutzen Nachhaltigkeitsaspekte im Rahmen ihrer Marketinginstrumente zur Absatzförderung. Für Anbieter besteht in dieser Situation stets der Anreiz zu opportunistischem Verhalten, das heißt zur Übervorteilung der Verbraucher. Schon das Vorhandensein dieses Anreizes bedingt, dass Selbstauskünfte der Anbieter nicht als verlässlich gelten können.

Es fehlt an verlässlichen Informationen

Verlässlichkeit erhalten Informationen dann, wenn sie von einer dritten Instanz zur Verfügung gestellt werden, die einen Einblick in die "Produktion" der Geldanlage besitzt und diesen Einblick jederzeit auch gegen den Willen des Anbieters durchsetzen kann. Den Einblick in den Produktionsprozess kann eine dritte Instanz nur dann durchsetzen, wenn sie gesetzlich dazu befugt ist. Weder Ratingagenturen noch Träger von Gütezeichen besitzen diese Befugnis.

Da es derzeit keine derart ausgestatte Institution gibt, stehen Verbrauchern derzeit keine verlässlichen Informationen zur Nachhaltigkeit einer Geldanlage zur Verfügung. Dies haben wir mit unserer erfolgreichen Abmahnung gegen die Dekabank jüngst deutlich gemacht.

Beispiel Dekabank

Die Dekabank hatte Verbrauchern einen Aktienfonds angeboten und ihnen hierbei in Aussicht gestellt, mit ihrer Geldanlage einen konkreten, messbar positiven ökologischen Effekt zu erzielen. Um diesen Effekt für eine Anlagesumme auszurechnen, bot die Bank einen "Impact Rechner" an. Sie warb hierbei auf ihrer Internetseite unter anderem mit folgender Aussage: "Mit Ihrer Geldanlage von 10 000 Euro haben Sie eine Wirkung auf die folgenden nachhaltigen Kriterien: 830 kWh erneuerbare Energien werden produziert, 6,71 Tonnen Abfall werden eingespart, 575 kg CO2 werden eingespart."

Eine derartige vom Anleger verursachte Wirkung wird als Investor Impact bezeichnet. Anlegern wird hierbei versprochen, sie würden "investieren mit positivem Einfluss" oder "verantwortungsvoll investieren und eine positive Wirkung auf Umwelt und Gesellschaft haben."

Dass diese Versprechen nur auf Schätzungen beruhen, erfuhren Verbraucher erst nach einigen weiteren Klicks. Außerdem berücksichtigte die Bank gar nicht die Wirkung aller Unternehmen des Portfolios. Bei der Wirkungsmessung hat sie nämlich solche Unternehmen weggelassen, zu denen ihr keine Daten über deren Wirkung vorliegen. Wer keine Daten hat, kann auch nicht ausschließen, dass die Wirkung eines Unternehmens negativ bezogen auf ein Nachhaltigkeitsmerkmal ist. Dies hatte die Verbraucherzentrale zunächst im Rahmen einer Abmahnung und, nachdem das Unternehmen die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgeben wollte, in ihrer Klage beanstandet.1)

Bevor es zur Verhandlung der Klage am Landgericht Frankfurt am Main kam, hat die Dekabank den Impact Rechner vom Netz genommen und die Unterlassungsansprüche der Verbraucherzentrale vollumfänglich anerkannt. Gegenüber dem Handelsblatt räumte sie sogar ein: "Das Dilemma ist folgendes: Unsere Anleger wollen möglichst konkret wissen, wie nachhaltige Geldanlage wirkt. Aber der Regulierer und die Politik haben bisher keine belastbaren Messgrößen festgelegt. Es gibt damit keine etablierten Methoden die Wirkung zu messen."2) Mit diesem Anerkenntnis der Unterlassungsansprüche der Verbraucherzentrale wurde der Rechtsstreit beendet und die bisherige Irreführung der Verbraucher beseitigt.

Wirkungsversprechen können meist nicht eingelöst werden

Selbst wenn das Problem der Zuverlässigkeit von Informationen über den Nachhaltigkeitsaspekt einer Geldanlage gelöst würde, bleibt die grundsätzliche Frage, ob und in welcher Form Anleger durch die gezielte Auswahl von Finanzprodukten überhaupt eine messbare Wirkung und damit auch zum Gelingen der Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels beitragen können. Wenn Anbieter von Finanzprodukten das eingesammelte Geld etwa in Aktien oder Anleihen von Unternehmen investieren, die beispielsweise im Verhältnis zu anderen Unternehmen weniger CO2 ausstoßen, kann noch keine Rede davon sein, dass diese Differenz dann "eingesparter CO2-Ausstoß" sei. Erst recht wird diese Einsparung nicht durch den Kauf der Aktien oder Anleihen der Unternehmen am Sekundärmarkt verursacht.

Eine positive Wirkung als Ergebnis eines Investor Impacts lässt sich bei Investitionen allenfalls dann erzielen, wenn gezielt in Unternehmen investiert wird, um den daraus resultierenden Einfluss geltend zu machen, der sodann zum Beispiel eine Verbesserung der ökologischen Bilanz des Unternehmens verursacht. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um Anlageformen handelt, welche den Anlegern Mitbestimmungsrechte zugestehen.

Derartige Wirkungsversprechen können die gängigen, als nachhaltig beworbenen Geldanlagen jedoch nicht einlösen. Stattdessen werden meist verschiedene Unternehmen anhand von Nachhaltigkeitskriterien selektiert. So mag den Produzenten von Windenergieanlagen zwar eine hohe nachhaltige Wirkung zuzuschreiben sein. Wer deren Aktien kauft, hat allerdings auf die direkte Nachfrage und Produktion von Windenergieanlagen keinen Einfluss. Bei den Wirkungsversprechen der Anbieter handelt es sich gegenwärtig mehr um Kommunikationsmaßnahmen der Absatzpolitik als um zuverlässige Information, die sich auf Evidenz stützt.3)

Informationsasymmetrien bei Geldanlagen

Mit dem Erwerb einer Geldanlage verfolgen Verbraucher ein bestimmtes Ziel, beispielsweise eine ihren Lebensstandard sichernde Altersvorsorge. Ob mit der Geldanlage das gesetzte Ziel erreicht wird oder nicht, ist der Geldanlage weder vor dem Kauf noch nach dem Kauf anzusehen. Es handelt sich daher um ein Vertrauensgut. So ist für Verbraucher etwa bei einer Verfehlung des Anlageziels nicht erkennbar, inwiefern dies an den von dem Anbieter gesetzten Eigenschaften der Geldanlage selbst oder an äußeren Umständen, das heißt der Entwicklung des Finanzmarktes liegt.

Auch hier können die Anbieter von Geldanlagen bestehende Informationsasymmetrien zu ihrem wirtschaftlichen Vorteil ausnutzen. Der Gesetzgeber hat den Anbietern zwar umfangreiche Informationspflichten auferlegt, allerdings sind diese zur Überwindung der Informationsasymmetrie bei Vertrauensgütern grundsätzlich nicht geeignet. Der Bedarf der Verbraucher, Geld anzulegen eröffnet aufgrund der Komplexität der Finanzmärkte das Geschäftsfeld der gewerblichen Finanzberatung.

Entscheiden sich Verbraucher aufgrund der Komplexität der Geldanlageentscheidung dafür, eine Finanzberatung in Anspruch zu nehmen, stehen sie vor einem weiteren Problem asymmetrischer Information, das im Verhältnis zum Finanzintermediär entsteht. Wie sollen sie das Ergebnis der Beratung, das heißt die Bedarfsgerechtheit der empfohlenen Produkte, bewerten? Da sie einen Informationsbedarf für sich reklamiert haben, fehlen ihnen die für die Bewertung notwendigen Informationen. Verbraucher können sich die Informationen auch nicht in der notwendigen Tiefe aneignen (aufgrund zum Beispiel eines begrenzten Zeitbudgets). Würden sie die Informationen besitzen, benötigten sie die Beratung nicht. Auch die Finanzberatung ist daher aus der Perspektive der Verbraucher ein Vertrauensgut, dessen Qualität sich der Bewertung entzieht.

Für die Finanzberater ist damit aber ein Anreiz gegeben, die Beratung so zu gestalten, dass diese lediglich in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse liegt. Wird Finanzberatung über Provisionen bezahlt, liegt es in ihrem Interesse, solche Produkte zu empfehlen und zu verkaufen, mit denen hohe Provisionen als Einnahmen erzielt werden können. Bei Vereinbarung eines Honorars liegt es dagegen in ihrem Interesse, dieses Honorar zu maximieren und Akzeptanz für dessen Höhe zu schaffen.4) Zugleich können Berater wie auch Vermittler ihre Kosten durch Reduktion des erforderlichen Recherche- und Qualifizierungsaufwandes reduzieren, ohne dass dies für die Ratsuchenden erkennbar wäre.

Gesetzliche Regeln nicht ausreichend

Was den Qualifizierungsaufwand betrifft, ist der gegenwärtige Rechtsrahmen noch nicht einmal ausreichend, um abzusichern, dass alle Berater über die zur bedarfsgerechten Anlageberatung hinsichtlich konventioneller Geldanlagen notwendige Qualifikation überhaupt verfügen. Mangelhafte Qualifikation führt stets zur fehlerhaften Bedarfsexploration und infolge dessen zu nicht bedarfsgerechten Anlageempfehlungen.

Aus dieser Situation kommen Verbraucher nicht heraus. Weder private Garantien oder Ausbildungszertifikate noch private Gütesiegel überwinden das Informationsproblem, denn Verbraucher müssten dann etwa den Eintritt des Garantiefalls oder die Zuverlässigkeit des Gütesiegels bewerten. Besäßen sie die dazu notwendigen Informationen, könnten sie das Ergebnis der Beratung selbst bewerten, bräuchten diese dann aber auch nicht in Anspruch zu nehmen.

Derzeit bestehende gesetzliche Regeln in der Finanzberatung sind nicht ausreichend, um die genannten Interessenskonflikte zu lösen. Die Beratungserfahrung der Verbraucherzentrale belegt, dass die Anbieter die bestehende Informationsasymmetrie ausnutzen und dadurch Verbraucher übervorteilen.5)

Wie die Sustainable-Finance-Strategie gelingen kann

Die Sustainable-Finance-Strategie der Bundesregierung kann nur dann ihr Ziel erreichen, wenn es gelingt, Verbraucher und ihre wirtschaftliche Selbstbestimmung zu gewährleisten und zu stärken, indem sie vollständige und verlässliche Informationen für ihre Anlageentscheidung erhalten. Dazu sind im Wesentlichen zwei Maßnahmen umzusetzen:

1. Es ist ein gesetzliches Kennzeichnungssystem für nachhaltige Geldanlagen einzuführen, das die Zuverlässigkeit aller Informationen garantiert.

Die Level-2-Umsetzung der Taxonomieverordnung steht derzeit noch aus. Sie ist aus der Perspektive der Verbraucher keine Lösung, weil die Zuverlässigkeit der Information nicht gewährleistet ist. Nachhaltigkeitsaussagen beruhen hier auf Bewertungen privater Ratingagenturen sowie auf Selbstauskünften von Unternehmen. Deren Träger können nicht gegen den Willen der Anbieter den für die Verifikation erforderlichen Einblick in deren Geschäftsprozesse nehmen. Die Bewertung muss vielmehr von einer staatlichen Institution oder von einer durch den Staat mit Hoheitsrechten ausgestatteten Institution auf Grundlage eines gesetzlichen Kennzeichnungssystems erfolgen. Zu diesem Kennzeichnungssystem gehört auch eine hoheitliche Kontrolle. Die BaFin ist in die Lage zu versetzen, die ihr auferlegte Aufsichtspflicht zu erfüllen und ihr auch nachzukommen.

2. Finanzberatung ist so zu regulieren, dass sie ausschließlich im Interesse der ratsuchenden Verbraucher erfolgt und sich an deren Bedarfen ausrichtet.

Beratung und Verkauf sind auf gesetzlicher Grundlage voneinander zu trennen. Die Bezeichnung "Finanzberatung" ist gesetzlich zu definieren und zu schützen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat die Qualität der Beratung zu überwachen und sicherzustellen, dass diese sich ausschließlich am Bedarf der Ratsuchenden ausrichtet. Aufsichtsrechtliche Verstöße sind in einem für jedermann einsehbaren Register zu veröffentlichen. Im Rahmen der Zulassung und Beaufsichtigung ist das Beratungskonzept zu prüfen. Daraus hat hervorzugehen, wie die Bedarfe der Verbraucher ermittelt werden, nach welcher Logik die Bedarfe zu welcher konkreten Anlageempfehlung führen und wie den Ratsuchenden die Anlageempfehlung erläutert wird.

Das Beratungskonzept hat evidenzbasiert zu sein, ferner ist es in einem für jedermann einsehbaren Zulassungsregister zu veröffentlichen. Die erforderliche Qualifikation hat sicherzustellen, dass Finanzberater dazu befähigt sind, den Bedarf der Ratsuchenden auch hinsichtlich der Nachhaltigkeitsaspekte zutreffend zu ermitteln und die am Markt angebotenen Finanzprodukte verlässlich und richtig zu bewerten.

Fußnoten

1) Pressemitteilung Verbraucherzentrale Baden-Württemberg vom 11. Februar 2021, vgl. https://www.verbraucherzentrale-bawue.de/pressemeldungen/presse-bw/gruener-schein-56763

2) Handelsblatt vom 24. Februar 2021, Seite 34.

3) Vgl. zur Evidenz auch Florian Heeb und Julian Kölbel: "The Investor's Guide to Impact - Evidencebased advice for investors who want to change the world", Universität Zürich Department of Banking and Finance, Center for Sustainable Finance and Private Wealth (CSP), https://www.csp.uzh.ch/dam/jcr:ab4d648c-92cd-4b6d-8fc8-5bc527b-0c4d9/CSP_Investors%20Guide%20to%20Impact_21_10_2020_spreads.pdf sowie Marco Wilkens Christian Klein: "Welche transformativen Wirkungen können nachhaltige Geldanlagen durch Verbraucherinnen und Verbraucher haben?", https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2021/02/11/gutachten_wilkens_und_klein_nachhaltige_geldanlagen.pdf

4) Vgl. https://www.verbraucherzentrale-bawue.de/aktuelle-meldungen/geld-versicherungen/sparen-und-anlegen/widerrufsrecht-rettet-verbraucher-vor-21000-e...

5) Vgl. https://www.verbraucherzentrale-bawue.de/marktbeobachtung/untersuchungen-der-marktbeobachtung-41829

Niels Nauhauser , Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken, Kredite , Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e.V.
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