DIGITALER VERTRIEB

Wie Robo Advice das Wertpapiergeschäft verändert

Rudolf Geyer, Foto: ebase

2019 kann der Robo-Advisor-Markt in Deutschland sein fünfjähriges Bestehen feiern. Disruption, so eine Erkenntnis, hat es nicht gegeben, da der Kundenbedarf sich vielfach kaum verändert und vielfach weiterhin Beratungsbedarf besteht, so Rudolf Geyer. Dennoch haben die Robo Advisor die Branche vorangebracht und die Art und Weise verändert, wie Kunden Unterstützung finden. Dabei kommt es auf den richtigen Mix zwischen Mensch und Maschine an. Deshalb sind auch die Potenziale der reinen Online-Vermarktung noch begrenzt. Banken, so Geyers Ratschlag, müssen ihre Rolle in der Plattformökonomie definieren, ihre Wertschöpfungskette neu designen und dabei die verschiedenen Elemente nicht nur verknüpfen, sondern auch harmonisieren. Red.

Neben den Auswirkungen des andauernden Niedrigzinsumfeldes ist die Digitalisierung sicherlich das Top Thema, mit dem sich die Finanzbranche seit mehreren Jahren und mit zunehmender Intensität beschäftigt. Nicht nur die Angebote, sondern auch die Wettbewerbslandschaft verändern sich dadurch. Während des Wettbewerbs, je nach Produkt, in der Vergangenheit fast ausschließlich zwischen unterschiedlichen Banken, Bausparkassen oder Versicherungen stattfand, sind in den letzten Jahren immer mehr Fintechs als neue Konkurrenten an den Start gegangen.

Den Fintechs ist es dabei gelungen, frische Ansätze in den Finanzdienstleistungsmarkt zu tragen. Dadurch sind diese nicht nur in aller Munde, sondern üben auch Druck auf die etablierten Anbieter aus, sich weiterzuentwickeln. Die Digitalisierung der unterschiedlichen Angebote - aber auch der Anbieter - geht dabei unterschiedlich schnell voran.

Neben der internen Digitalisierung, welche gerade für Banken mit ihren teilweise über viele Jahrzehnte aufgebauten Legacy-Systemen und Prozessen sicherlich eine Mammutaufgabe ist, stellt sich die Frage, wie Bankprodukte und deren Vertrieb sinnvoll digitalisiert werden können. Denn nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch erfolgversprechend. Hier gilt es, konsequent die Kundenperspektive einzunehmen und sich vor Augen zu führen, was sich verändert hat und welche Bedürfnisse dagegen gleich geblieben sind.

Zudem muss berücksichtigt werden, wie weit die Digitalisierung aufseiten der breiten Masse der Kunden in Bezug auf das Bankgeschäft tatsächlich fortgeschritten ist.

Fünf Jahre Robo Advice bringen die Branche voran

Ein interessantes Beispiel, um dies zu illustrieren, bietet das Wertpapiergeschäft und dabei speziell das Thema Robo Advice. Nach einer ereignisreichen und gerade in den letzten Jahren von einem starken medialen Interesse geprägten Entwicklung konnte der Robo-Advisor-Markt in Deutschland 2019 sein 5-jähriges Jubiläum feiern. Auf Basis der Erfahrungen aus dieser Zeit lassen sich zahlreiche Erkenntnisse ableiten, die für zukünftige Strategien zur Digitalisierung von Bankangeboten wertvolle Leitplanken bieten können.

Eine der wesentlichen Veränderungen, die Fintechs in den Markt gebracht haben, ist es, die Angebote in erster Linie vom Kunden aus zu betrachten und zu entwickeln. Auch wenn viele Angebote der Fintechs "nur" eine Evolution darstellen und bei Weitem nicht die oft beschworene Disruption, konnten diese die Branche dadurch dennoch voranbringen. Denn die Angebote haben verdeutlicht, wie wertvoll ein konsequent von Kundenbedarf und der Nutzererfahrung her konzipiertes Angebot für den Kunden ist. Dagegen sind Banken in der Vergangenheit häufig aus der Perspektive von Legacy-Systemen und dem technisch und prozessual Möglichen vorgegangen. So konnten sich nun neue Marktstandards entwickeln, an denen sich alle Angebote messen müssen.

Der Kundenbedarf ändert sich vielfach kaum

Auch die etablierten Anbieter sind auf diese Weise gezwungen, ihre Leistungen weiterzuentwickeln. Dies ist mit Blick auf den Gesamtmarkt, aber auch speziell hinsichtlich des Angebots für den Kunden, als Erfolg zu werten. Geht man jedoch einen Schritt weiter und stellt sich die Frage, ob sich die Kundenbedarfe in dieser Zeit grundsätzlich verändert haben, oder ob die neuen Angebote die bestehenden Bedarfe nur noch besser bedienen, trifft wohl eher Letzteres zu. Mit Blick auf das Wertpapiergeschäft haben die meisten Kunden Beratungsbedarf. Nur ein kleiner Teil der Kunden sind sehr gut informierte Selbstentscheider, die bewusst auf eine Beratung verzichten und sich eigenständig um das Thema Wertpapieranlage kümmern. Folglich stellt eine kompetente Unterstützung des Kunden, unabhängig von der Digitalisierung, eines der wesentlichen Elemente im Wertpapiergeschäft dar.

Jedoch haben sich mit den neuen technologischen Möglichkeiten die Optionen deutlich erweitert, Kunden zu unterstützen. Anders als in der Vergangenheit kann eine Beratung nicht mehr nur von Mensch zu Mensch erfolgen. Auch die Aufgabe des Vermögensverwalters muss nicht mehr durch einen Portfoliomanager erbracht werden, sondern kann technisch durch einen Robo Advisor erfolgen. Egal ob durch Mensch oder Maschine, das Ziel ist, den Kunden in der Wertpapieranlage zu unterstützen und eine seinen Bedürfnissen entsprechende Geldanlage mit einem möglichst effizienten Rendite Risiko Profil zu ermöglichen - also den grundsätzlichen Bedarf bestmöglich zu erfüllen.

Digitale Bankprodukte als Mix zwischen Mensch und Maschine

Mit Blick auf die Vermögensverwaltung können Robo Advisor als Speerspitze mit einem vollständig digitalen Vermögensverwaltungsangebot betrachtet werden. In der Zukunft ist aber davon auszugehen, dass sich die heute vielfach noch bestehende klare Trennung zwischen vollständig digitalen und rein klassischen Angeboten weiter auflöst.

Bei der Markteinführung sind Robo Advisor mit dem Anspruch angetreten, die Vermögensverwaltung zu digitalisieren und zu automatisieren. Algorithmen oder andere regelbasierte, automatisierte Vorgehensweisen mit einer möglichst geringen, oder sogar gänzlich ohne menschliche Beteiligung, sollen dazu dienen, die anvertrauten Anlagegelder möglichst effizient zu verwalten. Neben den digitalen Elementen im Bereich des Portfoliomanagements war der initiale Ehrgeiz zudem, bei den Kundendialogen - wie beispielsweise dem Onboarding, aber auch dem laufenden Zugang des Kunden zum Produkt - ausschließlich auf Online-Funktionen zu setzen. Die Erfahrung der letzten fünf Jahre hat jedoch gezeigt, dass der Markt in diesem Bereich in der Breite noch nicht reif für ein vollständig digitales Angebot ist.

Damit ein Robo Advisor als eigentlich digitales Produkt erfolgreich sein kann, ist vielmehr ein neuer Mix zwischen Mensch und Maschine erforderlich. So kann der Einsatz der Maschine im Portfoliomanagement, sofern dem Algorithmus eine nachhaltig erfolgreiche Anlagestrategie zugrunde liegt, durchaus einen Mehrwert schaffen. Denn anders als bei einem klassischen Portfoliomanager spielen hier die Emotionen bei der Anlageentscheidung keine Rolle.

Auch im Bereich des Onboardings sowie der laufenden Verwaltung des Kundenkontos sind digitale Elemente erfolgversprechend. Diese müssen allerdings speziell an den Anforderungen der Kunden ausgerichtet sein und nicht nur eine einfache digitale Kopie des zuvor durch einen Berater durchgeführten Prozesses. Denn dieser kann an unterschiedlichen Stellen unterstützend zur Seite stehen und eben beraten. Entsprechende Online-Angebote müssen dagegen weitestgehend selbsterklärend sein.

Gleichwohl hat sich spätestens bei den Kommunikationswünschen des Kunden gezeigt, welch wichtige Rolle der menschliche Faktor nach wie vor spielt. So ist die Möglichkeit eines Ansprechpartners aus Fleisch und Blut - beispielsweise bei komplexen Fragen, in denen auch der beste Chat Bot nicht mehr weiter weiß - entscheidend. Dies schafft beim Kunden Vertrauen und gewährleistet darüber hinaus, dass alle Fragestellungen erfolgreich beantwortet werden können.

Potenziale der reinen Online- Vermarktung sind noch begrenzt

Auch bei der Vermarktung der Robo-Advisor-Angebote hat sich gezeigt, dass die Zeit für eine rein digitale Vermarktung zur Erreichung einer breiten Masse an Kunden noch nicht ganz gekommen ist. Um Kunden zu gewinnen, muss - neben der Bereitstellung eines attraktiven Angebotes mit einer entsprechenden Online-Präsenz - laufend über Suchmaschinenwerbung (Search Engine Advertising, SEA) und Suchmaschinenoptimierung (Search Engine Optimization, SEO) in die Markenbekanntheit und die Auffindbarkeit investiert werden, wofür entsprechende Marketingausgaben notwendig sind.

Zudem muss eine Reihe weiterer Anforderungen bedient werden. Beispielsweise messen die Kunden auch bei Robo-Advisor-Angeboten Test-Siegeln von renommierten Prüfungsinstituten eine große Bedeutung zu. Hier sind diejenigen Anbieter im Vorteil, die mit ihren Leistungen punkten können.

Die aufgezeigten Herausforderungen sind sicherlich zu meistern. Doch vor dem Hintergrund der speziell bei der Kundengewinnung entstehenden Kosten, sollte auch eine ökonomische Abwägung stattfinden. Hierbei ist es entscheidend, in welchem Maße eine Skalierung der organischen Kundengewinnung durch eine Steigerung der Ausgaben möglich ist.

Klassische physische Formate bleiben wichtig

Auf Basis der vergangenen fünf Jahre lassen sich dabei zwei Erkenntnisse festhalten:

- Zum einen ist eine organische Neukundengewinnung möglich und kann durch unterschiedliche Maßnahmen zusätzlich unterstützt werden. Die Anzahl der hierdurch zu gewinnenden Kunden und Volumina ist jedoch, im Vergleich zum Gesamtmarkt, überschaubar. Bei einer ausschließlichen Positionierung als B2C-Robo-Advisor ist es daher durchaus eine Herausforderung, die für einen kostendeckenden Betrieb erforderliche kritische Masse zu erreichen.

- Zum anderen sind auch bei einem digitalen Angebot klassische "physische" Formate wie Messen und Kunden-/ Interessentenveranstaltungen wichtig. Nur so können die Menschen hinter der Maschine kennengelernt werden, was nach wie vor ein wichtiges Element zum Vertrauensaufbau ist.

Der größte Hebel zur Kundengewinnung ist und bleibt allerdings die Konvertierung von Bestandskunden. Dies kann bei bereits etablierten Anbietern, die einen Robo Advisor als Ergänzung ihres eigenen Angebotes starten, aus dem eignen Kundenbestand erfolgen. Ein entsprechender positiver Effekt kann aber auch durch Kooperationen erreicht werden. Einige wenige Beispiele im Markt haben die entsprechenden Potenziale eindrucksvoll belegen können. Offen bleibt dabei die Frage, wie attraktiv sich der ökonomische Rahmen für alle Beteiligten darstellt.

Die Zielgruppe für digitale Bankprodukte wächst

Dass es sich bei der Etablierung neuer Technologien im Bankgeschäft allgemein um einen langfristigen Prozess handelt, wird anhand zahlreicher Beispiele deutlich. So wird Online-Banking - in unterschiedlichen Entwicklungsstufen - bereits seit Jahrzehnten angeboten. Dennoch nutzen heute erst rund 50 Prozent der Deutschen das Angebot. Ebenso liegt der Anteil von kontaktlosen Zahlungen noch immer - viele Jahre nach dem Start des Angebotes - im moderaten einstelligen Bereich. Entsprechend verhält es sich beim Thema Robo Advice.

Eine aktuell im Auftrag der Ebase durchgeführte repräsentative Befragung unter 1 000 Deutschen zeigt, dass das Thema Robo Advice noch weit weniger bekannt ist, als man vielleicht annehmen möchte. Nur rund 20 Prozent der Deutschen kennen den Begriff überhaupt, der Anteil der Nutzer ist noch deutlich geringer. Damit ist es noch ein weiter Weg, bis Robo Advisor für jedermann als relevante Option zur Geldanlage angesehen werden.

Trotzdem besteht beim Thema Digitalisierung in den unterschiedlichsten Bereichen des Bankgeschäfts erheblicher Handlungsdruck. Dabei gilt es allerdings, nicht nur auf das Maximum des technisch Machbaren zu blicken, sondern auch die Bereitschaft der Kunden, entsprechende Angebote anzunehmen, nicht aus den Augen zu verlieren.

Der Anteil derjenigen Kunden, für die digitale Angebote in vielen Lebensbereichen zum Standard gehören, nimmt stetig zu. Spätestens mit der Generation der "Digital Natives" sind digitale Leistungen der Standard. Der Beweis, dass diese Kunden auch im Bankgeschäft allein auf digitale Angebote setzen werden, steht allerdings noch aus. Es zeichnet sich vielmehr ab, dass auch in dieser Generation bei Bankgeschäften, anders als in anderen Lebensbereichen, der menschliche Faktor in vielen Bereichen nach wie vor eine wichtige Rolle spielen wird.

Was heißt das für die Aufstellung der Banken für die Zukunft? Damit die Banken in dieser dynamischen Umgebung, mit sich stetig verändernden Anforderungen an das Produkt- und Leistungsspektrum, erfolgreich sein können, gilt es, das eigene Leistungsspektrum kritisch zu hinterfragen und einen für die eigenen Zielkunden passenden Mix zwischen Mensch und Maschine für die Gestaltung des Produktangebotes aber auch den Vertrieb zu definieren.

Wertschöpfungskette neu designen

Eine große Herausforderung sind dabei die schon heute stark unterschiedlich ausgeprägten digitalen Anforderungen der Kunden. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus vorstellbar, dass vermehrt externe Produkt- und Leistungsbausteine, wie beispielsweise ein bereits etablierter Robo Advisor, bei Banken Einzug in die Wertschöpfungskette finden.

Im Rahmen dieser Plattformökonomie stehen die Institute vor der spannenden Aufgabe, ihre eigene Rolle neu zu bestimmen, den eigenen Leistungskern gegenüber dem Kunden neu zu definieren und die Wertschöpfungskette neu zu designen und damit die Weichen für die künftige Beziehung zu ihren Kunden zu stellen.

Die Herausforderung besteht darin, alle Elemente nicht nur miteinander zu verknüpfen, sondern auch zu harmonisieren. Denn im Unterschied zum bisherigen Modell kümmern sich Banken zukünftig nicht mehr um alle Bausteine selbst. In einem neuen Modell könnten sich Banken auf den Service und die Betreuung der Kunden konzentrieren, natürlich mit einem klaren Augenmerk auf Komfort und Einfachheit.

Rudolf Geyer, Sprecher der Geschäftsführung, European Bank for Financial Services GmbH (ebase), Aschheim
Rudolf Geyer , Sprecher der Geschäftsführung, European Bank for Financial Services GmbH (ebase), Aschheim

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